Wer sind die Landler?
„Landler“ werden die im 18. Jahrhundert nach Siebenbürgen deportierten evangelischen Transmigranten genannt. Sie stammen aus Oberösterreich, Kärnten und der Steiermark, vor allem aber aus dem Salzkammergut. Inmitten der Siebenbürger Sachsen haben sie ihre altösterreichische Eigenständigkeit in Tracht, Mundart und Lebensweise über Jahrhunderte bewahrt.
"Landler", das ist seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert der Sammelname für die siebenbürgischen Nachkommen jener unter Kaiser Karl VI. und Kaiserin Maria Theresia aus den habsburgischen Erbländern an den Rand der Donaumonarchie deportierten Protestanten. In seiner ursprünglichen Wortbedeutung ist "Landler" jedoch ein regionaler Herkunftsbegriff, der einen Bewohner des "Landls", der historischen Region zwischen Wels, Gmunden und Vöcklabruck meint. In diesem engen Sinne war er auch im 18. Jahrhundert in Siebenbürgen geläufig. Die Verbannten und noch die Generation ihrer Kinder definierten sich zumeist über diese ihre Zugehörigkeit zur ehemaligen engeren Heimat - sie galten als Kärntner, Steiermärker, als ehemalige Bewohner des Salzkammergutes und eben als Landler. Doch schon die österreichische Kanzleisprache im frühen 19. Jahrhundert dehnt den Begriff "Landler" überdachend aus auf alle "neu angekommene(n) Colonisten" (Oesterreichische National-Encyklopädie, Wien 1836). In Siebenbürgen gewinnt er erst an Bedeutung im Zusammenhang mit der Eingliederung der Neuankömmlinge und ihrer Nachkommen in die siebenbürgische Gesellschaft. Er steht in direkter Verbindung mit dem allmählichen Herausbilden eines eigenen Gruppenbewusstseins bei allen Nachfahren jener Verbannten, die relativ geschlossen in den erwähnten drei Ortschaften bei Her-mannstadt angesiedelt worden waren. Das gruppenethnische und kulturelle Selbstverständnis der nunmehr siebenbürgischen "Landler" war und ist gleichermaßen geprägt von der gemeinsamen alt-österreichischen Herkunft und dem Zugehörigkeitsgefühl zur neuen Heimat Siebenbürgen mit ihrem Neben- und Miteinander der unterschiedlichen Völkerschaften auf engstem Raum.
Im Spannungsfeld von Aufrechterhaltung des Eigenen und der Kontrolle durch interethnische und intersoziale Beziehungen konturierte und bewährte sich in der Zeit das Besondere landlerischer Identität in Siebenbürgen. Ihre wichtigste Bezugsgruppe waren die Siebenbürger Sachsen, aber auch Rumänen und Roma. Erst vor diesem Hintergrund, vor dem so typisch siebenbürgischen interethnischen und interkulturellen Beziehungsgeflecht erhält auch die Landlergeschichte, weit über die Dimensionen einer nie mehr als nur ein paar tausend Individuen umfassende Minderheit, ihre Bedeutung.
Wie jede Geschichte entbehrt auch die der Landler nicht der Legendenbildung. Hatte sich im Bewusstsein der Nachkommen die Deportation der Ahnen zu einem romantischen Auswanderungsbild verklärt, einer Auswanderung mutiger evangelischer Glaubensstreiter aus freien Stücken, so beschworen die Siebenbürger Sachsen ihrerseits jenes Bild von den evangelischen Deutschen im Osten, die "die österreichischen Glaubensbrüder im Geiste der Glaubenstreue und der Gemeinschaft" mit offenen Armen empfangen hätten. Die "wahre Landlergeschichte" diente so in Zeiten wirtschaftlicher und politischer Veränderungen der Selbstvergewisserung im "Selbstbehauptungskampf deutschen Wesens" in einem Siebenbürgen, wo seit 1920 die betont nationalistische Politik des rumänischen Staates die hier lebenden ethnischen Minderheiten zusätzlich verunsicherte. Eine solche "volkserbauende" Absicht spricht denn auch, verdichtet in pathetisch-romantischen Theaterbildern aus dem "Volksstück" (!) "Das Wort sie sollen lassen stahn", welches der Großpolder Pfarrer Ernst Thullner um die Jahrhundertwende verfasste und das anlässlich der "200-Jahr-Feier der Einwanderung der Landler" im September 1932 so richtig ins landlerische Bewusstsein rückte.
Die nach Siebenbürgen verschlagenen Österreicher, ausnahmslos Anhänger der Lehre Martin Luthers, waren jedoch keine freiwilligen Auswanderer ("Emigranten"), auch keine nur aus ihrer Heimat Vertriebene ("Exulanten"). Sie waren Opfer einer politisch und religiös motivierten Verschleppung in eine Gegend innerhalb der österreichischen Monarchie, wohin sie nicht gewollt hatten. Sie wurden nach Siebenbürgen zwangsangesiedelt, damit, im Sinne damaliger merkantilistischer Wirtschaftsauffassung, ihr Arbeitspotential dem Staat erhalten bliebe, gleichzeitig um einer weiteren Bevölkerungsabgabe an das "evangelische Ausland" Preußen entgegenzuwirken. Jedes Recht auf Rückkehr in ihre Heimat wurde ihnen verweigert und verwehrt. Der zeitübliche Begriff für diesen Vorgang, der alle Umstände von Zwang und Gewalt verschleierte, war "Transmigration". Die ersten Transmigrantenzüge nach Siebenbürgen begannen 1734 im Salzkammergut, die letzten der Deportierten verließen Judenburg in der Weststeiermark im Jahre 1776.
Die Ursachen für diese Transmigrationen liegen in der damaligen habsburgischen Staatspolitik, die Geschehnisse kamen vor dem Hintergrund glaubensbedingter Unruhen ins Rollen. Sowohl Kaiser Karl VI. als auch seine Tochter, Kaiserin Maria Theresia, bauten in ihrer Regierungspolitik auf die Einheit des Glaubens als stabilisierende und konsolidierende Kraft im Vielvölkerstaat. Die Religion war zum Politikum geworden, wobei allein der katholischen Kirche die alleseinende, staatstragende Rolle zuerkannt wurde. Im Zuge der Gegenreformation war die wirtschaftliche und politische Macht, die dem Protestantismus in Österreich im 16. Jahrhundert zugewachsen war, vernichtet worden. Der evangelische Adel und eine nicht unbedeutende, wirtschaftlich potente Bürgerschicht waren im Laufe des 17. Jahrhunderts in evangelische Gegenden des Reiches abgewandert, viele in die freien Reichsstädte im Süden Deutschlands. Der Auswanderungsfluss, getragen auch von vielen auswanderungswilligen Bauernfamilien, sollte bis ins 18. Jahrhundert hinein nicht versiegen. Seit dem Westfälischen Frieden 1648 regelte ein freies Auswanderungsgesetz, als "flebile beneficium emigrationis" bekannt, das Verhältnis zwischen den evangelischen und katholischen Ländern des Deutschen Reiches. Es sicherte vor allem den bäuerlichen Auswanderern einen menschenwürdigen Umzug zu: eine dreijährige Frist zur Liquidierung ihrer Liegenschaften, Abzug mit allem Hab und Gut, Abzug mit der ganzen Familie und die eigene Wahl des Ansiedlungsgebietes. So wanderten viele nach Preußen aus.
In den habsburgischen Ländern wurde derweil die Rekatholizisierung konsequent vorangetrieben, es blieb beim Verbot des evangelischen Gottesdienstes und des konfessionellen Unterrichtes im Geiste Luthers. Die lutherischen Geistlichen außer Landes verbannt, die evangelischen Glaubensäußerungen untersagt, die "gefährlichen" Schriften zu dieser Lehre verbrannt - das alles führte zum Kryptoprotestantismus. Die im Lande verbliebenen Evangelischen gingen in den Untergrund.
Hatten es doch die Missionierungsbestrebungen gerade in den habsburgischen Erbländern - in Kärnten und der Steiermark, im Erzherzogtum ob der Enns und im landesfürstlichen Salzkammergut - nicht vermocht, an den Grundfesten der evangelischen Glaubensüberzeugungen zu rütteln. So musste sich auch der Rat von Gmunden ob der Unwirksamkeit gegenreformatorischer Bemühungen im Salzkammergut entschuldigen: "Es ist hier ein hartes, rauhes Gesinde und diese [d. i. die evangelische] Religion von Jugend auf gewohnt."
