2. März 2003

Kulturerbe durch Visualisierung bewahren

Die Siebenbürger Sachsen können auf eine ruhmreiche 850-jährige Vergangenheit zurückblicken. Zu deren tragendem Fundament hat sicher auch der feste Vorsatz aller beigetragen, das kulturelle Erbe der Vorfahren zu erhalten und zu mehren, um es dann reicher und vielfältiger an Kinder und Enkel weiterzugeben. Dieser Aufgabe widmet sich neuerdings ein Team heimatverbundener Idealisten, das Videofilme sammelt und archiviert.
Kriege, Verschleppungen, Unterdrückungen und nationale Benachteiligungen hat es immer schon gegeben. Das hat aber 34 Generationen – teilt man die 850 Jahre durch den durchschnittlichen Generationenabstand von 25 Jahren, so sind wir die 36. Generation – nicht davon abgehalten, ihr Möglichstes zu tun, um das Erbe der Vorfahren zu retten. Wir appellieren an die hohe Verantwortung der letzten beiden Generationen, die größtenteils nicht mehr auf heimatlichem Boden wohnen, das kulturelle Erbe vor dem Vergessen zu bewahren und es den Kindern oder Enkeln nicht vorzuenthalten.

Die Steine vieler unserer Kirchenburgen sind uralt und werden auch weitere Jahrhunderte Zeugnis ablegen vom Selbstverteidigungswillen der Erbauer. Ob aber unsere in siebenbürgisch-sächsischer Mundart geschriebenen Lieder und Theaterstücke, die ehemaligen Märsche unserer Adjuvanten erklingen, unsere schönen Trachten von Mädchen und Jungen auf Tanzbühnen vorgeführt oder bei Aufmärschen getragen werden, darf bezweifelt werden. Wenn man heute schon beim Beschaffen und Ergänzen siebenbürgisch-sächsischer Trachten auf Zigeuner als potenzielle Wiederverkäufer angewiesen ist, dann zweifelt man an der Bereitschaft vieler Landsleute, das kulturelle Erbe ihrer Väter auch weiterhin zu pflegen und an ihre Kinder weiterzugeben.

Diesen Aufruf zur Wahrung unseres noch erfassbaren kulturellen Erbes richten wir deshalb an alle Landsleute, denen Tradition und Heimatverbundenheit noch etwas bedeuten und die deshalb auch gewillt sind, sich für den Erhalt kultureller Werte einzusetzen.

Mit Begeisterung habe ich seinerzeit meinem Vater zugehört, als er erzählte, wie ein Großteil der Kronstädter Bevölkerung, vor allem die damalige Jugend, einem Aufruf folgend, Keller und Dachböden durchsucht und alte, ehrwürdige Gebrauchsgegenstände vieler Generationen gesammelt und an das neu zu errichtende Siebenbürgisch-Sächsische Burzenländer Museum in Kronstadt verschenkt haben. Sollte das, was frühere Generationen gekonnt haben, nicht auch heute noch möglich sein?

Auf Video dokumentieren

Das kulturelle Leben in unseren Kreisgruppen ist vielerorts vorwiegend dank der Mithilfe der älteren Generation noch so heimatlich geprägt, dass es jetzt, knapp 5 Minuten vor Zwölf, noch nicht zu spät ist, um – durch Videoaufnahme festgehalten – als Dokument früherer blühender Kulturtätigkeit gelten zu können. Ist eine viele Monate andauernde Probentätigkeit für ein Theaterstück, einen Tanzwettbewerb, einen Liedernachmittag oder eine Blaskapellenveranstaltung es nicht wert, durch das heute doch so einfache Videofilmgerät auf Magnetband festgehalten zu werden? Wie viel Freude, Stolz und Erinnerungen können so über den Aufführungstag hinaus erhalten bleiben, und die Kosten hierfür sind vergleichsweise minimal. Vor allem die Vervielfältigung ist einfach und ein persönliches „Mitbringsel“, das immer erfreut entgegengenommen wird. Wäre es dann nicht auch möglich, eine weitere hochwertige Kopie an eine zentrale Videothek zu senden, die sich den Erhalt siebenbürgisch-sächsischen Kulturerbes zur Aufgabe gestellt hat?

