3. November 2000
Münchner Komponist Dieter Acker 60 Jahre alt
Am 3. November dieses Jahres begeht der aus Hermannstadt gebürtige, jetzt in München beheimatete Komponist Dieter Acker seinen 60. Geburtstag. Dieser ist für den Musikhistoriker und Kritiker Karl Teutsch Anlass für einen Blick auf Leben, Wirken und Werk Ackers, das sich nicht den Zwängen modischen Neutönertums beugt, sondern auf tradierter Grundlage, aber mit beachtlichem Erfindungsreichtum immer wieder Wege zum schöpferisch Musikantischen findet und dem Zuhörer das Erlebnis sinnlicher Klanglichkeit vermittelt.
Heute scheinen es die Komponisten besonders schwer zu haben. Sie haben es schwer mit sich selbst und ihrer schöpferischen Arbeit, sie haben es schwer mit dem Publikum und dessen Rezeptionsbereitschaft, sie haben es schwer mit den ausführenden Musikern und Konzertdirektionen, und sie haben es schwer mit der Veröffentlichung und Verbreitung ihrer Werke. Die bis vor kurzem erschreckend tiefe Kluft zwischen Komponist und Publikum ist zwar in letzter Zeit kleiner geworden, leider interessiert sich aber immer noch ein zu kleiner Kreis von Hörern und Musikliebhabern für die heutige Musik. Man kommt aus der ausschließenden konservativen Hörgewohnheit schwer heraus, man glaubt, die neue Musik nicht zu brauchen, da man ja - zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit - die gesamte Musik aller Zeiten und Kulturen abrufbereit zur Verfügung hat. Die neue Musik bietet angeblich nicht das ästhetische Vergnügen, die innere Bereicherung, spendet anscheinend nicht Trost und Kraft wie die Musik vergangener Zeiten.
Wären wir aber mehr gewillt, uns um ein Werk unserer Zeit zu bemühen, uns dafür zu öffnen, hineinzuhören oder es unbefangen auf uns wirken zu lassen, würden wir merken, dass wir Vorurteilen erliegen und dass das heutige Musikschaffen - zumindest ein Großteil davon - eine neue, eigene, anregende Ästhetik aufweist, geistige und emotionale Ausdruckswerte besitzt, die es in der tradierten Musik gar nicht gibt, dass sie oft in überhöhter, verinnerlichter Weise - wie es nur die Musik kann - gerade das artikuliert und vermittelt, was die Menschen unserer Zeit umtreibt und bewegt, was sie im Leben vielleicht nicht erkennen und dem sie im Alltag keinen Ausdruck verleihen können, dass heutige Musik sehr wohl aufbauende, ethische und kathartische Kräfte in sich bergen und mitteilen, eine geistige Bereicherung und emotionale Vertiefung vermitteln, auch wieder erhebend, befreiend, helfend und stärkend wirken kann. Das sind für manchen vielleicht alte Vokabeln: Um gute Musik zu kennzeichnen, sind sie aber auch heute noch gültig. In Abwandlung eines Bonmots zur E- und U-Musik, könnte man sagen: Es gibt keine klassische, moderne oder neue Musik, es gibt nur gute und schlechte Musik.
Ackers Musik ist zweifellos eine solche gute Musik. Er scheint es auch nicht schwer mit sich selbst zu haben, denn er beugt sich nicht dem Zwang - der Komponisten heute beutelt -, unbedingt etwas noch nie Gehörtes, noch von keinem erfundene Klänge, Klangkombinationen, Effekte oder gar Geräusche suchen, die schöpferischen Aktivitäten darauf reduzieren zu müssen, um dem "Vorwurf" entgegenzuwirken, etwas zu schreiben, was schon einmal dagewesen ist. Ackers ästhetischen Überzeugungen, vielleicht auch seine menschlichen Qualitäten einer bewundernswerten Gelassenheit, inneren Ausgeglichenheit, in sich ruhenden naturhaften Serenität führen ihn dazu, sich ohne Scheu einer nicht mehr ganz "neuen", dafür aber bewährten, geläuterten Musiksprache zu bedienen. Er versteht es, mit ihrer Hilfe eine Synthese zu schaffen und dann doch Neues zu sagen.
