1. April 2004

Gelungene Integration in Drabenderhöhe

Die 1966 eingeweihte und in mehreren Bauabschnitten vergrößerte Siebenbürger-Sachsen-Siedlung in Wiehl-Drabenderhöhe ist kein Ghetto, sondern das Beispiel einer gelungenen Integration. Dies stellt Katrin Ingenhoven in ihrer Promotionsarbeit mit dem Titel "'Ghetto' oder gelungene Integration?" fest.
Beim Lesen des Wortes "Ghetto" im Titel einer Doktorarbeit mussten wir in Drabenderhöhe erst einmal Atem holen, da wir hier seit Jahrzehnten eine neue Heimat gefunden hatten. Robert Gassner, der "Vater der Siedlung", hatte schon 1976 beim zehnjährigen Jubiläum der Siebenbürger-Sachsen-Siedlung verkündet: "Wir sind daheim". Und nun "Ghetto"?

Katrin Ingenhoven stellt die Ergebnisse in ihrer Dissertation "'Ghetto' der gelungene Integration? Untersuchung sozialräumlicher Entwicklungsprozesse in der bedeutendsten Siedlungskonzentration von Aussiedlern aus Rumänien, der Siebenbürger-Sachsen-Siedlung in Wiehl-Drabenderhöhe (NRW)“ vor: "Die 1966 errichtete 'Siebenbürger-Sachsen-Siedlung' in Wiehl-Drabenderhöhe stellt die bedeutendste räumliche Konzentration von Aussiedlern aus Rumänien dar. Fördert oder verhindert solch eine sozialräumliche Segregation von Einwanderern in Form so genannter ethnischer Kolonien deren Integration? Diese Frage wird in den Sozialwissenschaften lebhaft und kontrovers diskutiert. Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung machen die Komplexität der Gunstfaktoren deutlich, die zusammen kommen müssen, damit eine ethnische Kolonie ihre positiven Funktionen entfalten und als 'Brückenkopf' in die Aufnahmegesellschaft dienen kann", so der Klappentext des Buches.

Die aus dem Schwarzwald stammende Geographin hat 2002 an der Universität Dortmund promoviert. Mit Unterstützung der Sparkasse der Homburgischen Gemeinden in Wiehl konnte sie ihre Doktorarbeit veröffentlichen. Die Doktorandin war in der Siedlung von Haustür zu Haustür gegangen. Mittels eines standardisierten Fragebogens hatte sie 205 Siebenbürger Sachsen befragt und amtliche An- und Abmeldebögen sowie Standesamtsunterlagen ausgewertet. Überall sei man kooperativ und hilfsbereit gewesen, berichtete sie bei der Präsentation ihres Buches.

In ihrer Dissertation kam Ingenhoven zu folgenden Einzelergebnissen: Neben ihren guten Deutschkenntnissen sei als weiterer Integrationsbonus anzusehen, dass die Siebenbürger Sachsen bereits aus Rumänien vergleichsweise hohe Bildungsabschlüsse mitgebracht hätten und die zweite Aussiedlergeneration inzwischen über ein dem Landesdurchschnitt entsprechendes Bildungsniveau verfüge. Unter Berücksichtigung der Schulabschlüsse und der erreichten beruflichen Position liege eine ausgeprägte Intergenerationsmobilität vor. Nur 1,2 Prozent der Befragten sind arbeitslos. Der Nachwuchs besitzt zu 42,5 Prozent die Hochschulreife, einen Hauptschulabschluss haben 18 Prozent, das Gymnasium besuchen derzeit 57,9 Prozent der Kinder.

Mitglied in einem siebenbürgischen Verein sind 41 Prozent, 29 Prozent besuchen gemeinsam mit Oberbergern einen örtlichen Verein. Alle über 60-Jährigen sind Mitglied in der Landsmannschaft, von den 16- bis 24-Jährigen nur 20 Prozent. Bis 35 Prozent setzt sich der Freundeskreis hauptsächlich aus Siebenbürgern zusammen, bei 52,4 ist er gemischt, bei 12,6 Prozent besteht er meist aus Oberbergern. Anfang der achtziger Jahre gab es 20 Prozent Mischehen (Ehen zwischen Siebenbürgern und Oberbergern), Ende der neunziger Jahre waren es 40 Prozent.

Katrin Inghoven stellt fest, dass es in Drabenderhöhe eine gute Basis für eine allmähliche Anpassung an die bundesdeutsche Gesellschaft gegeben habe. Das gemeinsame Ausüben von Kultur und Sprache sowie intensive Nachbarschaftshilfe hätten den Menschen Sicherheit gegeben. Die Toleranz der ansässigen Oberberger sei ebenfalls förderlich gewesen. Immerhin mussten 600 Dorfbewohner anfangs den Zuzug von 1 200 Siebenbürger Sachsen akzeptieren. Die Autorin betont den Ausnahmecharakter dieser Siedlung: Wie sich bei den heutigen Zuwanderergruppen erweise, begünstigten Bildungsdefizite, hohe Arbeitslosigkeit, schlechte Deutschkenntnisse und knappe öffentliche Kassen Isolation und Rückzug.

Die 1966 eingeweihte und in mehreren Bauabschnitten vergrößerte Siedlung in Drabenderhöhe im Oberbergischen Land ist also kein Ghetto, sondern das Beispiel einer gelungenen Integration. Anders als die Autorin behauptet, ist Drabenderhöhe kein Ausnahmefall, was die Integration der Siebenbürger Sachsen in Deutschland betrifft. Denn überall, wo sich Siebenbürger Sachsen geschlossen angesiedelt haben, sei es in den nordrhein-westfälischen, 50 Jahre alten ehemaligen Bergmannssiedlungen Herten-Langenbochum, Oberhausen-Osterfeld oder Setterich, oder in anderen kleineren Ansiedlungen in der ganzen Bundesrepublik, ist es ihnen gelungen, als anerkannte Bürger und Bürgerinnen in ihrem Wohnort Akzeptanz zu finden. Es ist ihnen und uns in Drabenderhöhe darüber hinaus gelungen, die aus Siebenbürgen mitgebrachte Kultur und das Brauchtum zu pflegen und hoffentlich auch für die Zukunft zu erhalten. Was die Größe anbetrifft, kann die Siedlung als Ausnahmefall betrachtet werden, denn sie gilt heute als größte Ansiedlung von Siebenbürger Sachsen weltweit. Fast 4 000 „Sibis“ wohnen heute in der Siebenbürger-Sachsen-Siedlung und in den neuen Bebauungsgebieten rund um Drabenderhöhe.

Nachdem die ehemaligen Bundespräsidenten Karl Carstens, Richard von Weizsäcker und Roman Herzog in ihrer Amtszeit die Siedlung schon besucht haben, wird der scheidende Bundespräsident Johannes Rau mit seiner Gattin und in Begleitung der nordrhein-westfälischen Sozialministerin, Birgit Fischer, am 1. April nach Drabenderhöhe kommen, um sich vor Ort über die vorbildlich gelungene Integration von Aus- und Übersiedlern persönlich zu informieren.

Enni Janesch

Katrin Ingenhoven, "Ghetto" oder gelungene Integration?, erschienen im LIT Verlag, Münster (2003), 280 Seiten, ISBN 3-8258-6740-4. Der Band ist zum Preis von 24,90 Euro im Buchhandel erhältlich bzw. im Internet unter www.lit-verlag.de zu bestellen.

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 5 vom 31. März 2004, Seite 1-2)

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