1. April 2002

Schulbereich im Siebenbürgischen Museum neu gestaltet

Den Siebenbürger Sachsen war die Bildung lebenswichtig und Garant für die Bewahrung ihrer kulturellen Eigenart. Im neu gestalteten Themenbereich „Schule und Kindheit“ des Siebenbürgischen Museums in Gundelsheim am Neckar wird diese Grundaussage im Zusammenspiel von aussagekräftigen Exponaten, erläuternden Texten und suggestiver Didaktik verdeutlicht.
Die 1997 neu eingerichtete Dauerausstellung des Siebenbürgischen Museums auf Schloss Horneck in Gundelsheim eröffnet dem Besucher über einige relevante Themenbereiche siebenbürgischer Lebenswelt den Zugang zu einer vielschichtig-vielethnischen Kulturlandschaft im Südosten Europas. Drei wichtige Koordinaten - das Verhältnis zwischen Tradition und Innovation, dazu das Spezifische einer Kulturlandschaft im Schnittpunkt von Ost und West und die Idee der Kulturkanäle - sind das geistige Gerüst für die sieben ausgewählten und dargestellten Bereiche. Diese fügen sich in der räumlichen Aufgliederung um einen Zentralbereich mit der Funktion eines Einführungsraumes in die allgemeine siebenbürgische Problematik.
Blick auf den kürzlich umgestalteten Schulbereich im Siebenbürgischen Museum zu Gundelsheim
Blick auf den kürzlich umgestalteten Schulbereich im Siebenbürgischen Museum zu Gundelsheim

Der Raum, dem das Thema Kindheit und Schule zugeordnet ist, befindet sich ganz augenscheinlich in einer „Ecke“ des Besucherganges. Schon deshalb ist er der Bedeutung des Themas nicht angemessen, war doch die Bildung einer der wichtigsten Stützpfeiler der kulturellen Identität bei den Siebenbürger Sachsen, die stärker in den Vordergrund der Präsentation hätte gestellt werden müssen. In der ursprünglichen Darstellung stand dieser Bereich der Dauerausstellung wohl auch deshalb zurück, weil seine Aussage verschwommen blieb.
Im Mittelpunkt der Neukonzeption und der nun erfolgten Neugestaltung des nur 12 qm großen Raumes steht folgende Grundaussage: Den Siebenbürger Sachsen war die Bildung lebenswichtig und Garant für die Bewahrung ihrer kulturellen Eigenart! Im Zusammenspiel von aussagekräftigen Exponaten, von erläuternden Texten und suggestiver Didaktik soll diese Grundaussage dem Besucher verdichtet und zugleich plakativ entgegentreten.
Die Verbindung von Sprache und Konfession, von Schule und Kirche stand am Anfang jenes Werdeganges, der die Nachfahren der mittelalterlichen deutschen Siedler in Siebenbürgen im Zeitalter der Reformation zur gemeinsamen ethnisch-kulturellen Identität führte.
Das siebenbürgisch-sächsische Bildungswesen erreichte daher im 16. Jahrhundert seine erste große Blüte und europäische Geltung. Die herausragende Persönlichkeit dieser Zeit war Johannes Honterus (1498-1549), Gelehrter von europäischem Format, Reformator und Schulmann der Siebenbürger Sachsen. Er gründete im Jahre 1541 in Kronstadt die „Schola Coronensis“, das erste humanistische Gymnasium in Südosteuropa. Die von ihm erarbeitete Schulordnung diente als Muster für die Schulen in allen anderen Städten der Siebenbürger Sachsen.
Das Schulwesen zur Zeit der Reformation konnte auf eine schon vorhandene, solide Schultradition aufbauen. Diese wurde getragen von einem dichten Netz von Stadt- und Landschulen. Die ersten Dorfschulen fanden schon im Jahre 1334 urkundliche Erwähnung, zu Beginn des 16. Jahrhunderts hatte fast jede sächsische Dorfgemeinschaft ihre eigene Schule.
Die Siebenbürger Sachsen konnten die Eigenverantwortung für ihre Bildungsinstitutionen über Jahrhunderte hinweg auch bei wechselnder staatlicher und politischer Zugehörigkeit behalten. Im Jahre 1722 führten sie die allgemeine Schulpflicht für Jungen und Mädchen ein.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam es erneut zu einer „kleinen Bildungsrevolution“. Im Bestreben um den Erhalt politischer Eigenständigkeit und kultureller Identität rückte die Bedeutung der Schule im Umfeld der Magyarisierungspolitik des ungarischen Staates gegenüber allen in Siebenbürgen lebenden Völkern in den Vordergrund. Die Schulordnung von 1870 legte den Grundstein für ein einheitliches deutschsprachiges Volksschulwesen.
Nach dem Ersten Weltkrieg sicherte der Friedensvertrag zusammen mit den Minderheitenschutzverträgen auch den Siebenbürger Sachsen Religions- und Schulautonomie zu. Gleichwohl blieben die deutschen Schulen in Siebenbürgen dank ihres hohen Anspruches gesamtsiebenbürgische Bildungsstätten, offen auch für rumänische, ungarische und jüdische Schüler.
Mit der Verstaatlichung des Schulwesens in der Volksrepublik Rumänien im Jahre 1948 wurde auch die Eigenständigkeit des Schulwesens der Siebenbürger Sachsen beendet. Die staatlichen Schulen und Schulabteilungen „in der Sprache der deutschen Nationalität“ leisteten während der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts trotz ideologischer Gleichschaltung der Bildungsinhalte auf marxistisch-leninistischer Grundlage Wesentliches für die Bewahrung siebenbürgisch-deutscher kultureller Identität.
Heute sind die deutschen Schulen in Rumänien wichtige kulturelle Begegnungsräume, Vermittler geistiger Werte zwischen Ost und West.