Wir, ein Team heimatverbundener Idealisten, möchten in ehrenamtlicher Tätigkeit für die Sammlung, den Erhalt sowie die Nutzbarmachung des gesammelten Materials viele Freizeitstunden opfern, um eine Aufgabe zu erfüllen, die nur jetzt noch angepackt werden kann. Wir bitten dabei um Ihre Mithilfe:

Sammeln und archivieren

1. Wir möchten die verschiedensten Schmalfilmaufnahmen, die aufgrund fehlender oder veralteter Vorführgeräte nicht abspielbar sind, aus ihrem Dornröschenschlaf befreien – durch Überspielen auf Magnetband.

2. Durch Aufklärung, Motivation und verschiedene Hilfeleistungen unterstützen wir die für unsere Argumentation empfänglichen Landsleute. Wir halten Ausschau nach erhaltenswerten Spitzenleistungen heimatlich-kultureller Tätigkeit im Hinblick auf eine spätere Archivierung in einer zentralen Videothek. Auch das gleichzeitige Sammeln an unterschiedlichen Orten als Alternative wäre vorstellbar, wobei ein stets aktualisiertes Gesamtverzeichnis über die Videokassetten sowie ihre Lagerstätte informiert. Neben der Videokassette sollten auf einem Beiblatt die für eine ordnungsgemäße Archivierung erforderlichen Angaben vermerkt sein: Aufnahmeanlass, Datum, Ausführende, unter wessen Leitung, Dichter, Komponist, Satz etc.

3. Da wir keine gewinnorientierte Interessengemeinschaft, sondern ein nach allen Seiten hin offenes Team zur Wahrung und zum Schutz heimatlichen Kulturerbes sein wollen, freuen wir uns über jeden weiteren freiwilligen Mitarbeiter, vor allem auch Amateurvideofilmer, die eigene hochwertige Arbeiten im Original oder als Kopie in unsere Sammlungen einbringen wollen und auch bereit sind, auf Anfrage bei der Videoerfassung von Kulturprogrammen vor Ort behilflich zu sein.

4. Wir üben unsere Sammeltätigkeit im Einvernehmen mit dem Bundeskulturreferat unserer Siebenbürgisch-Sächsischen Landsmannschaft und der Siebenbürgischen Bibliothek in Gundelsheim aus, die letztendlich auch in den Besitz des gesammelten und archivierten Videomaterials kommen werden. Durch unsere Tätigkeit entlasten wir unsere zentralen Institutionen in Gundelsheim wie auch das Bundeskulturreferat. Gleichzeitig wollen wir aber auch die Informationsmöglichkeiten der Theatergruppen-, Chor-, Blaskapellen- und Tanzgruppenleiter erleichtern.

5. Nicht zuletzt sollen interessierte Kinder und Enkel, aber auch Geschichtswissenschaftler, Forscher und Studierende, die Interesse an der einmaligen Geschichte unserer Vorväter haben, ein möglichst reichhaltiges, lebensnahes Material in farbigen, bewegten Bildern vorfinden, die einen wirklichkeitsnahen Eindruck vom dynamisch-pulsierenden Kulturleben gestern und heute wiedergeben.

Im Rahmen von Tagungen der Kultur- und Frauenreferenten haben wir auf die obige Thematik und die Dringlichkeit, rechtzeitig tätig zu werden, hingewiesen. Wir haben erfreulicherweise viele Zusagen den Versand vorhandener Videokassetten betreffend erhalten, die leider bisher noch nicht eingetroffen sind. Vielleicht fehlte die Anschrift: Dipl.-Ing. Walter Schlandt, Wiesengrundweg 41, 97249 Eisingen, Telefon: (0 93 06) 98 19 29.

Walter Schlandt


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 3 vom 28. Februar 2003, Seite 6)
Link zu weiterer Videofilm-Initiative:

Czernetzky sucht Mitarbeiter für "ZeitZeugenVideo", Siebenbürgische Zeitung Online vom 20. April 2001

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