Offiziell galten die geheimen Anhänger des lutherischen Glaubens zu Beginn des 18. Jahrhunderts als katholisch, doch auf ihren einsamen Höfen in den Streusiedlungen der Alpenlandschaft legten sie Glaubenszeugnis auf die Lutherbibel ab. Sie fanden die Richtigkeit ihrer Haltung in den zahlreichen polemischen "Sendbriefen" ehemaliger Exulanten bestätigt, mit denen die bibeltreuen Streiter aus dem Nürnberger Exil, wie etwa Josef Schaitberger (1658-1739), jene in der Heimat verbliebenen Glaubensgenossen gegen die Bekehrung durch katholische Missionare unterstützten. Lutherbibeln und Schaitberger-Schriften gehörten zum Wertvollsten und Häufigsten, was die späteren Transmigranten nach Siebenbürgen mitnahmen. Ihre "Landler"-Nachkommen bewahren sie bis heute in Familienbesitz auf. Als Rosina Huberin einige Jahre nach ihrer Transmigration im siebenbürgischen Großau verstarb, hinterließ sie an vererbungswürdigen Kleidern und Hausrat nur "ein(en) halb getragen(en) Pelz zu 2 Fl., eine große und eine kleine eiserne Pfanne zu -,45 Fl.", dafür an lutherischen Schriften "eine Postill 1,20 Fl., eine Bibel 2 Fl., ein(en) große(n) Cathechismus, ein Gesang-Buch -,24 Fl."
Als in den Jahren 1731-1732 der Fürstbischof Leopold Freiherr von Firmian an die zwanzigtausend Evangelische aus seinem Land Salzburg austreiben ließ, unter völliger Missachtung des freien Auswanderungsrechtes, jener jus emigrationis aus dem Westfälischen Friedensvertrag, kam es zu Unruhen und Erhebungen nicht nur im Lande selbst, auch in den erwähnten Erbländern der Krone. Darauf reagierte auch das Ausland. Das "Corpus Evangelicorum", eine Institution mit Sitz beim "Immerwährenden Reichstag" in Regensburg, hatte über die Interessen und die Gleichbehandlung der Protestanten im ganzen Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation zu wachen. Die vermehrten "Intercessions"-Schreiben aus Regensburg an die allerhöchste habsburgische Majestät in den zwanziger und dreißiger Jahren des 18. Jahrhunderts verliehen dem Protestantenproblem in Österreich damit auch eine außenpolitische Dimension, rückten die Religionsangelegenheiten weit vor ins staatliche Wiener Interesse. Sah man die Einmischung der protestantischen Staaten, des Feindes Preußen voran, als Bedrohung der inneren Einheit an, so galt es, die Ursachen dieser Einmischung schnellstens zu beseitigen, die Rekatholisierung der noch Abtrünnigen also schnell und effizient voranzutreiben. Eine kaiserliche Resolution bestimmte zu diesem Zweck 1733 die Gründung von "Religionskommissionen und -konsessen".
Vor diesem Hintergrund war die erste Transmigration vom 9. Juli 1734 aus dem Salzkammergut nach Siebenbürgen nur als einmalige Strafaktion gedacht. "Aufwiegler und Rechtsbrecher" bei den dortigen Unruhen sollten mit ihren Familien zur Abschreckung der übrigen mit der Deportation bestraft werden. Ausgewählt hatte man die Oberhäupter der alteingesessenen, in der Gegend einflussreichen "hausansässigen" Bauerngeschlechter - Peer und Reisenauer, Riedler und Engleitner, Eggenreither und Stieger - es sollten diese Geschlechter später, in der siebenbürgischen "Landlergeschichte" ihren wichtigen Platz einnehmen.
Doch mit dem Ausbleiben der erhofften Wirkung - es sollte dies die "Ausrottung des [evangelischen] Unwesens nach Wegbleiben der Rädelsführer" sein -, erwog man am Wiener Hof, sich der Transmigration als eines Instrumentes für ein großangelegtes Umsiedlungssystem zu bedienen. Von diesem versprach man sich die endgültige Lösung des Protestantenproblems ohne wirtschaftliche Verluste für den Staat. Die ursprünglich geplante Strafversetzung einzelner Familien weitete sich somit zur Massendeportation aus.
Das als "Karolinische Transmigration" im historischen Sprachgebrauch überlieferte Unterfangen dauerte von 1734 bis 1737. Ernst Buchinger, Landlerforscher und Genealoge, hat Zahlen und Namen in vollem Umfang eruiert. 624 Deportierte, darunter die Hälfte Kinder, kamen aus den Pfarren Goisern, Hallstatt, Laufen und Ischl, verladen in Siebner-Zillen über die Traun und die Donau bis ins Banat und von dort auf dem Landweg nach Siebenbürgen. Die Dimensionen menschlichen Leids lassen sich jedoch nur bruchstückhaft erfassen im emotionalen Nachvollzug der Geschehnisse, wie sie die Betroffenen in persönlichen Schreiben festhielten. "Daß mich die Soldaten und Diener bey dem Hauß gesuchet und in das Schiff getragen, und meinem Weib und Tochter Ursula die Eisen angeschlagen, und also in das Schiff geführt, ...die [Tochter] Katharina ist auch Evangelisch geschrieben, und weilen sie zur Zeit zu Almb gewesen ist, da sie uns geführt haben, so hat sie dermahln dahinten bleiben müssen..." Das schreibt am 29. August 1734 in Heltau Paul Kayser, ehemaliger Herr des Traungutes in Obertraun, zwei Wochen vor seinem Tod, der ihn als Folge der Deportationsstrapazen ereilte.
Die sehr unterschiedlichen Umstände des jeweiligen Transmigrantentransportes haben das Schicksal der einzelnen Deportiertengruppen bestimmt, den Erfolg oder Misserfolg einer späteren Ansiedlung in Siebenbürgen vorweggenommen. Die erwähnten, zu Zeiten Karl VI. aus dem Salzkammergut Deportierten durften mit ihren Familien ausziehen, "ein Fässchen" mit eigenen Sachen aufs Schiff hinzuladen und erhielten vom Salzoberamt einen Vorschuss auf ihre Liegenschaftsliquidierung mit. Die intakte Familienlage und die finanzielle Existenzgrundlage boten trotz bedeutender Menschenverluste die Voraussetzungen für eine gelungene Ansiedlung in den Orten Neppendorf und Großau im Hermannstädter Stuhl. Aus dem Herzogtum Kärnten - dem Dekanat Paternion und dem gleichnamigen Ort bei Villach - mussten 180 Personen in die Verbannung. Anders als die Goiserer und Hallstätter wurden sie als "Kriminelle" behandelt, als "Aufwiegler und Ketzer" von ihren Familien getrennt, zunächst zum Arrest verurteilt, um dann bei sich bietender Gelegenheit als Gefangene in der Obhut des Militärs mittellos nach Siebenbürgen abgeschoben zu werden. Der materielle Notstand und die psychische Belastung der Trennung von Frau und Kind forderten im ersten Jahr ihres Aufenthaltes in Siebenbürgen hohen Tribut. Die eine Hälfte verstarb, auch von der anderen wurde kaum einer ansässig.
Mit dem Wüten der Pest in Siebenbürgen 1738, den Wirren des österreichisch-türkischen Krieges von 1736-1739 und dem Tod des Kaisers 1740 setzten die Transmigrationen aus, um dann in theresianischer Zeit umso strenger und konsequenter durchgeführt zu werden. In zwei großen Schüben, zwischen 1752 und 1757, dann zwischen 1773 und 1776, wurden während der Regierungszeit der großen Kaiserin weitere 3000 "Ketzer" aus dem Lande ob der Enns, aus Kärnten und der Steiermark zwangsumgesiedelt. In den fünfziger Jahren waren es vor allem die Oberösterreicher - aus den Regionen um Gmunden, Laakirchen und Vöcklabruck , in den Siebzigern noch 188 Bewohner aus Stadl an der Murr in der Steiermark. Sie alle wurden an den Rand der Monarchie verschleppt. Jene "zwar gesunde und fruchtbare, wegen Abgang der Inwohner [durch die Pest] aber noch öde liegende[n] Gegenden in Unseren Erblanden zu bevölkern und nunmehr Inwohner aus Orten, wo ein Überfluß an Volk ist, dahin zu bringen" war die erklärte kolonisatorische Absicht theresianischer Machtausübung. Letztlich hatten diese Menschenverschiebungen trotz des institutionalisierten Rahmens (ein dem Wiener Hof direkt untergeordnetes Transmigranten-Inspektorat) nur einen geringen kolonisatorischen Erfolg. Die Neubesiedlung und wirtschaftliche Erstarkung des Dorfes Großpold im Unterwald war wohl der wichtigste.
"Ihro kayserl. Majestät [gemeint ist Maria Theresia] haben zu Absonderung dieser Leute das Fürstentum Siebenbürgen aus der Ursach bestimmt, weil selbst zur Abschneidung der Korrespondenz am weitesten entlegen, an der Population Mangel leidet..." (Schreiben der Siebenbürgischen Hofkanzlei vom 1. August 1753).
