1. Dezember 2014

Diakonieverein in Mediasch nimmt sich der oftmals hilfsbedürftigen Deutschen an

Mit dem großflächigen Wegfall der siebenbürgisch-sächsischen Sozialnetze in Form von Nachbarschaften, Bruder- und Schwesternschaften, die von jeher auch immer die Aufgabe hatten, sich um Alte, Kranke und Bedürftige zu kümmern, war der Aufbau diakonischer Einrichtung in der evangelischen Kirche in Siebenbürgen unerlässlich geworden. So wurde 1990 auch in Mediasch ein Diakonieverein gegründet, um sich in der Mediascher Gemeinde und im Kirchenbezirk der Belange der zurückgebliebenen und oftmals hilfsbedürftigen Deutschen anzunehmen. Der eingetragene Verein hat derzeit 20 Angestellte und untergliedert sich in vier Tätigkeitsfelder: das Diakoniebüro, die Diakonieküche „Essen auf Rädern“, die Sozialstation „Samaritana“ sowie das Altenheim Hetzeldorf. Nicht nur, aber besonders in dem sich dem Ende neigenden „Jahr der Diakonie“ bietet es sich an, denen, die tagtäglich mit viel Engagement und Herzblut den Dienst am Nächsten tun, einmal über die Schulter zu blicken.
Diakoniebüro: Vor dem Eingang zum Mediascher Kirchenkastell geht es durch eine grüne Holztür einige Treppen hinauf, wo das Büro des Diakonievereines ist. An zwei großen und mit Akten belegten Schreibtischen sitzen die ehrenamtliche Vorsitzende des Diakonievereines, Ursula Iuga-Pintican, und die hauptamtliche Geschäftsführerin Ilike Bányai. Auch an diesem Tag herrscht reges Treiben, denn auf einem Gästestuhl sitzt bereits ein alter Herr, der Unterstützung bei der Bearbeitung von Dokumenten benötigt. Ständig klingelt das Telefon. Eine Angestellte von der Sozialstation Samaritana kommt eilig herein, um Belege und Rechnungen vorbeizubringen. Auch Ursula Iuga-Pintican ist eilig, denn sie hat noch einen Sitzungstermin, den sie unbedingt wahrnehmen muss, aber sie kommt kaum vom Telefon los. „Es gibt hier so viel zu tun, dass wir dringend Unterstützung benötigen würden, jedoch ist an eine Erweiterung nicht zu denken, da wir trotz Bedarf keine finanziellen Möglichkeiten haben“, sagt Ursula Iuga-Pintica bedauernd und weiter: „Viele Heimbewohner können ihren Heimplatz nicht selbst bezahlen, so haben wir oftmals Schwierigkeiten, die Gehälter unserer Angestellten zu finanzieren. Wir erhalten zwar einen staatlichen Zuschuss, der jährlich schwankt, jedoch nie mehr als knapp 20 Prozent unserer Ausgaben deckt. Ohne die Unterstützung der Mediascher Kirchengemeinde, des Mediascher Kirchenbezirkes sowie Spenden diakonischer Werke und Kirchengemeinden aus Deutschland könnten wir den Betrieb hier nicht aufrechterhalten. Glücklicherweise werden wir auch von Einzelpersonen bedacht, die sich z.B. zum Geburtstag Geld gewünscht haben und dieses dann an unseren Diakonieverein spenden. Das freut und hilft uns natürlich sehr!“
Die Vorsitzende des Diakonievereines Mediasch, ...
Die Vorsitzende des Diakonievereines Mediasch, Ursula Iuga-Pintican (links), und Geschäftsführerin Ilike Bányai.
Auf die Frage, wie die diakonische Arbeit der evangelischen Kirche in der Öffentlichkeit gesehen wird, antwortet die Geschäftsführerin Ilike Bányai: „Wir erhalten positive Resonanz aus der Gesellschaft – auch von Rumänen, jedoch hat es in der rumänischen Gesellschaft und der orthodoxen Kirche bisher keine Nachahmer gegeben. Reformierte Gemeinden hingegen haben in den rumänischen Großstädten, z.B. in Klausenburg, ebenfalls ähnliche karitative Einrichtungen ins Leben gerufen, die sich um hilfsbedürftige Mitmenschen kümmern.“