Wenn Erfindungskraft ein wesentliches Merkmal eines wirklich schöpferischen Musikers ist, dann ist Acker ein solcher. Man staunt immer wieder über den Erfindungsreichtum in seinen Werken, darüber, dass es ihm tatsächlich immer wieder gelingt, auf tradierter Grundlage neue, überraschende Wendungen, Themen, Tonfolgen, Zusammenklänge zu finden, abgesehen davon, dass sie gleichzeitig und ihrem Ursprung nach Träger kompositorischer Ideen sind. Horst Leuchtmann schreibt über Ackers Musik: "Sie ist melodiös, sensibel, von feiner Struktur und doch von intensiver Wirkung, der verhaltenen Stille, des Lyrischen ebenso mächtig wie der großen Steigerung, des Ekstatischen. Ihre Eindringlichkeit berührt und überträgt sich unmittelbar."
Acker errang schon verhältnismäßig früh Anerkennung in Fachkreisen und im Publikum. Auch erste internationale Erfolge stellten sich ein. 1966 erhielt er beim Internationalen Wettbewerb im Rahmen des "Prager Frühlings" den Kompositionspreis für sein Streichquartett Nr. I. Schon über Ackers Symphonie Nr. I ("Lebensläufe") aus den Jahren 1977/1978 urteilte die Wuppertaler Zeitung vom 8.10.1979: "Ein Werk, mit dem Acker eine Stufe unzweifelbarer Meisterschaft erreicht hat." Die Stuttgarter Zeitung vom 17.2.1982 schrieb darüber: "Ackers dreisätzige Symphonie arbeitet mit Gestalten, Figuren und Gesten, deren Geburt und Wachstum beobachtbar ist: Triumph des Goetheschen Entwicklungsgedankens, der jahrzehntelang im Gestänge serieller Prädisposition, punktueller Erstarrung oder flächenhafter Zustandsbeschreibungen verblichen war."
Die Basler Zeitung vom 29.11.1980 hob den "phantasievollen Umgang des Komponisten mit seinem Instrument" in der Hölderlin-Sonate für Klavier hervor, "der zu gegeneinander abgehobenen, kraftvoll sich entwickelnden Registerschichtungen führt (Satz I) und in Zonen zart sich ausbreitender Kantabilität einmündet (II)". Aus dem Jahre 1982 ist eine Pressestimme von den Rheinland-Pfälzischen Musiktagen über Ackers Violinkonzert aus dem Jahre 1981 erhalten: "Der Münchner Komponist Dieter Acker [...] bekennt sich mutig und freimütig zu einem kompositorischen Selbstverständnis, das sich der Tradition bewusst bleibt und sich ihrer liebevoll versichert. Keine Originalitätssucht oder gar geschmäcklerische Gags suchen dieses Werk heim. Im Gegenteil: Der Primat des Musikantischen, die Hingabe ans sinnlich Klangliche, die sensible Rücksicht auf die Eigengesetzlichkeiten des Instruments drücken sich jeder Phase und Periode dieses Werks auf." (Die Rheinpfalz, 16.11.1982).
Die gleiche Rheinpfalz vom 15.1.1987 betonte in einer Besprechung des Streichtrios Nr. II (1983), dass Acker "alles andere als ein ´Neutöner`" sei, "keines jener experimentierwütigen ´Enfantes terribles´, die radikal und kompromisslos mit allem aufräumen, was an schon dagewesenen Ausdrucksmitteln verfügbar wäre." Man müsste ihn dann andererseits aber nicht "einen Anachronisten nennen", denn "dazu aber wiederum ist seine Musik viel zu aufregend, viel zu innovativ und geistreich". Ackers Musik träte den Beweis an, dass die strenge viersätzige Sonatenform mittels zündender melodischer Ideen nach wie vor aktuell sein könne, dass sich auch aus dem rein tonalen Bereich noch tieflotend schöpfen ließe, "und vor allem: dass Avantgarde und Ästhetik nicht notwendig einander ausschließen". In einer Rezension der Trinklieder für Vokalquartett und Klavier aus 1994 heißt es: "Erfreulich, dass auch zeitgenössische Komponisten keinesfalls immer verbissen ernst sein müssen. Die lebensfrohen Texte mit ihrem deftigen Humor hat Acker ebenso munter in Musik umgesetzt, ohne dabei ins Seichte abzugleiten."