Doch es gab vielfältige, schwerwiegendere Gründe als die angeführten für die Wahl Siebenbürgens als Deportationsziel und Ansiedlungsgebiet. Zum einen kamen die Religionsverhältnisse im Fürstentum den Forderungen der Transmigranten nach freier Glaubensentfaltung entgegen. Die siebenbürgischen Fürsten respektierten seit der Reformation die Religionsfreiheit als tragendes politisches Prinzip. Und auch Kaiser Leopold I (1658-1705) hatte diese Freiheit bei Übernahme der siebenbürgischen Fürstenkrone durch ein Diplom (1691) bestätigen müssen. Zum anderen galt es, in merkantilistischem Sinne durch Zufuhr von neuen Arbeitskräften das wirtschaftlich darniederliegende Land wieder aufzubauen. Hinzu kam noch, dass gerade die wirtschaftlich so wichtige sächsische Nation, den eigenen [numerischen] "Verfall" beklagend, um deutsche Kolonisten bemüht war. Man fürchtete um den eigenen ethnischen Grundbestand, hieß es doch, man sei "fast größtentheils mit Walachen durch und durch überschwemmt". Gegen die "odiösen [d. i. widerwärtigen] Emigranten" aus Österreich jedoch verweigerte man sich beim Hermannstädter Magistrat energisch. Der Ruf als "Aufwiegler und Irrgläubige" war ihnen vorausgeeilt. Als dann die Transmigration über die Köpfe der sächsischen Verwaltung hinwegging, unterzog man die ersten Ankömmlinge in Heltau einem gründlichen, 99 Fragen umfassenden Glaubensexamen, bevor man ihnen die Niederlassung gestattete.
Weil bei der "karolinischen Transmigration" noch der Strafcharakter im Vordergrund stand, fehlten weitsichtige Pläne mit einheitlichen Handlungsmustern, wie sie für eine gezielte Ansiedlung notwendig gewesen wären. Als weiter Rahmen stand nur fest, dass die Ankömmlinge als freie Bürger in die "Sächsische Nation" einzugliedern seien und sie die gewünschte Glaubensfreiheit erhalten sollten. Grund und Boden sollte ihnen auf der Gemarkung sächsischer Dörfer kostenlos zugewiesen werden, für die Häuser hätten sie aus dem Vermögenserlös von daheim aufzukommen. Dementsprechend vollzog sich das Einleben in Siebenbürgen für die Transmigrantengruppen und -familien ganz unterschiedlich. Etwa ein Drittel der z. Z. Karl VI. Deportierten schaffte die Sesshaftigkeit, da sie in Neppendorf und Großau von der Pest entvölkerte Anwesen vorfanden. Ein bedrückend großer Teil verstarb in der Anfangszeit, andere "verkamen in Armut", nur wenigen gelang die Flucht aus dem Land.
In theresianischer Zeit wurden viele Transmigranten trotz eines aktiven Transmigranteninspektorats, oder gerade wegen der Misswirtschaft im Hermannstädter Transmigranteninspektorat, um ihren heimischen Vermögenserlös gebracht. Damit hatte auch die erstrebte Ansiedlungpolitik nicht den erhofften Erfolg. Auch menschliches Versagen war im Spiel. Der Transmigranteninspektor Wankhel von Seeberg (1752–1756) hatte einen Großteil der Transmigranten-Kasse in ein Bauprojekt im Hermannstädter Retranchement gesteckt, welches mit seinen auf engstem Raum angehäuften Wohneinheiten für die Aufnahme der bäuerlich geprägten Transmigranten nicht geeignet war. Erst sein Nachfolger, Hofkammerrat Freiherr von Dietrich, siedelte bis Ende 1757 die Evangelischen aus dem "Landl", aus der Steiermark und aus Kärnten als eine geschlossene Gruppe in Großpold und Broos an. Er hatte in den erwähnten zwei Orten 137 Häuser bauen lassen, dazu bewirkte er für die jungen und kräftigen aber mittellosen unter den Ausgewiesenen Häuserschenkungen. Mit der "Hausbrief"-Urkunde waren Besitzrechte an Ackerland, Weingärten und Wiesen sowie die freie Nutzung des Gemeindewaldes und der Gewässer verbunden. Ein ganzer, rein landlerischer Straßenzug, die "Hintere Reih", fügte sich ab da ins Großpolder Siedlungsbild ein. Erst im Jahr 1766 übernahm die sächsische Obrigkeit, d. i. die Sächsische Nationsuniversität, auch die Rechtsprechung über die Transmigranten und übernahm sie formell als "freie Bürger und Contribuenten" in die Gemeinschaft der Sachsen. Damit waren die Rahmenbedingungen für die gesellschaftliche Eingliederung der Deportierten vervollständigt.
Als freie Bauern und Handwerker, den Sachsen auf "Königsboden" also rechtlich gleichgestellt, gelang es den Transmigranten und ihren Nachkommen allmählich, sich in die Wirtschafts- und Gesellschaftsstrukturen des sächsischen Dorfes einzufügen. Das örtliche Gemeindewesen der Sachsen war durch die "Nachbarschaft" geprägt. In den geschlossenen Dorfsiedlungen mit kompakten Häuserzeilen bildeten die verheirateten Hausbewohner, die in der Regel auch die Besitzer waren, je eine Nachbarschaft. Waren die Transmigranten nun einmal ansässig, so tat meistens der sprichwörtliche "protestantische Fleiß" ein Übriges, um die materielle Grundlage für die Akzeptanz unter den Nachbarn zu schaffen. Da das Ämterwesen der Nachbarschaft demokratisch bestimmt war und jedes Mitglied im Wechsel einmal als "Nachbarvater" zu Ehren kam, blieb solches Amt in den gemischt landlerisch-sächsischen Straßenzügen von Neppendorf und Großau auch den Transmigranten nicht verwehrt. In Großpold, wo die Deportierten geschlossen in neu errichteten Häuserzeilen siedelten, konstituierte sich früh schon eine "erste Nachbarschaft der Emigranten", für die sich die sächsische Dorfobrigkeit, wohl auch zur Kontrolle des Gemeindelebens, verpflichtet fühlte, im Jahr 1778 Regeln aufzustellen, "denen Emigranten derselben zu beobachten". Diese Nachbarschaftsordnung entsprach im Wesentlichen den örtlichen "Statuten" sächsischer Nachbarschaften. Auch die Jugend unter den Ankömmlingen fand ihr Vorbild in den sächsischen Korporationen der "Bruder- und Schwesterschaften". Doch blieb man hier, bezeichnenderweise, in "sächsischen" und separaten "deutschen", d. h. landlerischen Bruderschaften unter sich, und dies bis tief in das zwanzigste Jahrhundert hinein. Im Wettstreit rivalisierten die ethnisch getrennten Verbände um den gesellschaftlichen Einfluss.
Ein wichtiges Tor zur Eingliederung war den Transmigranten durch die Evangelische Kirche in Siebenbürgen geöffnet. Die hervorragend bestandene katechetische Prüfung in Heltau, so die einhellige Meinung der sächsischen Geistlichkeit, hatte bewirkt, dass die Vorurteile der "Irrgläubigkeit" langsam abgebaut wurden und der Aufnahme ins kirchliche Leben im Ort offiziell der Weg geebnet wurde. Es sollten jedoch Jahre vergehen, bis 1847 in Neppendorf zum ersten Mal ein Transmigrant das Amt eines "Kirchenvaters" ausüben durfte. Und noch ein ganzes Jahrhundert später bedrohten hier die Streitigkeiten um die vorrangige Sitzordnung beim Gottesdienst den so fragilen Dorffrieden, den selbst ein Eingreifen des Bischofs nicht zu vermitteln vermochte.
Bei aller wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Integration blieb das vollständige kulturelle Aufgehen der Transmigrantennachkommen im Sächsischen aus. Dieses wurde paradoxerweise durch die Orientierung der Neuankömmlinge an den Inhalten der sächsischen Selbstauffassung verhindert. Im Zentrum dieses siebenbürgisch-sächsischen Selbstverständnisses stand, weit wichtiger als die verbindende evangelische Konfession, die als "sächsische Sprache" aufgefasste Mundart und die Zugehörigkeit zum territorialen Privilegiertenverband des "Königsbodens". Diese Zugehörigkeit rechtfertigte denn auch den Anspruch auf einen gehobenen gesellschaftlichen Status, den man als Abgrenzungsmerkmal gegenüber den anderen Ethnien im Umfeld hervorkehrte. Die nun auf demselben "Königsboden" angesiedelten und den Sachsen rechtlich gleichgestellten Österreicher rückten dementsprechend ein eigenes, territorial definiertes Element - die österreichische Herkunft - in den Vordergrund ihrer sich hier konstituierenden Gruppenidentität. Dem siebenbürgischen "Sachsentum" stellte man das siebenbürgische "Landlertum" gegenüber. Mundart und Kleidung, hauptsächlich das Kirchengewand, stehen in ihrer Zeichenhaftigkeit für diese "Bewahrung altösterreichischen Erbes und altösterreichischer Tradition". Damit bedienten sich die Landler gerade bei der Kleidung derselben Mechanismen einer ethnischen Emblematisierung wie all die anderen siebenbürgischen Völkerschaften auch. Ein jeder hat hier seine Tracht.
