30. März 2002

Faszinierendes Hobby

Michael Konradt züchtet in Geretsried exotische und mitteleuropäische Schmetterlinge.
Es ist schon interessant und geradezu faszinierend, was sich seit nahezu 50 Jahren ein Lehrer, ehemaliger Hermannstädter Seminarabsolvent, in Deutschland ab 1977 als Studienrat für Erdkunde und Geschichte tätiger und nun pensionierter Landsmann als Hobby ausgesucht hat - das Züchten von exotischen und mitteleuropäischen Schmetterlingen.
Ungewöhnliches Hobby: Schmetterlingszüchter Michael Konradt in Geretsried.
Ungewöhnliches Hobby: Schmetterlingszüchter Michael Konradt in Geretsried.

Durch zwei jüngst in Geretsried gehaltene Dia-Vorträge über die Schmetterlinge als Wunder der Natur wurden die Zuhörer auf das seltene und außergewöhnliche Hobby von Michael Konradt aufmerksam. Mehr darüber erfuhren wir während einiger Besuche bei ihm zu Hause erfahren.
Lebhaft erinnern wir uns an die eigenen Erfahrungen bei der Seidenraupenzucht-Schulaktion der 50er Jahre in Siebenbürgen, als die Schüler der Volksschulen viele gefräßige Seidenraupen mit täglich frischen Maulbeer-Blättern zu füttern hatten, um möglichst kiloweise noch vor Schulbeginn die Kokons zur Seidenfabrikation abzuliefern. Damals, Anfang der 50er Jahre, wurde Konradt in sein späteres Hobby eingeführt von dem Schäßburger Apotheker Wilhelm Weber, der ihm zeigte, wie man Schmetterlinge fängt und bestimmt, sie richtig auf dem Spannbrett mit den Spannstreifen präpariert und auch wie man sie züchtet. Einer der wenigen Züchter-Kollegen in Rumänien war und ist der Temeschburger Friedrich König. Von Beruf Eisendreher, hat sich König in ganz Europa als Lepidopteren-Spezialist einen Namen erworben und seine Facharbeiten sind in mehreren Ländern erschienen, wie Konradt respektvoll berichtet. Mit 50 Jahren hat König ein Biologiestudium begonnen und erfolgreich beendet und ist heute eine Kapazität, dessen Manuskript zu einem Schmetterlingsbestimmungsbuch in Rumänien leider lange nicht gedruckt wurde.
Konradt selbst hatte mit der erfolgreichen Zucht des südostasiatischen Exoten Atacus Atlas, einem der größten Schmetterlinge der Erde, begonnen. Die Eier beschaffte er sich aus Deutschland aufgrund von Angeboten in der Entomologischen Monatszeitschrift. Er fand heraus, dass der am Schäßburger Burgberg wachsende Ailantus-Baum von den Raupen als Futterpflanze angenommen wurde. Erfolgreich züchtete er 1959 den Atacus Edwardsii, dessen Zuchtergebnisse auch nach Deutschland gingen. Mit der gleichen Futterpflanze Ailantus gelang es ihm auch einen weiteren exotischen Prachtfalter, den Attacus Aurota, zu züchten, dessen Exemplare sich in seiner eigenen Sammlung besonders farbenfroh ausnehmen. Aber er bereicherte nicht nur seine eigene Sammlung, sondern gab die vorpräparierten Zuchtschmetterlinge als Prachtexemplare an Sammler weiter.
Besonders stolz ist Konradt auf seine Zuchtergebnisse bei der Art Actias Selene, einem hellgrünen Schmetterling aus Südostasien, dessen Weibchen mit zu den größten Schmetterlingen unserer Erde zählen und von denen er an die 1 000 Stück gezüchtet und an Sammler weitergegeben hat. Als Futterpflanze diente der Nussbaum, dessen Blätter leicht zu beschaffen waren. Eine andere Zucht, deren Schmetterlingsweibchen deutlich unterschiedliche Zeichnungen und Farben auf den Flügeln hervorbringen, ist die Art Antherea Jammamai. Auch die viel Arbeit und Sachkenntnis erfordernde Nachzucht des größten Schmetterlings in Rumänien, des Großen oder des Wiener Nachtpfauenauges (Saturnia pyri), der an der Küste des Schwarzen Meeres vorkommt, gelang Konradt. Und die Zucht von Saturnia Pavonia zeigte, dass die Männchen viel schöner und mit bunteren Farben gezeichnet sind als die Weibchen.
In Deutschland hat Michael Konradt den Braunen Bär, Arctia caja, einen wegen seiner vielfältigen und faszinierenden Variationsfolge begehrten Nachtfalter gefangen und nachgezüchtet. Als Futterpflanze dienten Heidelbeer-, Brombeer- oder Himbeerblätter. Derzeit bemüht er sich liebevoll um 120 Raupen des Eichenspinners, Lasiocampa quercus. Ein befruchtetes Weibchen hatte er im Juli letzten Jahres in der Harghita in Rumänien während eines Urlaubs gefangen. Nach der Eiablage Ende Juli, erfolgte das Schlüpfen der Raupen, welche innerhalb der Monate August und September sich fünfmal hintereinander häuteten, bevor sie sich in einen aus grobem Seidenfaden bestehenden Kokon einspannen. Die Raupen haben wie jede Schmetterlings- oder Falterart ihre spezielle Futterpflanze, ohne die sie, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht gedeihen und leben können. Beim Eichenspinner ist es der Schlehenbusch, dessen frische Blätter alle zwei Tage geholt und den Raupen als Fressen vorgelegt werden müssen.
Wenn die Raupen des Eichenspinners in der Wohnung von Inge und Michael Konradt sich bald einspinnen - dabei benötigen sie eine gleichbleibende warme Raumtemperatur -, entwickelt sich in jedem der Kokons innnerhalb der nächsten 2-3 Wochen je eine Puppe aus der später die begehrten rostbraunen Schmetterlinge schlüpfen. Das Weibchen würde in Freiheit dann nach einer halben Stunde auf einen Ast fliegen und seine Duftschwaden (Feromone) aussenden. Männchen würden sie aus einer Entfernung von bis zu einem km punktgenau orten und entlang des Duftes heranfliegen um die Befruchtung zu vollziehen.
Leider kennt Konradt in Deutschland kaum andere Züchter, welche sich ähnlichen Mühen unterziehen um erfolgreich zu sein. Rückblickend muss er allerdings auch feststellen, dass er hier, in der neuen Heimat, an keinen Jugendlichen die Liebe und Freude am Züchten und Sammeln von Schmetterlingen weitergeben konnte. Es ist ihm nicht einmal gelungen, seine Sammlungen in Schulen und vor Klassen zu zeigen, so wie seinerzeit in Schäßburg. Früher oder später werden auch seine umfangreichen und wertvollen Insektensammlungen an Fachinstitute und staatliche Einrichtungen übergehen, um der Nachwelt die Zeugen dieser wunderbaren Schöpfungen der Natur zu erhalten.

Walter Klemm


(Siebenbürgische Zeitung, Folge 5 vom 31. März 2002)

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Neueste Kommentare

  • 08.08.2020, 11:41 Uhr von WIMAR55: Großartiges Hobby.Erfordert so einiges an Fachwissen,Zeit und Mühe.Selber nur ein bescheidener ... [weiter]

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