Gewiss ist die Quantität des Geschaffenen kein Indiz für dessen Qualität. Wenn aber der negative Touch des Vielschreibers auszuschließen ist, sagt sie doch etwas aus. Ackers bisheriges Lebenswerk ist auch in seinem Umfang beeindruckend: Für Orchester schrieb er vier Symphonien, zwei konzertante Symphonien, Texturae I für großes Orchester, Fresko für großes Orchester, zwei Konzerte für Violine und Orchester, Ballade für Violine und Orchester, zwei Konzerte für Klavier und Orchester, ein Konzert für Fagott und Orchester, zwei Konzerte für Streichorchester, eine Kammersinfonie, Sinfonia breve, Notturno für kleines Streichorchester, Sfumato für 22 Streicher, weitere zehn Werke für ein Soloinstrument oder eine Gruppe von Soloinstrumenten mit Orchester in kleiner Besetzung. An Kammermusikwerken sind zu nennen: Figuren für Violine solo, Sonate für Violine solo, Sonaten und andere Stücke für Violine und Klavier, für Violine und Orgel, für zwei Violinen und Klavier, für Viola und Klavier, für Viola und Harfe, für Cello solo, für Cello und Klavier, für Kontrabass solo, ein Duo für zwei Violinen, ein Duo für Viola und Cello, ein Trio für drei Bratschen, ein Trio für drei Kontrabässe, drei Streichtrios, vier Klaviertrios, fünf Trios für unterschiedliche Besetzungen, fünf Streichquartette, zwei Klavierquartette, ein Harfenquartett, zwei Quartette für gemischte Besetzung mit Bläsern und Streichern, ein Streichquintett, zwei Klavierquintette, ein Streichsextett, zwei Septette, ein Oktett, außerdem Sonaten, Stücke, Duos und Trios bis Oktette (insgesamt 39 Werke) für Bläser. Weniger zahlreich sind die Klavier- und Orgelkompositionen: zwei Sonaten für Klavier, eine Sonate für zwei Klaviere, mehrere Stücke kleineren Umfangs für Klavier, Stücke für Orgel allein und für Orgel mit anderen Instrumenten. Die Vokalmusik ist wieder umfangreicher: Drei Motetten und zwei Stücke für gemischten Chor a cappella, Sechs Haiku für gemischten Chor und Klavier, Diptychon für Frauenchor und Klavier, eine Anzahl Lieder für eine Singstimme und Klavier und für Singstimme, Instrumente und Klavier. Die literarischen Vorwürfe entnimmt Acker den Gedichten von Rilke, Hölderlin, Heine, Trakl, Mörike und Hesse.
Eine ganze Reihe von Werken Ackers sind in bekannten großen Verlagen, wie Breitkopf & Härtel, Bote & Bock, Ries & Erler, Möseler-Verlag, Moeck-Verlag im Druck erschienen. Die Sechs Haiku für Chor brachte der Gehann-Musikverlag heraus, mehrere Kompositionen sind im Selbstverlag erhältlich. Leider ist nur wenig auf CD eingespielt worden. Deshalb sei hier nachdrücklich auf eine CD hingewiesen, die Ralph Dengel vor fünf Jahren produziert hat und die unter der Adresse Rayuela Records - Dengel, Strohgäustraße 22/6, D-71229 Leonberg noch erworben werden kann. Sie beinhaltet die Rilke-Sonate für Violine und Klavier, die Hölderlin-Sonate für Klavier, die Eichendorff-Sonate für Klarinette und Klavier, die Mörike-Sonate für Cello und Klavier und die Sonate für Viola und Klavier. Die Ausführenden sind herausragende, international bekannte Solisten. Der aufschlussreiche, gut geschriebene Begleittext des Musikwissenschaftlers Dr. Horst Leuchtmann enthält in komprimierter Form alle notwendigen Informationen über Ackers Kompositionsstil und über die eingespielten "Dichter-Sonaten".