Im Selbstbewusstsein der Landler nimmt die lokale Komponente die Vorrangstellung ein, die "Landlerkultur" ist nur in ihren klar konturierten örtlichen Varianten - als Neppendorfer, Großauer und Großpolder Landlerart - fassbar. Die unterschiedliche regionale Herkunft der Transmigranten in den drei Dörfern, der unterschiedliche Zeitpunkt ihrer Ansiedlung und die lokalen Besonderheiten im Verlauf der Eingliederung sprechen hier mit. Hauptsächlich sind diese Unterschiede aber in der lokalen Endogamie, d.h. in der verpflichtenden Heiratsregel innerhalb der Dorfgemeinschaft, im Bereich siebenbürgisch-sächsischer Lebensweise über Jahrhunderte hinweg zu suchen. Jedes Dorf war eine Welt für sich und bis zum Zweiten Weltkrieg waren Heiraten über Dorfgrenzen hinweg kaum vorstellbar. So heirateten die Landler innerhalb eines Dorfes wohl vorzugsweise unter sich, selten jedoch über "Hattertgrenzen" hinweg. Auch wurde bei den agrarischen Wirtschaftsstrukturen eine "Heirat auf den Hof" mit einem Sachsen im Ort einer rein landlerischen mit einem Partner von außerhalb vorgezogen. Spricht man deshalb bei einer ein Viertel Jahrtausend währenden Kulturpräsenz von Landlern in Siebenbürgen, so ist damit kein genetisch "reines Landlertum" gemeint, es ist dies eher das Aufrechterhalten einer kulturell verstandenen Gruppenidentität, die sich im Laufe der Jahre eine Vielfalt an Überlebensmechanismen und -strategien geschaffen hat, welche heute noch jeden Außenstehenden faszinieren. Als sehr wichtig galt, bei den unausweichlichen "Mischehen" zwischen Sachsen und Landlern (die erste dieser Ehen ist in Neppendorf vier Jahre, in Großau drei Jahre nach der Ansiedlung dokumentiert) als Familie geschlossen auf der einen oder anderen Seite zu stehen. Die geforderten kulturellen, sächsisch-landlerischen Grenzen mussten rigoros eingehalten werden. Und bezeichnenderweise war es der Hof, wichtigster Ausdruck ländlichen Sozialprestiges, der die ethnisch-kulturelle Zugehörigkeit seiner Bewohner bestimmte. Man wohnte oder heiratete auf einen Hof ein, der entweder "sächsisch" oder "landlerisch" war, auf dem man sich entweder nur "sächsisch" oder nur "landlerisch" zu kleiden hatte und dessen eine Mundart man zu pflegen hatte. Diese ethnische Hofzugehörigkeit wies seinen Bewohnern letztlich den gesellschaftlich so wichtigen Sitzplatz im "landlerischen" oder "sächsischen" Seitenschiff in der Kirche zu. Beide Mundarten zu beherrschen war dementsprechend ein Muss, die jeweils andere informell zu erlernen eine Selbstverständlichkeit.
Unzählige Vorkommnisse im Laufe der Zeit belegen, wie zerbrechlich letztendlich das landlerisch-sächsische Gleichgewicht in Wirklichkeit war, wie sehr es der ständigen Gruppenrivalität bedurfte, um die kulturelle Eigenständigkeit auf beiden Seiten wahren zu können. So konnte es denn in Großau schon mal zum Eklat kommen, als ein neu gewählter Pfarrer bei der Amtshandlung der Taufe eines Sachsensprösslings versehentlich deutsch, "wie bei den Landlern", und nicht "sächsisch" gepredigt hatte.
Die kollektiven, überdachenden Elemente landlerischer und sächsischer Identität - die grundsätzliche Zugehörigkeit zum allgemeinen deutschen Kultur- und Sprachraum und der historisch verankerte gesellschaftliche Status einer ehemals privilegierten "Nation auf Königsboden", die gleiche Konfession - ließen Sachsen und Landler nach außen hin geschlossen auftreten. So ist der Bedarf einer gruppeneigenen, nur landlerischen Abgrenzung zu den Rumänen und Roma im Laufe der 250-jährigen Landlergeschichte nie aktuell gewesen. So schweigen auch die rumänischen historischen Quellen zu den Landlern, deren faszinierende kulturelle Eigenständigkeit mit zu jenem eingangs erwähnten bunten Farbbild siebenbürgischer Völker gehört.
Autor: Irmgard Sedler
^ Übersicht
Archiv des Siebenbürgen Institutes in Gundelsheim, Nachlass Helmut Klima
Ungarisches Nationalarchiv Budapest, Akten der Siebenbürgischen Hofkanzlei
Österreichisches Staatsarchiv Wien, Hofkammerarchiv
"Hausbücher" in Neppendorf und Großau, Archiv Sedler und Privat
Österreichisches Staatsarchiv Wien, Archiv der Siebenbürgisch-Sächsischen Nation in Hermannstadt
Oberösterreichisches Landesarchiv Linz, Kaiserliche Reskripte
Bottesch, Johanna und Martin, 1992: Die bairisch-österreichische Mundart der Landler in Großpold (Apoldu de Sus) in Siebenbürgen (Rumänien). Beiträge zur Sprachinselforschung, Bd. 10, 1 und 2, Wien.
Buchinger, Erich, 1980: Die "Landler" in Siebenbürgen. Vorgeschichte, Durchführung und Ergebnis einer Zwangsumsiedlung im 18. Jahrhundert. München.
Capesius, Bernhard, 1962: Die Landler in Siebenbürgen. Geschichte und Mundart. Bukarest.
Czermak, Alice, 1970: Die Geschichte des Protestantismus in der Herrschaft Paternion bis zum Toleranzpatent 1781. Diss., Wien.
Dedic, Pau: Der Geheimprotestantismus in Kärnten während der Regierung Karls VI. (1711 bis 1740). Klagenfurt.
Ettinger, Josef, 1935: Kurze Geschichte der ersten Einwanderung oberösterreichischer evangelischer Glaubensbrüder nach Siebenbürgen. In einem Vortrage an seine Gemeinde dargestellt von dem derzeitigen evangelischen Pfarrer in Neppendorf bei Hermannstadt in Siebenbürgen, Hermannstadt.
Girtler, Roland, 1992: Verbannt und vergessen. Eine untergehende deutsche Kultur in Rumänien. Linz.
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Krasser, David, 1870: Geschichte des sächsischen Dorfes Großpold. Aus urkundlichen Quellen verfasst. Hermannstadt.
Loesche, Georg: Geschichte des Protestantismus im vormaligen und im neuen Österreich. Wien, Leipzig.
Nowotny, Ernst, 1931: Die Transmigration ober- und innerösterreichischer Protestanten nach Siebenbürgen im 18. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Geschichte der "Landler". Schriften des Instituts für Grenz- und Auslandsdeutschtum an der Universität Marburg, Heft 8, Jena.
Obernberger, Alfred, 1964: Die Mundart der siebenbürger Landler. Eine bairische Siedlermundart des 18. Jahrhunderts. Marburg.
Schabus, Wilfried, 1996: Die Landler. Sprach- und Kulturkontakt in einer alt-österreichischen Enklave in Siebenbürgen (Rumänien). Wien. (= Beiträge zur Sprachinselforschung 13).
Thullner, Ernst, 1903: Das Wort sie sollen lassen stahn. Volksstück aus der Vergangenheit der Großpolder in drei Aufzügen. Hermannstadt.
Waldau, Georg Ernst, 1784: Geschichte der Protestanten in Österreich, Steiermark, Kärnten, Krain vom Jahr 1520 biß auf die neueste Zeit. Ansbach.
Weingärtner, Ernst Martin, 1988: Ein Heimatbuch über die Gemeinde Großau in Siebenbürgen/Rumänien. Memmingen.
Erinnerungsblätter zur 200-Jahr-Feier der Einwanderung der "Landler" in Neppendorf, 2. September 1734/2. September 1934. Hrsg. vom Presbyterium der evangelischen Kirchengemeinde A. B. Neppendorf in Rumänien. Hermannstadt 1934.
Erinnerungsblätter: Das Landler Buch. Die Landler. Siedlungen, Besiedlung und Menschen. Hermannstadt 1940.