Dieser Einleitungstext zur Entwicklung und zum Wesen siebenbürgisch-sächsischer Bildungsinstitutionen gibt den Verständnisrahmen ab für die exemplarisch dargebotenen Teilaspekte, während die Wandvitrine an der Stirnseite des Raumes mit hinterleuchteten Fotoaufnahmen und den dazugehörigen Schlagworten und Zitatfetzen auf die an den Wänden erläuterten Teilaspekte verweist: das Kleinkind in der Gesellschaft; die Dorfschule und die Erziehung im Sinne sächsischen Gemeinschaftslebens; Schulmänner und Pfarrer; Schulbrauchtum und Studentenkultur. Jedem dieser Aspekte ist eine Vitrine mit Objekten zugeordnet.
Für das Kindsein in Siebenbürgen steht exemplarisch ein Text in siebenbürgischer Mundart auf der Vitrinenwand. Es ist das Volkslied vom zarten Röslein im Garten, das in aller Frühe erblüht und am Abend seine Blätter schließt: Det Käjnd, / wä en Ris äm Gorten, / dä des Morjest afblat / uch des Owest zablat. Die Kindmetapher der gehegten Rose findet ihren augenfälligen Widerschein in den blütenverzierten Häubchen und blumenbestickten Kinderkleidchen bäuerlicher und bürgerlicher Herkunft, die in einer Vitrine des Museums dargestellt werden.
Ein weiterer Abschnitt ist dem Dorfschulwesen gewidmet. Die hier ausgestellten Hefte und Schulbücher, die Inhalte der Schulprogramme und Lehrpläne aus den letzten zweihundert Jahren, führen das übergeordnete Erziehungsziel exemplarisch vor Augen: die Vorbereitung der Schuljugend auf ein arbeitsames, gottgefälliges Leben in Verantwortung für die Gemeinschaft. In der schriftlichen Erläuterung dazu heißt es:
Die Dorfschulen waren kommunal-kirchliche Einrichtungen. Für einen optimalen Schulbesuch bedurfte es keiner staatlichen Zwangsmaßnahmen. Ihn gewährleistete eine sehr hoch gehaltene gemeinschaftliche Verantwortung für die eigene Jugend und ein dichtes Netz sozialer Kontrollen. Mit der Schulordnung von 1870 erhielt das bis dahin uneinheitliche Volksschulwesen eine verbindliche Ordnung: achtjährige Schulpflicht für die Mädchen, neunjährige für die Jungen. Dem schloss sich eine vierjährige Fortbildungsschule an. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts besaßen die Siebenbürger Sachsen ein privates, konfessionelles Schulwesen von beachtlicher Differenziertheit: Kindergärten, Volksschulen, Gymnasien, Lyzeen, Seminare, eine höhere Handelsschule, Ackerbauschulen, dazu seit 1871 die ersten Berufsschulen in Südosteuropa.
Das hohe Ansehen der Schule zeigt sich auch an der gewichtigen Stellung, welche dem Lehrerstand in der traditionalen siebenbürgisch-sächsischen Gesellschaft zukam:
Im Umfeld der Bedrohung der politischen und kulturellen Gruppenidentität der Sachsen im 19. Jahrhundert wurde „die Rettung durch Bildung“ zum Glaubenssatz sächsischen Daseins in Siebenbürgen erhoben. Aus dieser Bewältigungsstrategie heraus entwickelte der Lehrerstand ein neues, elitäres berufliches Selbstverständnis. Dazu gehörte eine gediegene Ausbildung vor allem der Gymnasiallehrer und Pfarrer an renommierten deutschsprachigen Universitäten im protestantischen Ausland. Hohes Wissen ebnete vielen Studenten den Weg über das Lehramt in den noch angeseheneren Pfarrerstand. Auch waren die Anfänge in vielen modernen Wissenschaftsbereichen in Siebenbürgen mit den Namen solcher Persönlichkeiten verbunden, die Lehrer und Pfarrer waren.
Dieser Aspekt wird in der Ausstellung beispielhaft anhand des Wirkens von Friedrich Teutsch - Schulmann, Gelehrter und späterer Bischof - thematisiert.
Nicht zuletzt stehen Schulbrauchtum und Studentenkultur in der Ausstellung für die Verankerung der Institution Schule im Gemeinschaftsleben. Schulfahne, Flaus und andere Insignien überkommener Studentenkultur bieten ein einprägsames Bild des Coetus. Dieser Organisation gelang es, bei zeitlich sich wandelnden Strukturen und unterschiedlichem Auftreten in der Öffentlichkeit, die siebenbürgischen Gymnasiasten zur mitverantwortlichen Beteiligung am schulischen und gesellschaftlichen Leben mit zu erziehen.
Digitalprints (Fahnen), alternierend mit Fotomaterial zu den einzelnen Themenabschnitten, dazu eine Graphik von Fritz Kimm (1890-1979) runden die Präsentation ab. Der noch in Arbeit befindliche Aspekt „Schularchitektur“ wird in nächster Zukunft in Form eines Blätterpultes hinzukommen.

Irmgard Sedler

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