Dieter Acker fand in seiner Vaterstadt früh den Weg zur Musik. In Franz Xaver Dressler, dem Hermannstädter Organisten und Stadtkantor, sieht er seinen ersten Lehrer und Mentor, der ihn professionell in die Welt der Töne einführte. Acker war neun, als Dresslers Knabenchor, der Brukenthal-Chor, durch die rumänischen kommunistischen Staatsorgane aufgelöst wurde. Er war elf, als Dressler verhaftet und zu mehreren Jahren Zwangsarbeit verurteilt wurde, weil er sich für die geistliche Musik eingesetzt hatte. Acker war 19, als der Bach-Chor der Hermannstädter Stadtpfarrkirche "verstaatlicht" und ihm untersagt wurde, geistliche Musik öffentlich aufzuführen. Zum Studium nach Deutschland zu gehen war undenkbar. So studierte Acker an der Musikhochschule im siebenbürgischen Klausenburg, wo er allerdings in Sigismund Toduta 1959 einen Kompositionslehrer fand, wie er ihn sich wahrscheinlich nicht besser wünschen konnte - Toduta war als vortrefflicher Pädagoge, ungemein gebildeter, geistig hochstehender Künstler und herausragender Komponist gleichermaßen geachtet und geschätzt - und Toduta hatte an Acker einen seiner fähigsten und begabtesten Studenten. Er behielt Acker denn auch nach Beendigung seines Studiums 1964 als Assistenten und Dozenten für Komposition und theoretische Fächer an der Hochschule. Politisch und ideologisch bedingte Einschränkungen, die nun auch auf Acker zukamen, Hindernisse, Zurücksetzungen und Bedrängnisse, das Abgeschnittensein vom gesamten Westen und den musikalischen Entwicklungen in der Welt, ließen das Begehren in ihm reifen, das kommunistische Rumänien zu verlassen und in Deutschland Anschluss, Orientierung, Weiterbildung, Wirkungsmöglichkeiten zu suchen. Es gelang ihm - wie immer in solchen Fällen unter großen Schwierigkeiten - 1969 auszureisen.
Ein so schnelles Vorankommen, aber auch ein so freundliches Entgegenkommen wie es Acker dann hier zuteil wurde, erlebt ein "Aussiedler" und "politischer Flüchtling" selten: Kurze Zeit nach seinem Eintreffen in Deutschland erhielt er die Stelle eines Dozenten am Robert-Schumann-Konservatorium in Düsseldorf (dem bald darauf der Status einer Musikhochschule zuerkannt wurde) und schon 1972 berief ihn die Münchener Musikhochschule zum Theorie- und Kompositionslehrer. 1970 hatte er den Stamitz-Preis, 1971 den Kompositionspreis der Stadt Stuttgart und im selben Jahr den Marler Kompositionspreis erhalten. Es folgten 1972 die Auszeichnungen mit dem Kompositionspreis des Lions-Club-International, 1973 mit dem Internationalen Kompositionspreis "Stroud-Festival" in England und 1974 mit dem Hitzacker-Preis. Das Jahr 1976 brachte die Ernennung zum Professor für Komposition an der Münchener Musikhochschule als Nachfolger von Harald Genzmer. Als internationale Ehrung wäre noch der "Prix ´Henriette Renié´ der Académie des Beaux Arts" in Paris zu nennen. Acker hatte - was nicht alltäglich und nicht selbstverständlich ist - mit seinen Kompositionen von Beginn an beachtlichen Erfolg sowohl in Fachkreisen, als auch bei Rundfunk und Presse und beim Publikum. An Aufführungen und Aufträgen mangelt es auch heute nicht. Die internationale Ebene hat er längst erreicht.
Wären wir aber mehr gewillt, uns um ein Werk unserer Zeit zu bemühen, uns dafür zu öffnen, hineinzuhören oder es unbefangen auf uns wirken zu lassen, würden wir merken, dass wir Vorurteilen erliegen und dass das heutige Musikschaffen - zumindest ein Großteil davon - eine neue, eigene, anregende Ästhetik aufweist, geistige und emotionale Ausdruckswerte besitzt, die es in der tradierten Musik gar nicht gibt, dass sie oft in überhöhter, verinnerlichter Weise - wie es nur die Musik kann - gerade das artikuliert und vermittelt, was die Menschen unserer Zeit umtreibt und bewegt, was sie im Leben vielleicht nicht erkennen und dem sie im Alltag keinen Ausdruck verleihen können, dass heutige Musik sehr wohl aufbauende, ethische und kathartische Kräfte in sich bergen und mitteilen, eine geistige Bereicherung und emotionale Vertiefung vermitteln, auch wieder erhebend, befreiend, helfend und stärkend wirken kann. Das sind für manchen vielleicht alte Vokabeln: Um gute Musik zu kennzeichnen, sind sie aber auch heute noch gültig. In Abwandlung eines Bonmots zur E- und U-Musik, könnte man sagen: Es gibt keine klassische, moderne oder neue Musik, es gibt nur gute und schlechte Musik.