^ Übersicht
Übersicht
Die "Landler" in Siebenbürgen
"Wir sind nur ein kleiner, dafür aber ein ganz besonderer Farbfleck im bunten Völkerbild Siebenbürgens", hieß es 1994 in der offiziellen Begrüßungsrede bei einem Empfang österreichischer Gäste in Großau durch eine Delegation aus den drei "Landlerdörfern" Neppendorf/Turnisor, Großau/Cristian und Großpold/Apoldu de Sus. Gemeint waren die "Landler", ein deutschsprachiger Minderheitensplitter im Siedlungsraum der Siebenbürger Sachsen, dessen Geschichte in Siebenbürgen sich über zweieinhalb Jahrhunderte zurückverfolgen lässt."Landler", das ist seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert der Sammelname für die siebenbürgischen Nachkommen jener unter Kaiser Karl VI. und Kaiserin Maria Theresia aus den habsburgischen Erbländern an den Rand der Donaumonarchie deportierten Protestanten. In seiner ursprünglichen Wortbedeutung ist "Landler" jedoch ein regionaler Herkunftsbegriff, der einen Bewohner des "Landls", der historischen Region zwischen Wels, Gmunden und Vöcklabruck meint. In diesem engen Sinne war er auch im 18. Jahrhundert in Siebenbürgen geläufig. Die Verbannten und noch die Generation ihrer Kinder definierten sich zumeist über diese ihre Zugehörigkeit zur ehemaligen engeren Heimat - sie galten als Kärntner, Steiermärker, als ehemalige Bewohner des Salzkammergutes und eben als Landler. Doch schon die österreichische Kanzleisprache im frühen 19. Jahrhundert dehnt den Begriff "Landler" überdachend aus auf alle "neu angekommene(n) Colonisten" (Oesterreichische National-Encyklopädie, Wien 1836). In Siebenbürgen gewinnt er erst an Bedeutung im Zusammenhang mit der Eingliederung der Neuankömmlinge und ihrer Nachkommen in die siebenbürgische Gesellschaft. Er steht in direkter Verbindung mit dem allmählichen Herausbilden eines eigenen Gruppenbewusstseins bei allen Nachfahren jener Verbannten, die relativ geschlossen in den erwähnten drei Ortschaften bei Her-mannstadt angesiedelt worden waren. Das gruppenethnische und kulturelle Selbstverständnis der nunmehr siebenbürgischen "Landler" war und ist gleichermaßen geprägt von der gemeinsamen alt-österreichischen Herkunft und dem Zugehörigkeitsgefühl zur neuen Heimat Siebenbürgen mit ihrem Neben- und Miteinander der unterschiedlichen Völkerschaften auf engstem Raum.
Im Spannungsfeld von Aufrechterhaltung des Eigenen und der Kontrolle durch interethnische und intersoziale Beziehungen konturierte und bewährte sich in der Zeit das Besondere landlerischer Identität in Siebenbürgen. Ihre wichtigste Bezugsgruppe waren die Siebenbürger Sachsen, aber auch Rumänen und Roma. Erst vor diesem Hintergrund, vor dem so typisch siebenbürgischen interethnischen und interkulturellen Beziehungsgeflecht erhält auch die Landlergeschichte, weit über die Dimensionen einer nie mehr als nur ein paar tausend Individuen umfassende Minderheit, ihre Bedeutung.
Wie jede Geschichte entbehrt auch die der Landler nicht der Legendenbildung. Hatte sich im Bewusstsein der Nachkommen die Deportation der Ahnen zu einem romantischen Auswanderungsbild verklärt, einer Auswanderung mutiger evangelischer Glaubensstreiter aus freien Stücken, so beschworen die Siebenbürger Sachsen ihrerseits jenes Bild von den evangelischen Deutschen im Osten, die "die österreichischen Glaubensbrüder im Geiste der Glaubenstreue und der Gemeinschaft" mit offenen Armen empfangen hätten. Die "wahre Landlergeschichte" diente so in Zeiten wirtschaftlicher und politischer Veränderungen der Selbstvergewisserung im "Selbstbehauptungskampf deutschen Wesens" in einem Siebenbürgen, wo seit 1920 die betont nationalistische Politik des rumänischen Staates die hier lebenden ethnischen Minderheiten zusätzlich verunsicherte. Eine solche "volkserbauende" Absicht spricht denn auch, verdichtet in pathetisch-romantischen Theaterbildern aus dem "Volksstück" (!) "Das Wort sie sollen lassen stahn", welches der Großpolder Pfarrer Ernst Thullner um die Jahrhundertwende verfasste und das anlässlich der "200-Jahr-Feier der Einwanderung der Landler" im September 1932 so richtig ins landlerische Bewusstsein rückte.
Die nach Siebenbürgen verschlagenen Österreicher, ausnahmslos Anhänger der Lehre Martin Luthers, waren jedoch keine freiwilligen Auswanderer ("Emigranten"), auch keine nur aus ihrer Heimat Vertriebene ("Exulanten"). Sie waren Opfer einer politisch und religiös motivierten Verschleppung in eine Gegend innerhalb der österreichischen Monarchie, wohin sie nicht gewollt hatten. Sie wurden nach Siebenbürgen zwangsangesiedelt, damit, im Sinne damaliger merkantilistischer Wirtschaftsauffassung, ihr Arbeitspotential dem Staat erhalten bliebe, gleichzeitig um einer weiteren Bevölkerungsabgabe an das "evangelische Ausland" Preußen entgegenzuwirken. Jedes Recht auf Rückkehr in ihre Heimat wurde ihnen verweigert und verwehrt. Der zeitübliche Begriff für diesen Vorgang, der alle Umstände von Zwang und Gewalt verschleierte, war "Transmigration". Die ersten Transmigrantenzüge nach Siebenbürgen begannen 1734 im Salzkammergut, die letzten der Deportierten verließen Judenburg in der Weststeiermark im Jahre 1776.
Die Ursachen für diese Transmigrationen liegen in der damaligen habsburgischen Staatspolitik, die Geschehnisse kamen vor dem Hintergrund glaubensbedingter Unruhen ins Rollen. Sowohl Kaiser Karl VI. als auch seine Tochter, Kaiserin Maria Theresia, bauten in ihrer Regierungspolitik auf die Einheit des Glaubens als stabilisierende und konsolidierende Kraft im Vielvölkerstaat. Die Religion war zum Politikum geworden, wobei allein der katholischen Kirche die alleseinende, staatstragende Rolle zuerkannt wurde. Im Zuge der Gegenreformation war die wirtschaftliche und politische Macht, die dem Protestantismus in Österreich im 16. Jahrhundert zugewachsen war, vernichtet worden. Der evangelische Adel und eine nicht unbedeutende, wirtschaftlich potente Bürgerschicht waren im Laufe des 17. Jahrhunderts in evangelische Gegenden des Reiches abgewandert, viele in die freien Reichsstädte im Süden Deutschlands. Der Auswanderungsfluss, getragen auch von vielen auswanderungswilligen Bauernfamilien, sollte bis ins 18. Jahrhundert hinein nicht versiegen. Seit dem Westfälischen Frieden 1648 regelte ein freies Auswanderungsgesetz, als "flebile beneficium emigrationis" bekannt, das Verhältnis zwischen den evangelischen und katholischen Ländern des Deutschen Reiches. Es sicherte vor allem den bäuerlichen Auswanderern einen menschenwürdigen Umzug zu: eine dreijährige Frist zur Liquidierung ihrer Liegenschaften, Abzug mit allem Hab und Gut, Abzug mit der ganzen Familie und die eigene Wahl des Ansiedlungsgebietes. So wanderten viele nach Preußen aus.
In den habsburgischen Ländern wurde derweil die Rekatholizisierung konsequent vorangetrieben, es blieb beim Verbot des evangelischen Gottesdienstes und des konfessionellen Unterrichtes im Geiste Luthers. Die lutherischen Geistlichen außer Landes verbannt, die evangelischen Glaubensäußerungen untersagt, die "gefährlichen" Schriften zu dieser Lehre verbrannt - das alles führte zum Kryptoprotestantismus. Die im Lande verbliebenen Evangelischen gingen in den Untergrund.
Hatten es doch die Missionierungsbestrebungen gerade in den habsburgischen Erbländern - in Kärnten und der Steiermark, im Erzherzogtum ob der Enns und im landesfürstlichen Salzkammergut - nicht vermocht, an den Grundfesten der evangelischen Glaubensüberzeugungen zu rütteln. So musste sich auch der Rat von Gmunden ob der Unwirksamkeit gegenreformatorischer Bemühungen im Salzkammergut entschuldigen: "Es ist hier ein hartes, rauhes Gesinde und diese [d. i. die evangelische] Religion von Jugend auf gewohnt."
