22. Mai 2011

Netter Plauderton – offene Fragen

Nach dem „Hühnerparadies“ und der „Roten Babuschka“ widmet sich nun der auch als Soziologiedozent in Iași arbeitende Schriftsteller Dan Lungu einem ganz anderen Thema. Sein neuester auf Deutsch erschienener Roman „Wie man eine Frau vergisst“ klingt eher nach ­Lebensratgeber als nach Satire, wie die beiden vorhergehenden. Doch Lungu bleibt sich auch hier treu und spricht im netten Plauderton über die Irrungen und Wirrungen eines Verlassenen. Die Übersetzung von Jan Cornelius wirkt ebenso locker und heiter.
Im Roman geht es um Andi, einen Journalisten der Abteilung Investigativer Journalismus, der eines Tages beim Nachhausekommen die Wohnung unbehaust vorfindet. Seine Freundin Marga hat ihm nur einen kurzen Zettel hinterlassen, der nicht als Erklärung taugt: „Lieber Andi, ich bin weg. Ich bitte dich, mir zu verzeihen. Irgendwann wirst du es sicher verstehen. Marga“. Zunächst fällt es Andi schwer, dies zu glauben, und er beginnt eine ins Absurde driftende Suche nach ihr, durchstöbert die ganze Wohnung und macht auch vor den Hosentaschen nicht Halt. Marga, erfährt der Leser, hatte ihm schon mal ein Schnippchen geschlagen und ein Verschwinden vorgetäuscht, sich dabei aber im Schrank versteckt, bis es ihr zu dumm wurde. Vor diesem Schicksalsschlag ist aber Andi, der sonst als relativ abgebrühter Zeitungsmensch erscheint, nicht gefeit. In erster und in dritter Person abwechselnd und in Rückblenden werden nun seine Versuche beschrieben, über Marga hinwegzukommen. Dabei gerät er im Zuge der Suche nach einer neuen Bleibe an einen Baptisten, der in der neoprotestantischen Kirche die Funktion eines Presbyters hat. Bei ihm kann er unterkommen.

Wer schon von Baptisten (im Original „pocăiți“) angeworben wurde für den neuen Glauben, dem mutet Dan Lungus Roman auch ein bisschen nach Werbung an, wobei der Autor hier aber nicht so richtig überzeugt ist davon, die Leser bekehren zu wollen. Andi lässt sich nämlich nicht von den Baptisten einlullen, sondern begegnet ihnen mit Ironie und Misstrauen. So werden sie von ihm aufs Korn genommen, als sie von sprechenden Tieren erzählen, dennoch kommt zum Vorschein, dass in einer korrupten Gesellschaft, wie sie im Rumänien der Nachwendezeit von Lungu beschrieben wird, die Baptisten im Glauben an Gott und in ihrem Bestreben, Gutes zu tun, einen Halt finden. Dabei machen sie sich jedoch nicht nur Freunde und entgehen auch der Selbstjustiz der Mitmenschen nicht. Wie die Begegnung mit dem neuen Glauben für den Protagonisten Andi ausgeht, sei hier noch nicht vorweggenommen.

Interessant sind Andis Ausführungen zum Skandal-Journalismus, vor allem wie der „Bison“ (so wird hier der Durchschnittsleser genannt), eingewickelt und getäuscht werden will. Abgeklärt ist die beiläufig von Lungu eingeflochtene Feststellung über die allgegenwärtige Korruption, wenn es um das Einwerben und Veruntreuen von Spenden geht.

Der Roman lebt vom Wechsel der Perspektiven und von den Rückblenden. Andi taucht als Ich-Erzähler auf, und dann wiederum wird von ihm in der dritten Person referiert. Seine Geschichte wird nicht chronologisch, sondern zwischen den Zeitebenen hin und herpendelnd erzählt; das erweckt zwischendurch den Eindruck, dass die Erzählung etwas durcheinander ist, zumal auch Marga zeitweilig als Ich-Erzählerin fungiert. Auch lässt der Autor die anfänglichen Dialoge eines Nachbarpaares bleiben, die eine sarkastische Spiegelung von Andi und Marga darstellten. Leider bleiben die anderen Gestalten, außer Andi, Marga, dem Presbyter nur schematisch und der Eindruck zuweilen etwas oberflächlich. Es bleiben noch viele Fragen offen, warum Andi verlassen wurde, warum er Marga geliebt hat bzw. sie ihn. Und letztendlich erfährt man nicht, wie man eine Frau vergisst, sondern vielmehr, wie man sich ihrer erinnert. Dennoch besticht der leichte und ironische Tonfall, sodass der Roman ganz unterhaltsam wirkt.

Edith Ottschofski


Dan Lungu: „Wie man eine Frau vergisst“, Aus dem Rumänischen von Jan Cornelius, St. Pölten-Salzburg, Residenz Verlag, 2010, 283 Seiten, 23,90 Euro, ISBN 978-3-7017-1543-5.

Schlagwörter: Rezension, Buch, Rumänien

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