27. April 2024

Wo sonst finde ich so eine geballte Vielfalt? Gedanken und Empfehlungen der Bundeskulturreferentin zum Heimattag der Siebenbürger Sachsen in Dinkelsbühl

Kennen Sie das? Sie wachen morgens auf und Ihr erster Gedanke ist, dass Sie dringend noch dem Hans auf seine Mail antworten müssen? Sie sitzen tagelang bis nachts um halb eins am PC, weil der Drucktermin drängt? Während Sie „nur kurz“ telefonieren, gehen fünf Mails und drei WhatsApps ein, zwei Personen haben vergeblich versucht, Sie anzurufen, und an der Tür klopft schon der Kollege … Wenn Sie das kennen, dann sind Sie vielleicht auch Bundeskulturreferentin beim Verband der Siebenbürger Sachsen und der Heimattag steht ins Haus.
Mit den Augen der KI: Illustration des Heimattag ...
Mit den Augen der KI: Illustration des Heimattag-Mottos „75 Jahre Gemeinschaft – Mach mit!“ durch den Bildgenerator DALL-E 3.
Die Wochen vor dem Heimattag in Dinkelsbühl sind intensiv, das ist nun mal so und das ist auch völlig in Ordnung. Doch wenn man zeitgleich in den sozialen Medien liest, was teilweise über den Verband und den Heimattag geschrieben wird (Ewiggestrige würden die Fäden ziehen, es sei nur Show, die Preispolitik sei verkehrt), kommt man doch kurz ins Grübeln und überlegt leicht frustriert: „Wieso tue ich mir diesen Wahnsinn eigentlich an?“

Ich will Ihnen gerne sagen, warum ich mich auch zu Pfingsten 2024 wieder darauf freue, vier Tage lang kaum zu schlafen, kaum zu essen und pausenlos über das Kopfsteinpflaster Dinkelsbühls zu rennen:

Zum einen ist das dieses unbeschreibliche Gefühl am Pfingstmontag, wenn gegen Mittag alles aufgeräumt und die Autos beladen sind: Was für eine Großveranstaltung der Verband dank der Hilfe Dutzender Ehrenamtlicher und der Stadt jedes Jahr auf die Beine stellt, ist einfach unglaublich. Alle ziehen an einem Strang und am Ende kommt immer ein Ereignis mit unvergesslichen Momenten dabei heraus.

Zum anderen ist es aber auch und vor allem die Community, die das Angebot so dankbar annimmt, die mich motiviert. Jeder kommt auf seine Kosten, sei es der Kulturliebhaber, die Sportlerin, der Musikfreund, der Baumstriezel-Fan, das Tanzpaar oder einfach der Mensch, der sich freut, drei Tage lang bekannte Gesichter zu sehen und Sächsisch reden zu können, ohne sich irgendjemandem erklären zu müssen. Für diese Menschen und deren Bedürfnisse machen wir das doch alles.

Und wissen Sie, was ich heuer besonders bewegend finde? Der in Deutschland geborene Sachsenspross, dem es ein Bedürfnis ist, mehr über seine Wurzeln zu erfahren, und dem ich ruhigen Gewissens raten konnte, nicht nur nach Siebenbürgen, sondern auch einmal nach Dinkelsbühl zu fahren und sich dort umzuhören und umzusehen. Beim Heimattag gibt es nicht nur zahlreiche junge Menschen, denen es geht wie ihm, sondern auch die Möglichkeit, sich innerhalb eines Wochenendes mit so vielen Facetten der Kultur und der Geschichte der Siebenbürger Sachsen auseinanderzusetzen, wie es sonst nirgendwo der Fall ist.

Ich meine, wo sonst findet man solch eine geballte Vielfalt? Gehen Sie am Samstagnachmittag in den Spitalhof und hören Sie den Kulturpreisträgern zu: Der Historiker Dr. Volker Wollmann referiert um 14.00 Uhr über siebenbürgisch-sächsische Zunftaltertümer und der Schriftsteller und Sprachspieler Hellmut Seiler liest um 15.00 Uhr aus seinem Werk. So unterschiedlich die Betätigungsfelder und Herangehensweisen der beiden Preisträger 2024 auch sind, beide haben sich in ihrem Schaffen um Siebenbürgen und die Siebenbürger Sachsen äußerst verdient gemacht. Mit ihnen kann man in ganz unterschiedliche Themen und Epochen der siebenbürgisch-sächsischen Geschichte eintauchen.