Offiziell galten die geheimen Anhänger des lutherischen Glaubens zu Beginn des 18. Jahrhunderts als katholisch, doch auf ihren einsamen Höfen in den Streusiedlungen der Alpenlandschaft legten sie Glaubenszeugnis auf die Lutherbibel ab. Sie fanden die Richtigkeit ihrer Haltung in den zahlreichen polemischen "Sendbriefen" ehemaliger Exulanten bestätigt, mit denen die bibeltreuen Streiter aus dem Nürnberger Exil, wie etwa Josef Schaitberger (1658-1739), jene in der Heimat verbliebenen Glaubensgenossen gegen die Bekehrung durch katholische Missionare unterstützten. Lutherbibeln und Schaitberger-Schriften gehörten zum Wertvollsten und Häufigsten, was die späteren Transmigranten nach Siebenbürgen mitnahmen. Ihre "Landler"-Nachkommen bewahren sie bis heute in Familienbesitz auf. Als Rosina Huberin einige Jahre nach ihrer Transmigration im siebenbürgischen Großau verstarb, hinterließ sie an vererbungswürdigen Kleidern und Hausrat nur "ein(en) halb getragen(en) Pelz zu 2 Fl., eine große und eine kleine eiserne Pfanne zu -,45 Fl.", dafür an lutherischen Schriften "eine Postill 1,20 Fl., eine Bibel 2 Fl., ein(en) große(n) Cathechismus, ein Gesang-Buch -,24 Fl."
Als in den Jahren 1731-1732 der Fürstbischof Leopold Freiherr von Firmian an die zwanzigtausend Evangelische aus seinem Land Salzburg austreiben ließ, unter völliger Missachtung des freien Auswanderungsrechtes, jener jus emigrationis aus dem Westfälischen Friedensvertrag, kam es zu Unruhen und Erhebungen nicht nur im Lande selbst, auch in den erwähnten Erbländern der Krone. Darauf reagierte auch das Ausland. Das "Corpus Evangelicorum", eine Institution mit Sitz beim "Immerwährenden Reichstag" in Regensburg, hatte über die Interessen und die Gleichbehandlung der Protestanten im ganzen Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation zu wachen. Die vermehrten "Intercessions"-Schreiben aus Regensburg an die allerhöchste habsburgische Majestät in den zwanziger und dreißiger Jahren des 18. Jahrhunderts verliehen dem Protestantenproblem in Österreich damit auch eine außenpolitische Dimension, rückten die Religionsangelegenheiten weit vor ins staatliche Wiener Interesse. Sah man die Einmischung der protestantischen Staaten, des Feindes Preußen voran, als Bedrohung der inneren Einheit an, so galt es, die Ursachen dieser Einmischung schnellstens zu beseitigen, die Rekatholisierung der noch Abtrünnigen also schnell und effizient voranzutreiben. Eine kaiserliche Resolution bestimmte zu diesem Zweck 1733 die Gründung von "Religionskommissionen und -konsessen".
Vor diesem Hintergrund war die erste Transmigration vom 9. Juli 1734 aus dem Salzkammergut nach Siebenbürgen nur als einmalige Strafaktion gedacht. "Aufwiegler und Rechtsbrecher" bei den dortigen Unruhen sollten mit ihren Familien zur Abschreckung der übrigen mit der Deportation bestraft werden. Ausgewählt hatte man die Oberhäupter der alteingesessenen, in der Gegend einflussreichen "hausansässigen" Bauerngeschlechter - Peer und Reisenauer, Riedler und Engleitner, Eggenreither und Stieger - es sollten diese Geschlechter später, in der siebenbürgischen "Landlergeschichte" ihren wichtigen Platz einnehmen.
Doch mit dem Ausbleiben der erhofften Wirkung - es sollte dies die "Ausrottung des [evangelischen] Unwesens nach Wegbleiben der Rädelsführer" sein -, erwog man am Wiener Hof, sich der Transmigration als eines Instrumentes für ein großangelegtes Umsiedlungssystem zu bedienen. Von diesem versprach man sich die endgültige Lösung des Protestantenproblems ohne wirtschaftliche Verluste für den Staat. Die ursprünglich geplante Strafversetzung einzelner Familien weitete sich somit zur Massendeportation aus.
Das als "Karolinische Transmigration" im historischen Sprachgebrauch überlieferte Unterfangen dauerte von 1734 bis 1737. Ernst Buchinger, Landlerforscher und Genealoge, hat Zahlen und Namen in vollem Umfang eruiert. 624 Deportierte, darunter die Hälfte Kinder, kamen aus den Pfarren Goisern, Hallstatt, Laufen und Ischl, verladen in Siebner-Zillen über die Traun und die Donau bis ins Banat und von dort auf dem Landweg nach Siebenbürgen. Die Dimensionen menschlichen Leids lassen sich jedoch nur bruchstückhaft erfassen im emotionalen Nachvollzug der Geschehnisse, wie sie die Betroffenen in persönlichen Schreiben festhielten. "Daß mich die Soldaten und Diener bey dem Hauß gesuchet und in das Schiff getragen, und meinem Weib und Tochter Ursula die Eisen angeschlagen, und also in das Schiff geführt, ...die [Tochter] Katharina ist auch Evangelisch geschrieben, und weilen sie zur Zeit zu Almb gewesen ist, da sie uns geführt haben, so hat sie dermahln dahinten bleiben müssen..." Das schreibt am 29. August 1734 in Heltau Paul Kayser, ehemaliger Herr des Traungutes in Obertraun, zwei Wochen vor seinem Tod, der ihn als Folge der Deportationsstrapazen ereilte.
Die sehr unterschiedlichen Umstände des jeweiligen Transmigrantentransportes haben das Schicksal der einzelnen Deportiertengruppen bestimmt, den Erfolg oder Misserfolg einer späteren Ansiedlung in Siebenbürgen vorweggenommen. Die erwähnten, zu Zeiten Karl VI. aus dem Salzkammergut Deportierten durften mit ihren Familien ausziehen, "ein Fässchen" mit eigenen Sachen aufs Schiff hinzuladen und erhielten vom Salzoberamt einen Vorschuss auf ihre Liegenschaftsliquidierung mit. Die intakte Familienlage und die finanzielle Existenzgrundlage boten trotz bedeutender Menschenverluste die Voraussetzungen für eine gelungene Ansiedlung in den Orten Neppendorf und Großau im Hermannstädter Stuhl. Aus dem Herzogtum Kärnten - dem Dekanat Paternion und dem gleichnamigen Ort bei Villach - mussten 180 Personen in die Verbannung. Anders als die Goiserer und Hallstätter wurden sie als "Kriminelle" behandelt, als "Aufwiegler und Ketzer" von ihren Familien getrennt, zunächst zum Arrest verurteilt, um dann bei sich bietender Gelegenheit als Gefangene in der Obhut des Militärs mittellos nach Siebenbürgen abgeschoben zu werden. Der materielle Notstand und die psychische Belastung der Trennung von Frau und Kind forderten im ersten Jahr ihres Aufenthaltes in Siebenbürgen hohen Tribut. Die eine Hälfte verstarb, auch von der anderen wurde kaum einer ansässig.
Mit dem Wüten der Pest in Siebenbürgen 1738, den Wirren des österreichisch-türkischen Krieges von 1736-1739 und dem Tod des Kaisers 1740 setzten die Transmigrationen aus, um dann in theresianischer Zeit umso strenger und konsequenter durchgeführt zu werden. In zwei großen Schüben, zwischen 1752 und 1757, dann zwischen 1773 und 1776, wurden während der Regierungszeit der großen Kaiserin weitere 3000 "Ketzer" aus dem Lande ob der Enns, aus Kärnten und der Steiermark zwangsumgesiedelt. In den fünfziger Jahren waren es vor allem die Oberösterreicher - aus den Regionen um Gmunden, Laakirchen und Vöcklabruck , in den Siebzigern noch 188 Bewohner aus Stadl an der Murr in der Steiermark. Sie alle wurden an den Rand der Monarchie verschleppt. Jene "zwar gesunde und fruchtbare, wegen Abgang der Inwohner [durch die Pest] aber noch öde liegende[n] Gegenden in Unseren Erblanden zu bevölkern und nunmehr Inwohner aus Orten, wo ein Überfluß an Volk ist, dahin zu bringen" war die erklärte kolonisatorische Absicht theresianischer Machtausübung. Letztlich hatten diese Menschenverschiebungen trotz des institutionalisierten Rahmens (ein dem Wiener Hof direkt untergeordnetes Transmigranten-Inspektorat) nur einen geringen kolonisatorischen Erfolg. Die Neubesiedlung und wirtschaftliche Erstarkung des Dorfes Großpold im Unterwald war wohl der wichtigste.