„Essen auf Rädern“: Am frühen Morgen schon weht der Duft von gedünsteten Zwiebeln über den Mediascher Kirchhof, denn die Diakonieküche ist im Kirchenkastell untergebracht. In dem altehrwürdigen Kellergewölbe wirken die Köchinnen und bereiten von Montag bis Freitag täglich 100 Essensportionen vor. Später am Vormittag teilen sie diese mit zwei Fahrzeugen im Stadtgebiet an die Empfänger aus. Oft ist das für die Essensempfänger der einzige Kontakt zur Außenwelt. Zu dem „Essen auf Rädern“-Team gehören ein Administrator und vier Köchinnen. Sie sind auch diejenigen, die für die schmackhafte Bewirtung bei den Gemeindefesten, am Weltgebettag, bei Besuchen der Partnergemeinden und vielen anderen Anlässen sorgen.
In der Diakonieküche werden täglich 100 Portionen ...
In der Diakonieküche werden täglich 100 Portionen zubereitet.
Sozialstation Samaritana: Zwischen zwei Hausbesuchen hastet Annemarie Bauilă-Dörr ins Mediascher Stadtpfarramt. Gemeinsam mit einer Kollegin betreut die zweifache Mutter 130 Gemeindemitglieder, die als Mitglieder im Diakonieverein, für einen Beitrag von einem Lei pro Monat von der Sozialstation betreut werden. „Wir kümmern uns um alte, kranke und hilfsbedürftige Menschen in Mediasch, fahren aber auch auf die Dörfer, die zu unserer Bezirksgemeinde gehören. Unser Ziel ist es, den Leuten dort zu helfen, wo es am notwendigsten ist, ob das nun Arztbesuche sind, Einkäufe, Hilfe im Haushalt oder aber bei akutem Bedarf auch die Pflege der Bedürftigen“, erläutert die Krankenpflegerin, die seit elf Jahren für die Diakonie tätig ist. Verbände anlegen, Blutdruck und/oder Zuckerwerte messen, die monatlichen Rezepte für die Medikamente einlösen, das sind die alltäglichen Aufgaben der Samaritanerinnen. Ein bedauerlicher Aspekt ist, dass viele Mitglieder alleine leben und häufig einsam sind. „Manchmal besuchen wir unsere Leute auch nur, damit sie jemanden haben, mit dem sie sich unterhalten können“, meint Bauilă-Dörr und fügt nachdenklich hinzu: „Es ist für uns oftmals eine psychisch schwere Arbeit, weil jeder Mensch eigene Wünsche und Erwartungen hat. Wir versuchen, jedem – soweit es möglich ist – die Wünsche zu erfüllen und den Alltag schöner zu machen. Meine Kollegin und ich hoffen, dass wir unseren Senioren einen Sonnenstrahl und Zuversicht ins Haus bringen. Sie sollen zu jeder Stunde wissen, dass jemand da ist, wenn sie Hilfe brauchen.“
Straßenansicht des Altenheimes Hetzeldorf. Fotos: ...
Straßenansicht des Altenheimes Hetzeldorf. Fotos: Moni Schneider-Mild
Altenheim Hetzeldorf: Die älteste Einrichtung des Mediascher Diakonievereins ist das Altenheim, das malerisch in der Dorfmitte Hetzeldorfs gegenüber der Kirchenburg gelegen ist. Die Anlage ­umfasst drei nebeneinanderliegende, ehemals siebenbürgisch-sächsische Bauernhöfe mit den dazugehörigen Gärten. Die Fassaden der alten Bauernhäuser sind freundlich in hellen Terrakotta-Tönen gestrichen, von denen sich die alten Stuckornamente weiß hervorheben. Auf den Eingang zum Altenheim weist ein schlichtes Email-Schild über der Tür hin, die überraschenderweise auf einen mit Wein überdachten Hof führt. Links der Aufgang zum Haus, davor eine Holzbank, wo die Heimbewohnerinnen und -bewohner an schönen Tagen draußen sitzen. Rechts befinden sich ein weiteres Gebäude, die Küche, und daran anschließend der Speisesaal. Jenó Bányai, der seit 14 Jahren der Verwalter des Altenheims ist, erklärt das Besondere an dem Konzept dieses Altenheims: „Unsere Betreuten helfen selbst mit, sofern dieses möglich ist, ob im Garten oder auch in den Tierställen – das ist wie eine Therapie! Da unsere Bewohner hauptsächlich vom Dorf kommen, fühlen sie sich in dieser kleinteiligen Umgebung zu Hause. Und das, zusammen mit der täglichen Beschäftigung auf dem Hof, fördert das Wohlbefinden. Vor diesem Hintergrund nehmen wir keine Pflegefälle an. Wenn unsere Betreuten jedoch zum Pflegefall werden sollten, dann werden sie von uns bis zu ihrem Tod hier im Heim gepflegt.“ Problematisch ist, dass von den 30 Heimplätzen derzeit acht Heimbewohner keine Pension beziehen und somit auch das Heimgeld nicht aufbringen können. Trotzdem lässt man sich hier nicht entmutigen und bearbeitet zusätzlich zu dem Kirchengrund noch weitere drei Hektar Land, die die Diakonie selbst gekauft hat. Eine der zehn Angestellten des Heimes ist die in Hermannstadt zur Altenpflegerin ausgebildete Anni Depner. Die 38-jährige Hetzeldorferin ist seit 22 Jahren dabei und erzählt stolz davon, dass man hier versucht, möglichst viel selbst herzustellen: „Jeden Tag gibt es um 13 Uhr Mittagessen, und es wird jeden Tag frisch gekocht. Wir essen, was wir am Vormittag mit unseren Bewohnern geerntet haben, so dass alle Anteil daran haben – und das tut insbesondere unseren Heimbewohnern gut. Natürlich müssen wir auch Produkte dazukaufen, wie Wurst und Brot, aber zu Weihnachten und zu Ostern backen wir selbst: Hunklich und Strätzel. Darüber freuen sich alle sehr!“