Dasselbe gilt für die anderen Programmpunkte: Hier eine Ausstellung und ein Vortrag über 800 Jahre Andreanum (Dr. Harald Roth, Sonntag, 14.30 Uhr), dort ein Film über Samuel von Brukenthal (Samstag, 14.00 Uhr), danach ein Vortrag über Dr. Carl Wolff (Dr. Dr. Gerald Volkmer, Samstag, 16.15 Uhr), an anderer Stelle wiederum ein Vortrag über die Flucht der Nordsiebenbürger Sachsen (Horst Göbbel, Sonntag, 15.00 Uhr) und eine Ausstellung über ihren Weg vom Nösnerland über Oberösterreich bis nach NRW. Beim Heimattag werden letztlich neun Jahrhunderte siebenbürgisch-sächsischer Geschichte schlaglichtartig beleuchtet.

Häufig wird gesagt, Kunst sei der Spiegel ihrer Zeit. Wenn dem so ist, dann kann man sich in Dinkelsbühl intensiv dem Spiegelbild siebenbürgisch-sächsischer Existenz im 20. und auch 21. Jahrhundert widmen. Die Ausstellung des Siebenbürgischen Museums Gundelsheim präsentiert den Grafiker Helmut von Arz (1930-2014) und wird am Freitag um 18.30 Uhr eröffnet, die Kulturreferentin für Siebenbürgen am Siebenbürgischen Museum stellt am Sonntag um 14.30 Uhr in zwei Kurzfilmen die Künstlerinnen Sieglinde Bottesch (geboren 1938) und Katharina Zipser (geboren 1931) vor. Die Fotoausstellungen von Manfred Broich („Es war einmal …“) und Éva Seiler-Iszlai („Siebenbürgen: Streifzüge“) wiederum spiegeln nicht nur Szenen, Landschaften und Persönlichkeiten der letzten 50 Jahre, sondern geben auch den Blick zweier Nicht-Sachsen wieder. Ob die wohl mit anderen Augen auf den Landstrich schauen?

Ach ja, die Autorin Lioba Werrelmann ist übrigens auch keine Sächsin. Und doch entwickelt sie gerade die erste Krimi-Reihe, die in Siebenbürgen spielt: „Tod in Siebenbürgen“ ist bereits erschienen (Lesung am Sonntag, 15.30 Uhr), das nächste Buch ist in Arbeit.

Ich finde das in doppelter Hinsicht spannend: Zum einen geht es natürlich darum, einen Mord aufzudecken. Zum anderen zeigt es – mal wieder –, wie der Heimattag mit der Zeit geht. Sehr gerne widmen wir uns in Dinkelsbühl der Vergangenheit und der Tradition, hören Blasmusik, tragen Trachten, bringen Bauernschwänke auf die Bühne („Et wor emol en reklich Med“, Samstag, 16.00 Uhr) und singen gemeinsam Volkslieder (Sonntag, 19.00 Uhr).

Die Tracht der Lego-Figur ist nach einem Foto der ...
Die Tracht der Lego-Figur ist nach einem Foto der Großmutter „geschneidert“ worden. Foto: Alexander Hauptkorn
Zugleich sind wir aber auch am Puls der Zeit: Wir bieten Livestreams, eine WebApp zum Heimattag und neuerdings sogar ein interaktives Online-Quiz. Selbst die Künstliche Intelligenz (KI) haben die Webmaster von Siebenbuerger.de längst eingesetzt, als sie zum Beispiel ein bekanntes Porträt Samuel von Brukenthals 2023 zum Sprechen gebracht haben, damit es die Gäste zum Heimattag einlädt. 2024 wird nun eine Krimi-Reihe vorgestellt. Und das ist längst nicht alles: Haben Sie schon einmal Szenen mit LEGO-Figuren in siebenbürgisch-sächsischer Tracht gesehen? Nein? Dann sollten Sie unbedingt Alexander Hauptkorns Ausstellung „Wurzeln der Sehnsucht“ besuchen.

Der Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland feiert heuer in Dinkelsbühl sein 75-jähriges Jubiläum. So, wie sich die Situation der Siebenbürger Sachsen in Deutschland seit 1949 gewandelt hat, haben sich auch die Aufgaben des Verbandes gewandelt. Bei der Festveranstaltung am Samstag (18.00 Uhr) und der Podiumsdiskussion am Montag (10.00 Uhr) werden wir dies näher in den Blick nehmen. Gewandelt hat sich freilich auch der Heimattag; gleichgeblieben ist, dass wir uns immer schon bemüht haben und auch in Zukunft weiter bemühen werden, für jeden etwas zu bieten.

Jeder ist daher herzlich eingeladen, die vielseitigen Angebote wahrzunehmen, den Aufenthalt in Dinkelsbühl zu genießen und dabei ein gutes Gefühl zu haben.

Der Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland e.V. macht es Jahr für Jahr möglich – und das sehr gerne. Der Zuspruch, die Freude und die Dankbarkeit der Gäste lassen mich auch so manche schlaflose Nacht im Vorfeld vergessen.

Dagmar Seck

Schlagwörter: Heimattag 2024, Bundeskulturreferentin, Empfehlungen

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