"Ihro kayserl. Majestät [gemeint ist Maria Theresia] haben zu Absonderung dieser Leute das Fürstentum Siebenbürgen aus der Ursach bestimmt, weil selbst zur Abschneidung der Korrespondenz am weitesten entlegen, an der Population Mangel leidet..." (Schreiben der Siebenbürgischen Hofkanzlei vom 1. August 1753).
Doch es gab vielfältige, schwerwiegendere Gründe als die angeführten für die Wahl Siebenbürgens als Deportationsziel und Ansiedlungsgebiet. Zum einen kamen die Religionsverhältnisse im Fürstentum den Forderungen der Transmigranten nach freier Glaubensentfaltung entgegen. Die siebenbürgischen Fürsten respektierten seit der Reformation die Religionsfreiheit als tragendes politisches Prinzip. Und auch Kaiser Leopold I (1658-1705) hatte diese Freiheit bei Übernahme der siebenbürgischen Fürstenkrone durch ein Diplom (1691) bestätigen müssen. Zum anderen galt es, in merkantilistischem Sinne durch Zufuhr von neuen Arbeitskräften das wirtschaftlich darniederliegende Land wieder aufzubauen. Hinzu kam noch, dass gerade die wirtschaftlich so wichtige sächsische Nation, den eigenen [numerischen] "Verfall" beklagend, um deutsche Kolonisten bemüht war. Man fürchtete um den eigenen ethnischen Grundbestand, hieß es doch, man sei "fast größtentheils mit Walachen durch und durch überschwemmt". Gegen die "odiösen [d. i. widerwärtigen] Emigranten" aus Österreich jedoch verweigerte man sich beim Hermannstädter Magistrat energisch. Der Ruf als "Aufwiegler und Irrgläubige" war ihnen vorausgeeilt. Als dann die Transmigration über die Köpfe der sächsischen Verwaltung hinwegging, unterzog man die ersten Ankömmlinge in Heltau einem gründlichen, 99 Fragen umfassenden Glaubensexamen, bevor man ihnen die Niederlassung gestattete.
Weil bei der "karolinischen Transmigration" noch der Strafcharakter im Vordergrund stand, fehlten weitsichtige Pläne mit einheitlichen Handlungsmustern, wie sie für eine gezielte Ansiedlung notwendig gewesen wären. Als weiter Rahmen stand nur fest, dass die Ankömmlinge als freie Bürger in die "Sächsische Nation" einzugliedern seien und sie die gewünschte Glaubensfreiheit erhalten sollten. Grund und Boden sollte ihnen auf der Gemarkung sächsischer Dörfer kostenlos zugewiesen werden, für die Häuser hätten sie aus dem Vermögenserlös von daheim aufzukommen. Dementsprechend vollzog sich das Einleben in Siebenbürgen für die Transmigrantengruppen und -familien ganz unterschiedlich. Etwa ein Drittel der z. Z. Karl VI. Deportierten schaffte die Sesshaftigkeit, da sie in Neppendorf und Großau von der Pest entvölkerte Anwesen vorfanden. Ein bedrückend großer Teil verstarb in der Anfangszeit, andere "verkamen in Armut", nur wenigen gelang die Flucht aus dem Land.
In theresianischer Zeit wurden viele Transmigranten trotz eines aktiven Transmigranteninspektorats, oder gerade wegen der Misswirtschaft im Hermannstädter Transmigranteninspektorat, um ihren heimischen Vermögenserlös gebracht. Damit hatte auch die erstrebte Ansiedlungpolitik nicht den erhofften Erfolg. Auch menschliches Versagen war im Spiel. Der Transmigranteninspektor Wankhel von Seeberg (1752–1756) hatte einen Großteil der Transmigranten-Kasse in ein Bauprojekt im Hermannstädter Retranchement gesteckt, welches mit seinen auf engstem Raum angehäuften Wohneinheiten für die Aufnahme der bäuerlich geprägten Transmigranten nicht geeignet war. Erst sein Nachfolger, Hofkammerrat Freiherr von Dietrich, siedelte bis Ende 1757 die Evangelischen aus dem "Landl", aus der Steiermark und aus Kärnten als eine geschlossene Gruppe in Großpold und Broos an. Er hatte in den erwähnten zwei Orten 137 Häuser bauen lassen, dazu bewirkte er für die jungen und kräftigen aber mittellosen unter den Ausgewiesenen Häuserschenkungen. Mit der "Hausbrief"-Urkunde waren Besitzrechte an Ackerland, Weingärten und Wiesen sowie die freie Nutzung des Gemeindewaldes und der Gewässer verbunden. Ein ganzer, rein landlerischer Straßenzug, die "Hintere Reih", fügte sich ab da ins Großpolder Siedlungsbild ein. Erst im Jahr 1766 übernahm die sächsische Obrigkeit, d. i. die Sächsische Nationsuniversität, auch die Rechtsprechung über die Transmigranten und übernahm sie formell als "freie Bürger und Contribuenten" in die Gemeinschaft der Sachsen. Damit waren die Rahmenbedingungen für die gesellschaftliche Eingliederung der Deportierten vervollständigt.
Als freie Bauern und Handwerker, den Sachsen auf "Königsboden" also rechtlich gleichgestellt, gelang es den Transmigranten und ihren Nachkommen allmählich, sich in die Wirtschafts- und Gesellschaftsstrukturen des sächsischen Dorfes einzufügen. Das örtliche Gemeindewesen der Sachsen war durch die "Nachbarschaft" geprägt. In den geschlossenen Dorfsiedlungen mit kompakten Häuserzeilen bildeten die verheirateten Hausbewohner, die in der Regel auch die Besitzer waren, je eine Nachbarschaft. Waren die Transmigranten nun einmal ansässig, so tat meistens der sprichwörtliche "protestantische Fleiß" ein Übriges, um die materielle Grundlage für die Akzeptanz unter den Nachbarn zu schaffen. Da das Ämterwesen der Nachbarschaft demokratisch bestimmt war und jedes Mitglied im Wechsel einmal als "Nachbarvater" zu Ehren kam, blieb solches Amt in den gemischt landlerisch-sächsischen Straßenzügen von Neppendorf und Großau auch den Transmigranten nicht verwehrt. In Großpold, wo die Deportierten geschlossen in neu errichteten Häuserzeilen siedelten, konstituierte sich früh schon eine "erste Nachbarschaft der Emigranten", für die sich die sächsische Dorfobrigkeit, wohl auch zur Kontrolle des Gemeindelebens, verpflichtet fühlte, im Jahr 1778 Regeln aufzustellen, "denen Emigranten derselben zu beobachten". Diese Nachbarschaftsordnung entsprach im Wesentlichen den örtlichen "Statuten" sächsischer Nachbarschaften. Auch die Jugend unter den Ankömmlingen fand ihr Vorbild in den sächsischen Korporationen der "Bruder- und Schwesterschaften". Doch blieb man hier, bezeichnenderweise, in "sächsischen" und separaten "deutschen", d. h. landlerischen Bruderschaften unter sich, und dies bis tief in das zwanzigste Jahrhundert hinein. Im Wettstreit rivalisierten die ethnisch getrennten Verbände um den gesellschaftlichen Einfluss.
Ein wichtiges Tor zur Eingliederung war den Transmigranten durch die Evangelische Kirche in Siebenbürgen geöffnet. Die hervorragend bestandene katechetische Prüfung in Heltau, so die einhellige Meinung der sächsischen Geistlichkeit, hatte bewirkt, dass die Vorurteile der "Irrgläubigkeit" langsam abgebaut wurden und der Aufnahme ins kirchliche Leben im Ort offiziell der Weg geebnet wurde. Es sollten jedoch Jahre vergehen, bis 1847 in Neppendorf zum ersten Mal ein Transmigrant das Amt eines "Kirchenvaters" ausüben durfte. Und noch ein ganzes Jahrhundert später bedrohten hier die Streitigkeiten um die vorrangige Sitzordnung beim Gottesdienst den so fragilen Dorffrieden, den selbst ein Eingreifen des Bischofs nicht zu vermitteln vermochte.