Ehrenamtliche Unterstützung

Brita Baumgärtel, pensionierte Diakonie­-schwester aus Herrenberg bei Stuttgart, ist für einen Monat als ehrenamtliche Urlaubsvertretung da. Die 71-Jährige war als Abgesandte der Mediascher Partnergemeinde im Oktober 2013 in Hetzeldorf und hatte sich kurzerhand entschieden, während der Urlaubszeit in 2014 auszuhelfen. „Es ist ganz anders, als ich es mir vorgestellt habe! Im Vergleich zu deutschen Altenheimen ist hier wenig Pflege erforderlich, denn alle Heimbewohner können beispielsweise selbst essen. Erfreulicherweise ist der Dokumentierungsaufwand auch deutlich geringer als in Deutschland. Auf jeden Fall finde ich es toll, wie der Heimleiter Jenó Banyai die Betreuten motiviert, auf dem Hof mitzuhelfen. Mich fasziniert diese Form der Altenpflege, dass die Leute hier ihren Fähigkeiten entsprechend eingesetzt werden, das imponiert mir sehr“, hebt die freundliche und unkomplizierte Deutsche hervor. Brita Baumgärtel war zehn Jahre in Afrika und die Erfahrungen, die sie dort gesammelt hat, helfen ihr nun bei diesem Aufenthalt: „Hier muss man als Altenpflegerin universell einsetzbar sein. Ich mache hier, was auch die anderen beiden Schwestern machen. Wenn gerade keine pflegerische Arbeit anfällt, mache ich hier auch die Zimmer sauber. In Deutschland hat das nie zu meinen Aufgaben gehört.“ Die Diakonieschwester feiert in diesem Jahr ihr 50-jähriges Jubiläum und blickt doch jugendlich-neugierig auf ihr Leben. „Ich verständige mich hier notfalls mit Händen und Füßen“, lacht sie und räumt dann ein: „aber ohne Anni und ihre Übersetzungen wäre es nicht zu schaffen. Trotz der Sprachbarrieren zwischen mir und meinen überwiegend rumänischen Kolleginnen und Kollegen ist das Miteinander sehr herzlich und wir lachen viel.“ Schließlich resümiert sie: „Auch wenn die Arbeit hier wirklich hart ist, so ist die Zeit für mich ganz arg wichtig!“ Diese Einblicke sind stellvertretend für all die Arbeit, die in unseren diakonischen Einrichtungen geleistet wird und die dazu führt, dass sich die Bedürftigen, aber auch die diakonisch Wirkenden in unserer Kirche geborgen fühlen. Wenn Sie die diakonische Arbeit unserer Heimatkirchen bei der Erfüllung ihrer vielfältigen Aufgaben unterstützen möchten, können Sie sich telefonisch (0040-269) 217864, oder per E-Mail: ekr.landeskon[ät]evang.ro an das Landeskonsistorium der Evangelischen Landeskirche wenden. Schließlich sei allen haupt- und ehrenamtlich in diakonischen Einrichtungen Tätigen mit den Worten unseres Bischofs Reinhart Guib „für ihren aufopfernden Einsatz gedankt und somit für Liebe und Geborgenheit, Wert und Würde, die sie vielen Menschen schenken und damit unsere Kirche menschennah und erfahrbar machen!“

Moni Schneider-Mild

Schlagwörter: Diakonie, Mediasch, Soziales

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