Ackers Musik ist zweifellos eine solche gute Musik. Er scheint es auch nicht schwer mit sich selbst zu haben, denn er beugt sich nicht dem Zwang - der Komponisten heute beutelt -, unbedingt etwas noch nie Gehörtes, noch von keinem erfundene Klänge, Klangkombinationen, Effekte oder gar Geräusche suchen, die schöpferischen Aktivitäten darauf reduzieren zu müssen, um dem "Vorwurf" entgegenzuwirken, etwas zu schreiben, was schon einmal dagewesen ist. Ackers ästhetischen Überzeugungen, vielleicht auch seine menschlichen Qualitäten einer bewundernswerten Gelassenheit, inneren Ausgeglichenheit, in sich ruhenden naturhaften Serenität führen ihn dazu, sich ohne Scheu einer nicht mehr ganz "neuen", dafür aber bewährten, geläuterten Musiksprache zu bedienen. Er versteht es, mit ihrer Hilfe eine Synthese zu schaffen und dann doch Neues zu sagen.
Wenn Erfindungskraft ein wesentliches Merkmal eines wirklich schöpferischen Musikers ist, dann ist Acker ein solcher. Man staunt immer wieder über den Erfindungsreichtum in seinen Werken, darüber, dass es ihm tatsächlich immer wieder gelingt, auf tradierter Grundlage neue, überraschende Wendungen, Themen, Tonfolgen, Zusammenklänge zu finden, abgesehen davon, dass sie gleichzeitig und ihrem Ursprung nach Träger kompositorischer Ideen sind. Horst Leuchtmann schreibt über Ackers Musik: "Sie ist melodiös, sensibel, von feiner Struktur und doch von intensiver Wirkung, der verhaltenen Stille, des Lyrischen ebenso mächtig wie der großen Steigerung, des Ekstatischen. Ihre Eindringlichkeit berührt und überträgt sich unmittelbar."
Acker errang schon verhältnismäßig früh Anerkennung in Fachkreisen und im Publikum. Auch erste internationale Erfolge stellten sich ein. 1966 erhielt er beim Internationalen Wettbewerb im Rahmen des "Prager Frühlings" den Kompositionspreis für sein Streichquartett Nr. I. Schon über Ackers Symphonie Nr. I ("Lebensläufe") aus den Jahren 1977/1978 urteilte die Wuppertaler Zeitung vom 8.10.1979: "Ein Werk, mit dem Acker eine Stufe unzweifelbarer Meisterschaft erreicht hat." Die Stuttgarter Zeitung vom 17.2.1982 schrieb darüber: "Ackers dreisätzige Symphonie arbeitet mit Gestalten, Figuren und Gesten, deren Geburt und Wachstum beobachtbar ist: Triumph des Goetheschen Entwicklungsgedankens, der jahrzehntelang im Gestänge serieller Prädisposition, punktueller Erstarrung oder flächenhafter Zustandsbeschreibungen verblichen war."
Die Basler Zeitung vom 29.11.1980 hob den "phantasievollen Umgang des Komponisten mit seinem Instrument" in der Hölderlin-Sonate für Klavier hervor, "der zu gegeneinander abgehobenen, kraftvoll sich entwickelnden Registerschichtungen führt (Satz I) und in Zonen zart sich ausbreitender Kantabilität einmündet (II)". Aus dem Jahre 1982 ist eine Pressestimme von den Rheinland-Pfälzischen Musiktagen über Ackers Violinkonzert aus dem Jahre 1981 erhalten: "Der Münchner Komponist Dieter Acker [...] bekennt sich mutig und freimütig zu einem kompositorischen Selbstverständnis, das sich der Tradition bewusst bleibt und sich ihrer liebevoll versichert. Keine Originalitätssucht oder gar geschmäcklerische Gags suchen dieses Werk heim. Im Gegenteil: Der Primat des Musikantischen, die Hingabe ans sinnlich Klangliche, die sensible Rücksicht auf die Eigengesetzlichkeiten des Instruments drücken sich jeder Phase und Periode dieses Werks auf." (Die Rheinpfalz, 16.11.1982).