Bei aller wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Integration blieb das vollständige kulturelle Aufgehen der Transmigrantennachkommen im Sächsischen aus. Dieses wurde paradoxerweise durch die Orientierung der Neuankömmlinge an den Inhalten der sächsischen Selbstauffassung verhindert. Im Zentrum dieses siebenbürgisch-sächsischen Selbstverständnisses stand, weit wichtiger als die verbindende evangelische Konfession, die als "sächsische Sprache" aufgefasste Mundart und die Zugehörigkeit zum territorialen Privilegiertenverband des "Königsbodens". Diese Zugehörigkeit rechtfertigte denn auch den Anspruch auf einen gehobenen gesellschaftlichen Status, den man als Abgrenzungsmerkmal gegenüber den anderen Ethnien im Umfeld hervorkehrte. Die nun auf demselben "Königsboden" angesiedelten und den Sachsen rechtlich gleichgestellten Österreicher rückten dementsprechend ein eigenes, territorial definiertes Element - die österreichische Herkunft - in den Vordergrund ihrer sich hier konstituierenden Gruppenidentität. Dem siebenbürgischen "Sachsentum" stellte man das siebenbürgische "Landlertum" gegenüber. Mundart und Kleidung, hauptsächlich das Kirchengewand, stehen in ihrer Zeichenhaftigkeit für diese "Bewahrung altösterreichischen Erbes und altösterreichischer Tradition". Damit bedienten sich die Landler gerade bei der Kleidung derselben Mechanismen einer ethnischen Emblematisierung wie all die anderen siebenbürgischen Völkerschaften auch. Ein jeder hat hier seine Tracht.
Im Selbstbewusstsein der Landler nimmt die lokale Komponente die Vorrangstellung ein, die "Landlerkultur" ist nur in ihren klar konturierten örtlichen Varianten - als Neppendorfer, Großauer und Großpolder Landlerart - fassbar. Die unterschiedliche regionale Herkunft der Transmigranten in den drei Dörfern, der unterschiedliche Zeitpunkt ihrer Ansiedlung und die lokalen Besonderheiten im Verlauf der Eingliederung sprechen hier mit. Hauptsächlich sind diese Unterschiede aber in der lokalen Endogamie, d.h. in der verpflichtenden Heiratsregel innerhalb der Dorfgemeinschaft, im Bereich siebenbürgisch-sächsischer Lebensweise über Jahrhunderte hinweg zu suchen. Jedes Dorf war eine Welt für sich und bis zum Zweiten Weltkrieg waren Heiraten über Dorfgrenzen hinweg kaum vorstellbar. So heirateten die Landler innerhalb eines Dorfes wohl vorzugsweise unter sich, selten jedoch über "Hattertgrenzen" hinweg. Auch wurde bei den agrarischen Wirtschaftsstrukturen eine "Heirat auf den Hof" mit einem Sachsen im Ort einer rein landlerischen mit einem Partner von außerhalb vorgezogen. Spricht man deshalb bei einer ein Viertel Jahrtausend währenden Kulturpräsenz von Landlern in Siebenbürgen, so ist damit kein genetisch "reines Landlertum" gemeint, es ist dies eher das Aufrechterhalten einer kulturell verstandenen Gruppenidentität, die sich im Laufe der Jahre eine Vielfalt an Überlebensmechanismen und -strategien geschaffen hat, welche heute noch jeden Außenstehenden faszinieren. Als sehr wichtig galt, bei den unausweichlichen "Mischehen" zwischen Sachsen und Landlern (die erste dieser Ehen ist in Neppendorf vier Jahre, in Großau drei Jahre nach der Ansiedlung dokumentiert) als Familie geschlossen auf der einen oder anderen Seite zu stehen. Die geforderten kulturellen, sächsisch-landlerischen Grenzen mussten rigoros eingehalten werden. Und bezeichnenderweise war es der Hof, wichtigster Ausdruck ländlichen Sozialprestiges, der die ethnisch-kulturelle Zugehörigkeit seiner Bewohner bestimmte. Man wohnte oder heiratete auf einen Hof ein, der entweder "sächsisch" oder "landlerisch" war, auf dem man sich entweder nur "sächsisch" oder nur "landlerisch" zu kleiden hatte und dessen eine Mundart man zu pflegen hatte. Diese ethnische Hofzugehörigkeit wies seinen Bewohnern letztlich den gesellschaftlich so wichtigen Sitzplatz im "landlerischen" oder "sächsischen" Seitenschiff in der Kirche zu. Beide Mundarten zu beherrschen war dementsprechend ein Muss, die jeweils andere informell zu erlernen eine Selbstverständlichkeit.
Unzählige Vorkommnisse im Laufe der Zeit belegen, wie zerbrechlich letztendlich das landlerisch-sächsische Gleichgewicht in Wirklichkeit war, wie sehr es der ständigen Gruppenrivalität bedurfte, um die kulturelle Eigenständigkeit auf beiden Seiten wahren zu können. So konnte es denn in Großau schon mal zum Eklat kommen, als ein neu gewählter Pfarrer bei der Amtshandlung der Taufe eines Sachsensprösslings versehentlich deutsch, "wie bei den Landlern", und nicht "sächsisch" gepredigt hatte.
Die kollektiven, überdachenden Elemente landlerischer und sächsischer Identität - die grundsätzliche Zugehörigkeit zum allgemeinen deutschen Kultur- und Sprachraum und der historisch verankerte gesellschaftliche Status einer ehemals privilegierten "Nation auf Königsboden", die gleiche Konfession - ließen Sachsen und Landler nach außen hin geschlossen auftreten. So ist der Bedarf einer gruppeneigenen, nur landlerischen Abgrenzung zu den Rumänen und Roma im Laufe der 250-jährigen Landlergeschichte nie aktuell gewesen. So schweigen auch die rumänischen historischen Quellen zu den Landlern, deren faszinierende kulturelle Eigenständigkeit mit zu jenem eingangs erwähnten bunten Farbbild siebenbürgischer Völker gehört.
Autor: Irmgard Sedler
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Archivalische Quellen
Staatsarchiv Hermannstadt/Sibiu, Transmigranten Akten, MagistratsaktenArchiv des Siebenbürgen Institutes in Gundelsheim, Nachlass Helmut Klima
Ungarisches Nationalarchiv Budapest, Akten der Siebenbürgischen Hofkanzlei
Österreichisches Staatsarchiv Wien, Hofkammerarchiv
"Hausbücher" in Neppendorf und Großau, Archiv Sedler und Privat
Österreichisches Staatsarchiv Wien, Archiv der Siebenbürgisch-Sächsischen Nation in Hermannstadt
Oberösterreichisches Landesarchiv Linz, Kaiserliche Reskripte
Literatur
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Buchinger, Erich, 1980: Die "Landler" in Siebenbürgen. Vorgeschichte, Durchführung und Ergebnis einer Zwangsumsiedlung im 18. Jahrhundert. München.
Capesius, Bernhard, 1962: Die Landler in Siebenbürgen. Geschichte und Mundart. Bukarest.
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Ettinger, Josef, 1935: Kurze Geschichte der ersten Einwanderung oberösterreichischer evangelischer Glaubensbrüder nach Siebenbürgen. In einem Vortrage an seine Gemeinde dargestellt von dem derzeitigen evangelischen Pfarrer in Neppendorf bei Hermannstadt in Siebenbürgen, Hermannstadt.
Girtler, Roland, 1992: Verbannt und vergessen. Eine untergehende deutsche Kultur in Rumänien. Linz.
Ders., 1997: Die Letzten der Verbannten. Der Untergang der österreichischen Landler in Siebenbürgen/Rumänien. Wien.
Krasser, David, 1870: Geschichte des sächsischen Dorfes Großpold. Aus urkundlichen Quellen verfasst. Hermannstadt.
Loesche, Georg: Geschichte des Protestantismus im vormaligen und im neuen Österreich. Wien, Leipzig.
Nowotny, Ernst, 1931: Die Transmigration ober- und innerösterreichischer Protestanten nach Siebenbürgen im 18. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Geschichte der "Landler". Schriften des Instituts für Grenz- und Auslandsdeutschtum an der Universität Marburg, Heft 8, Jena.
Obernberger, Alfred, 1964: Die Mundart der siebenbürger Landler. Eine bairische Siedlermundart des 18. Jahrhunderts. Marburg.
Schabus, Wilfried, 1996: Die Landler. Sprach- und Kulturkontakt in einer alt-österreichischen Enklave in Siebenbürgen (Rumänien). Wien. (= Beiträge zur Sprachinselforschung 13).
Thullner, Ernst, 1903: Das Wort sie sollen lassen stahn. Volksstück aus der Vergangenheit der Großpolder in drei Aufzügen. Hermannstadt.
Waldau, Georg Ernst, 1784: Geschichte der Protestanten in Österreich, Steiermark, Kärnten, Krain vom Jahr 1520 biß auf die neueste Zeit. Ansbach.
Weingärtner, Ernst Martin, 1988: Ein Heimatbuch über die Gemeinde Großau in Siebenbürgen/Rumänien. Memmingen.
Erinnerungsblätter zur 200-Jahr-Feier der Einwanderung der "Landler" in Neppendorf, 2. September 1734/2. September 1934. Hrsg. vom Presbyterium der evangelischen Kirchengemeinde A. B. Neppendorf in Rumänien. Hermannstadt 1934.
Erinnerungsblätter: Das Landler Buch. Die Landler. Siedlungen, Besiedlung und Menschen. Hermannstadt 1940.
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