13. Juli 2004

Oskar Paulini: größter siebenbürgischer Naturbuchautor

Der vor hundert Jahren am 30. Juni 1904 in Heltau, Siebenbürgen, geborene Oskar Paulini verkörpert, wie viele seiner Generation, ein zeittypisches Schicksal. Dies nicht allein im privaten Werdegang, sondern auch als Buchautor. Kriege, Wirtschaftskrisen, politische Wechsel und, nicht zuletzt, der Status des ethnischen „Minderheitlers“ legten Paulini Bürden auf, die Spuren hinterließen. Der Autor des besten Tier- und Naturromans, den je ein Siebenbürger Sachse schrieb („Fior und Grangur“, 1981), starb vier Jahre nach seiner Niederlassung in Deutschland am 17. Dezember 1982 in Nürnberg.
Absolvent des Brukenthal-Gymnasiums, Hermannstadt, besuchte Paulini 1923-1924 die Infanterie-Offiziersschule in Bukarest, ließ sich 1924-1927 in Mannheim, Unna, Kiel und Greifswald im Rahmen eines Projektes des Siebenbürgisch-Sächsischen Landwirtschaftsvereins (1840-1945) ausbilden und wirkte von 1928 bis 1932 als Forst- und Jagdpfleger auf den Staatsgütern des rumänischen Prinzregenten Nikolaus. Die Jahre prägten den Menschen und den Schriftsteller; zu Paulinis genuiner Naturverbundenheit gesellte sich jene Summe an Erfahrung im Umgang mit Flora und Fauna, die das literarische Werk auszeichnen. Der während einer Truppenübung in den Sumpfgebieten der Unteren Donau zusätzlich zu einer Hepatitis an Malaria erkrankte Fünfundzwanzigjährige musste den Forstdienst in den geliebten Ostkarpaten aufgeben und – um die Familie zu ernähren – eine Stelle in der prosperierenden Textilindustrie Heltaus annehmen. Paulini hat sich mit dem erzwungenen Wechsel niemals abfinden können. Wiederholte Male zum Militär eingezogen, 1945 in die UdSSR deportiert, nach der Rückkehr in einem Privatbetrieb und nach Arbeitslosenzeiten in einem Staatsunternehmen tätig, musste der seit langem kranke Mann 1961 in den vorzeitigen Ruhestand entlassen werden.



Oskar Paulini in der Zeit, als er den Großteil seiner Bücher schrieb.
Oskar Paulini in der Zeit, als er den Großteil seiner Bücher schrieb.
Die Zeit auf der herrschaftlichen Forstdomäne wurde trotz der relativ kurzen Dauer zur Grundlage der Bücher, die Oskar Paulini zwischen 1937 und 1981 veröffentlichte („Rumänische Landschaft“, Hermannstadt 1937; Übers.: „Das Schwarze Gold“, „Der Schatz des Königs Dromichet“ von Cezar Petrescu, Wien 1944; „Mein Hund Hasso“, Bukarest 1965; „In den Wäldern des Barnar“, ebenda 1967; „Lüns der Lahme“, ebenda 1970, dazu Auflagen in Leipzig, rumänische Fassung in Bukarest; „Fior und Grangur“, Innsbruck-München 1981). Zu den Buchtiteln sind die Texte in Periodika hinzuzuzählen. Im Nachlass fanden sich überdies die Manuskripte mehrerer unvollendeter Romane wie „Der Ruf der Wildgänse“, „Der Schmied von Ruetel“, „Dreißig von Hundert“, „Der steinige Weg“ u.a. Dass die Zensur im kommunistischen Rumänien z.B. den von Autor und Verlag unterzeichneten Vertrag über die Drucklegung des Romans „Irrwege“ rückgängig machte (1975), weil Paulini die Vorschläge zur Politisierung des Textes ablehnte, sei als epochensymtomatisch mit dem Zusatz angeführt, dass der hochrangige KP-Funktionär und „Karpatenrundschau“-Chefredakteur Eduard Eisenburger (1928-1990) dabei die Rolle des Ideologiewächters spielte (Brief Oskar Paulinis an Hans Bergel vom 6. Januar 1977). Paulinis letztes in Rumänien veröffentlichtes Buch „Lüns der Lahme“ wurde 1973 zum „Bestseller der zeitgenössischen rumäniendeutschen Literatur“ erklärt (wie oben).

Der 1981 im Wort und Welt Verlag erschienene Roman „Fior und Grangur“ – die in den Ostkarpaten angesiedelte Geschichte eines verwilderten Hundes und Pferdes – vereinigt alle Vorzüge Paulinischer Natur- und Tierschilderung. Das verfolgende Wolfsrudel ist mit der gleichen Meisterschaft gezeichnet wie der Frühjahrsmorgen im Tannenwald, das sommerliche Gebirsgewitter oder die winterliche Frostnacht. Dabei verlässt Oskar Paulini niemals den Boden der sachgerechten, naturwissenschaftlich exakten Darstellung. Das bewahrt ihn vor billiger Naturschwärmerei und verleiht seinen besten Texten jene Authentizität, die auch das Merkmal bedeutender Natur- und Tierschilderer wie Jack London, Bengt Berg, Ernest Thompson-Seton oder Svend Fleuron ist. Die Art, wie Paulini die Naturpräsenz in miterzählendes Element verwandelt, erinnert streckenweise an Adalbert Stifter. Bei dem Siebenbürger kommt freilich ein Aspekt hinzu: Paulini weiß aus der Lage seiner Generation heraus mehr über die substantielle Gefährdung der Natur als alle die Genannten. Es gibt dazu erschütternde Passagen bei ihm.

Der einst in Rumänien vielgelesene Autor fand nach der Aussiedlung 1978 unter seinen Landsleuten in Deutschland kaum noch Leser – „Fior und Grangur“, der wichtigste Naturroman der siebenbürgisch-deutschen Literatur, musste beschämenderweise bald nach der Veröffentlichung vom Verlag zum Spottpreis angeboten werden und blieb dennoch fast ein Ladenhüter. Dass sich die vorgeblich an siebenbürgischer Literatur Interessierten damit selber ein Zeugnis ausstellten, soll nicht verschwiegen werden.

Der zweimal verheiratete Paulini, Vater von sechs Kindern, nimmt literaturgeschichtlich in der Reihe siebenbürgisch-deutscher Naturschilderer wie Emil Witting, Alfred Hönig, Richard Jakobi u.a. einen hervorragenden Platz ein; in der ehemals deutschsprachigen Literatur Südosteuropas ist er neben dem in Perlas an der Theiß geborenen Otto Alscher (1880-1944, Internierungslager Targu Jiu) zu nennen. (Siehe auch: Oskar Paulini. Von östlichen Wölfen und Wäldern. In: Gesichter einer Landschaft. Südosteuropäische Porträts. Von Hans Bergel. München 1999, Seite 261-273.)

Hans Bergel

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 10 vom 30. Juni 2004, Seite 7)

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