Die gleiche Rheinpfalz vom 15.1.1987 betonte in einer Besprechung des Streichtrios Nr. II (1983), dass Acker "alles andere als ein ´Neutöner`" sei, "keines jener experimentierwütigen ´Enfantes terribles´, die radikal und kompromisslos mit allem aufräumen, was an schon dagewesenen Ausdrucksmitteln verfügbar wäre." Man müsste ihn dann andererseits aber nicht "einen Anachronisten nennen", denn "dazu aber wiederum ist seine Musik viel zu aufregend, viel zu innovativ und geistreich". Ackers Musik träte den Beweis an, dass die strenge viersätzige Sonatenform mittels zündender melodischer Ideen nach wie vor aktuell sein könne, dass sich auch aus dem rein tonalen Bereich noch tieflotend schöpfen ließe, "und vor allem: dass Avantgarde und Ästhetik nicht notwendig einander ausschließen". In einer Rezension der Trinklieder für Vokalquartett und Klavier aus 1994 heißt es: "Erfreulich, dass auch zeitgenössische Komponisten keinesfalls immer verbissen ernst sein müssen. Die lebensfrohen Texte mit ihrem deftigen Humor hat Acker ebenso munter in Musik umgesetzt, ohne dabei ins Seichte abzugleiten."
Gewiss ist die Quantität des Geschaffenen kein Indiz für dessen Qualität. Wenn aber der negative Touch des Vielschreibers auszuschließen ist, sagt sie doch etwas aus. Ackers bisheriges Lebenswerk ist auch in seinem Umfang beeindruckend: Für Orchester schrieb er vier Symphonien, zwei konzertante Symphonien, Texturae I für großes Orchester, Fresko für großes Orchester, zwei Konzerte für Violine und Orchester, Ballade für Violine und Orchester, zwei Konzerte für Klavier und Orchester, ein Konzert für Fagott und Orchester, zwei Konzerte für Streichorchester, eine Kammersinfonie, Sinfonia breve, Notturno für kleines Streichorchester, Sfumato für 22 Streicher, weitere zehn Werke für ein Soloinstrument oder eine Gruppe von Soloinstrumenten mit Orchester in kleiner Besetzung. An Kammermusikwerken sind zu nennen: Figuren für Violine solo, Sonate für Violine solo, Sonaten und andere Stücke für Violine und Klavier, für Violine und Orgel, für zwei Violinen und Klavier, für Viola und Klavier, für Viola und Harfe, für Cello solo, für Cello und Klavier, für Kontrabass solo, ein Duo für zwei Violinen, ein Duo für Viola und Cello, ein Trio für drei Bratschen, ein Trio für drei Kontrabässe, drei Streichtrios, vier Klaviertrios, fünf Trios für unterschiedliche Besetzungen, fünf Streichquartette, zwei Klavierquartette, ein Harfenquartett, zwei Quartette für gemischte Besetzung mit Bläsern und Streichern, ein Streichquintett, zwei Klavierquintette, ein Streichsextett, zwei Septette, ein Oktett, außerdem Sonaten, Stücke, Duos und Trios bis Oktette (insgesamt 39 Werke) für Bläser. Weniger zahlreich sind die Klavier- und Orgelkompositionen: zwei Sonaten für Klavier, eine Sonate für zwei Klaviere, mehrere Stücke kleineren Umfangs für Klavier, Stücke für Orgel allein und für Orgel mit anderen Instrumenten. Die Vokalmusik ist wieder umfangreicher: Drei Motetten und zwei Stücke für gemischten Chor a cappella, Sechs Haiku für gemischten Chor und Klavier, Diptychon für Frauenchor und Klavier, eine Anzahl Lieder für eine Singstimme und Klavier und für Singstimme, Instrumente und Klavier. Die literarischen Vorwürfe entnimmt Acker den Gedichten von Rilke, Hölderlin, Heine, Trakl, Mörike und Hesse.
