31. Oktober 2003

Sankt Martin und Halloween in Deutschland

Feste, Feiern und Bräuche im Jahreslauf: Im siebenbürgischen Brauchtum hat der Martinstag eine vergleichsweise geringe Bedeutung. In der "Siebenbürgisch-sächsischen Volkskunde im Umriß" (1926) widmet ihm Adolf Schullerus bloß einen Halbsatz, wenn er ihn unter den Herbstbräuchen erwähnt: der "Martinstag, an dem die Burghüter mit der traulichen 8-Uhr-Läuten... " Wohlbekannt in Siebenbürgen ist allerdings die gebratene "Martinsgans".
Andererseits trieben wir schon ehedem, ohne von Halloween auch nur etwas zu ahnen, in ein weißes Leintuch gehüllt und eine fratzenhafte Kürbislaterne auf dem Kopf oder in Händen, Schabernack. Durch die Löcher (Augen, Nase und Mund) flackerte Kerzenschein. Sankt Martin und Halloween gehören beide heute zum festen Bestand des herbstlichen Brauchtums in Deutschland.

Um die Gestalt des heiligen Martin, dessen Namenstag der 11. November ist, ranken sich zahlreiche Legenden. Martin, Sohn eines heidnisch-römischen Tribuns, wurde um 316 in Sabaria, dem heutigen Szombathely, in Pannonien (im heutigen Ungarn) geboren. Nach seiner christlichen Erziehung und Taufe musste er auf Wunsch des Vaters in den Soldatendienst eintreten, doch schied er, da ihm Christsein und Militärdienst unvereinbar schienen, wieder aus. Weltberühmt wurde er durch die "Mantelteilung": Die Begegnung des Reiters mit dem frierenden Bettler am Stadttor von Amiens, dem er die mit dem Schwert geteilte Hälfte seines Mantels schenkte. Nachts erschien ihm Christus, mit dem Mantelstück bekleidet, denn er hatte ihn in Gestalt eines Bettlers geprüft. Diese Szene wird immer wieder nachgespielt, wobei Kinder in einem Laternenumzug den Reiter singend begleiten: "Ich geh' mit meiner Laterne und meine Laterne mit mir"; oder "Laterne, Laterne, Sonne, Mond und Sterne" oder auch eine alte Volksweise , das „Sankt-Martins-Lied“, „Sankt-Martins-Lied ritt durch Schneee und Wind...“
In Pannonien und auf weiten Reisen entfaltete der spätere Bischof eine umfassende Missionarstätigkeit. Doch blieb er ein Mann der Bescheidenheit und schlichten Lebensart. Martin war auf Drängen des Volkes 371 Bischof von Tours geworden. Der Legende nach habe er sich aus Bescheidenheit in einem Stall versteckt, um der Wahl zu entgehen, doch hätten ihn Gänse durch ihr Schnattern verraten. Eine andere Überlieferung besagt, er sei als Bischof bei einer Predigt durch schnatternde Gänse gestört worden und habe befohlen, sie zu schlachten. Hiervon soll der Brauch der Martinsgans herrühren. Das Martinsfest, so eine realistischere Erklärung, fällt auf den Winteranfang, einst der Beginn des Wirtschaftsjahres, da die Abgaben an die Gutsherren fällig wurden. Diese bestanden meist aus Naturalien, auch aus geschlachteten Mastgänsen. Doch wurde die Martinsgans früher nicht nur verspeist, ihre Knochen (Brustbein und Rückenknochen) dienten auch dem Orakel.

Ein fast vergessener Brauch, das Anzünden eines Martinsfeuers in der Nacht vom 10. auf den 11. November, sollte den Einzug des Winters verzögern. Es gibt auch viele Bauernregeln (angeblich 75), die mit dem Martinstag verbunden werden, wie: "Der Sommer, den uns St. Martin beschert, drei Tage und ein bißchen währt", oder: "Wenn am Martinstag die Wagenspuren der Straße vom Wasser überlaufen, so laufen im Herbst bei der nächsten Ernte die Zuber Wein über." Übrigens, Martin Luther, am 10. November geboren und einen Tag später getauft, verdankt seinen Vornamen dem heiligen Martin.

Ein typischer Wanderbrauch, der von Amerika nach Deutschland gekommen ist und sich in den letzten Jahren hier fest etabliert hat, ist Halloween. Der Name kommt von "All Hallows Eve", dem Vorabend von Allerheiligen (Nacht vom 31. Oktober zum 1. November). Ursprung von Halloween, dem Fest der schauerlich grinsenden Kürbisse, ist ein keltisches Totenfest, das von irischen Einwanderern in den USA populär gemacht wurde und, nach Veränderungen, von dort wieder nach Europa zurückkehrte. Am "Samhain", dem Ende des Sommers, glaubten die Kelten, dass sich Lebende und Tote begegnen könnten. Es war aber auch ein Herbst-, Erntedank- und Neujahrsfest, das von den Kelten seit undenklicher Zeit gefeiert wurde. Die Halloween-Welle in Deutschland droht den Reformationstag (31. Oktober), Allerheiligen und Allerseelen (1. und 2. November) zu überrollen. Hollywood-Filme und die weltumspannende Reichweite amerikanischer Medienkonzerne bewirken diesen Boom. Jahrhundertelang wurde geglaubt, dass der Herbst die winterliche Geister- und Dämonenzeit eröffnet. Er gilt als Zeit der "wilden Jagd" und der Irrlichter. Auch die Gabe des "zweiten Gesichts", der Fähigkeit in die Zukunft zu schauen, soll im Herbst zur vollen Entfaltung kommen. Die um diese Zeit häufigen Nebel machen die Natur unheimlich, Illusionen und Halluzinationen konnten leicht entstehen.

In Amerika und später auch in Deutschland hat sich Halloween, die "Laternengeisterfeier", zu einem Volksfest, insbesondere zu einem Fest der Kinder entwickelt, zu dem Maskerade, Schabernack und das Erheischen von Süßigkeiten gehören. Halloween ist auch deshalb in Deutschland beliebt, weil schon einige Bräuche wie Karneval, Verkleiden, Heischgang um Süßigkeiten etwa am St. Martins-Tag bekannt sind. Der Spaß am Erschrecken bringt Handel und Freizeitindustrie große Umsätze. Ist Halloween also ein Ausdruck verstärkter Amerikanisierung?

Walter Roth

Bewerten:

5 Bewertungen: ++

Neueste Kommentare

  • 05.08.2007, 14:26 Uhr von Noctuus: Guten Tag! Halloween ist mitnichten ein amerikanischer "Wanderbrauch", sondern einer der ... [weiter]

Artikel wurde 1 mal kommentiert.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.