25. Mai 2008

Vortrag von Alfred Schuster in Stuttgart: Migrationswege nach Siebenbürgen

„Was du nicht in den Beinen hast, hast du auch nicht im Kopf", sagte Dr. Alfred Schuster zu Beginn seines Vortrags am 25. April im Haus der Heimat in Stuttgart. Wenn dieser Satz wahr ist, muss einer, der über Migrationswege nach Siebenbürgen fundiert nachdenken möchte, diese Wege in den eigenen Beinen, im eigenen Kopf haben. Folgerichtig hat A. Schus­ter dann auch gehandelt. Vom 4. Juni bis zum 14. Juli 2007 ist er über 2 475 km von Luxem­burg nach Hermannstadt geradelt.
Der Start zu dieser Radtour nach Hermann­stadt konnte nach seiner Auffassung nur im Raum Luxemburg erfolgen. Nach der Meinung vieler Historiker stammen unsere Vorfahren zu einem guten Teil aus dieser Gegend. Verschie­de­ne Meinungen gibt es darüber, auf welchen Wegen unsere Vorfahren quer durch Deutsch­land, Österreich, Ungarn bis nach Siebenbürgen gezogen sind, durch eine Landschaft, die von der heutigen sehr verschieden gewesen sein muss? Gesicherte Antworten darauf gibt es nicht.

Dr. Schuster geht davon aus, dass es die alten Hauptreisewege gewesen sein müssen, strecken­weise vielleicht auch die damals noch vorhandenen Römerstraßen. Wahrscheinlich gingen diese Wege damals entlang der großen eu­ropäischen Flüsse und Ströme wie Mosel, Rhein, Main, der Donau, auf dem alten Nibe­lungenweg bis nach Ungarn. Angesichts der riesigen Überschwemmungs- und Sumpfgebiete (z. B. im ungarischen Tiefland) zweifelt Schuster an der gängigen These, dass die Siedlerzüge entlang des Mieresch nach Siebenbürgen gelangen konnten. Er glaubt vielmehr an eine südliche bzw. nördliche Umgehung dieser Sumpf­gebiete, wo man auf trockenen Boden und feste Wege hoffen konnte. Die südliche Route hätte entlang der Donau in das Mündungsgebiet der Flüsse Kreisch und Drau geführt, anschließend über das Semenic- und Retezatgebirge weiter nach Siebenbürgen, entlang des Mieresch und der Kokel ins Alte Land. Die nördliche Route hätte entlang der alten Salzstraßen Richtung Oradea und Klausenburg geführt, dann weiter in die bekannten Siedlungsgebiete.

Schuster meint, dass vor der Besiedlung durch Bauern, Handwerker und Adlige deutsche Bergleute in Siebenbürgen angesiedelt wurden zwecks Gewinnung vor allem von Eisen und Silber, beides wichtige Rohstoffe für die ungarische Krone. Vieles spricht dafür, dass unsere Vorfahren nach und nach und auf verschiedenen Wegen nach Siebenbürgen gezogen sind. Im Rahmen der deutschen Ostkolo­nisa­tion, vielleicht sogar als Teil der großen Kreuz­züge jener Zeit. Sie wurden von den ungarischen Königen gerufen.

Schuster zweifelt an Lehrmeinungen und hat die Trampelpfade verlassen, um andere Wege oder neue Einsichten zu finden. Wir konnten anhand des gezeigten Kartenmaterials die möglichen oder wahrscheinlichen Migrations­wege leicht nachvollziehen, wobei manche Details selbst aus der ersten Reihe schwer er­kennbar waren. Wir haben viele sehr aussagekräftige Dias gesehen, die nur auf einer solchen Rad­wan­derung entstehen konnten. Diese Dias, dazu viele Hintergrundinformationen und Fach­wissen haben uns eine Landschaft gezeigt, die wir eigentlich eher flüchtig und nur aus dem Auto kennen.

Das Publikum schmunzelte angesichts Schus­ters Überlegung, ob vielleicht Aussiedler von der Mosel die guten Weine an die Kokel mitgebracht haben, oder auch bei der Geschichte von den vier Eseln bei Regenwetter, die angesichts eines rot-orangenen Fahrrad-Geisterfah­rers in Panik von der Straße aufs Feld geflüchtet sind. Die sportliche Leistung war beeindruckend: Eine Strecke von rund 2 500 km in 31 Tagen „im Sattel“ zurückzulegen bedeutet ca. 80 km pro Tag – eine ordentliche, ja außerordentliche Leistung. Herrn Schuster sei für den interessanten, informativen und humorvollen Dia-Vortrag gedankt.

Dieter Nossek

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Neueste Kommentare

  • 25.05.2008, 14:27 Uhr von pedimed: Aus irgendwelchen früheren Unterlagen, die ich mal gelesen habe, war der Zuzug nach Sbb über ... [weiter]

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