Eine ganze Reihe von Werken Ackers sind in bekannten großen Verlagen, wie Breitkopf & Härtel, Bote & Bock, Ries & Erler, Möseler-Verlag, Moeck-Verlag im Druck erschienen. Die Sechs Haiku für Chor brachte der Gehann-Musikverlag heraus, mehrere Kompositionen sind im Selbstverlag erhältlich. Leider ist nur wenig auf CD eingespielt worden. Deshalb sei hier nachdrücklich auf eine CD hingewiesen, die Ralph Dengel vor fünf Jahren produziert hat und die unter der Adresse Rayuela Records - Dengel, Strohgäustraße 22/6, D-71229 Leonberg noch erworben werden kann. Sie beinhaltet die Rilke-Sonate für Violine und Klavier, die Hölderlin-Sonate für Klavier, die Eichendorff-Sonate für Klarinette und Klavier, die Mörike-Sonate für Cello und Klavier und die Sonate für Viola und Klavier. Die Ausführenden sind herausragende, international bekannte Solisten. Der aufschlussreiche, gut geschriebene Begleittext des Musikwissenschaftlers Dr. Horst Leuchtmann enthält in komprimierter Form alle notwendigen Informationen über Ackers Kompositionsstil und über die eingespielten "Dichter-Sonaten".
Dieter Acker fand in seiner Vaterstadt früh den Weg zur Musik. In Franz Xaver Dressler, dem Hermannstädter Organisten und Stadtkantor, sieht er seinen ersten Lehrer und Mentor, der ihn professionell in die Welt der Töne einführte. Acker war neun, als Dresslers Knabenchor, der Brukenthal-Chor, durch die rumänischen kommunistischen Staatsorgane aufgelöst wurde. Er war elf, als Dressler verhaftet und zu mehreren Jahren Zwangsarbeit verurteilt wurde, weil er sich für die geistliche Musik eingesetzt hatte. Acker war 19, als der Bach-Chor der Hermannstädter Stadtpfarrkirche "verstaatlicht" und ihm untersagt wurde, geistliche Musik öffentlich aufzuführen. Zum Studium nach Deutschland zu gehen war undenkbar. So studierte Acker an der Musikhochschule im siebenbürgischen Klausenburg, wo er allerdings in Sigismund Toduta 1959 einen Kompositionslehrer fand, wie er ihn sich wahrscheinlich nicht besser wünschen konnte - Toduta war als vortrefflicher Pädagoge, ungemein gebildeter, geistig hochstehender Künstler und herausragender Komponist gleichermaßen geachtet und geschätzt - und Toduta hatte an Acker einen seiner fähigsten und begabtesten Studenten. Er behielt Acker denn auch nach Beendigung seines Studiums 1964 als Assistenten und Dozenten für Komposition und theoretische Fächer an der Hochschule. Politisch und ideologisch bedingte Einschränkungen, die nun auch auf Acker zukamen, Hindernisse, Zurücksetzungen und Bedrängnisse, das Abgeschnittensein vom gesamten Westen und den musikalischen Entwicklungen in der Welt, ließen das Begehren in ihm reifen, das kommunistische Rumänien zu verlassen und in Deutschland Anschluss, Orientierung, Weiterbildung, Wirkungsmöglichkeiten zu suchen. Es gelang ihm - wie immer in solchen Fällen unter großen Schwierigkeiten - 1969 auszureisen.
Ein so schnelles Vorankommen, aber auch ein so freundliches Entgegenkommen wie es Acker dann hier zuteil wurde, erlebt ein "Aussiedler" und "politischer Flüchtling" selten: Kurze Zeit nach seinem Eintreffen in Deutschland erhielt er die Stelle eines Dozenten am Robert-Schumann-Konservatorium in Düsseldorf (dem bald darauf der Status einer Musikhochschule zuerkannt wurde) und schon 1972 berief ihn die Münchener Musikhochschule zum Theorie- und Kompositionslehrer. 1970 hatte er den Stamitz-Preis, 1971 den Kompositionspreis der Stadt Stuttgart und im selben Jahr den Marler Kompositionspreis erhalten. Es folgten 1972 die Auszeichnungen mit dem Kompositionspreis des Lions-Club-International, 1973 mit dem Internationalen Kompositionspreis "Stroud-Festival" in England und 1974 mit dem Hitzacker-Preis. Das Jahr 1976 brachte die Ernennung zum Professor für Komposition an der Münchener Musikhochschule als Nachfolger von Harald Genzmer. Als internationale Ehrung wäre noch der "Prix ´Henriette Renié´ der Académie des Beaux Arts" in Paris zu nennen. Acker hatte - was nicht alltäglich und nicht selbstverständlich ist - mit seinen Kompositionen von Beginn an beachtlichen Erfolg sowohl in Fachkreisen, als auch bei Rundfunk und Presse und beim Publikum. An Aufführungen und Aufträgen mangelt es auch heute nicht. Die internationale Ebene hat er längst erreicht.
Karl Teutsch
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