12. Januar 2008

„Puer natus“: Weihnachtsbrauch aus Scharosch an der Kokel

Vor fünf Jahren wurde ein weihnachtlicher Brauch, das „Puer natus“ aus Siebenbürgen, in Drabenderhöhe eingeführt. Auch in diesem Jahr folgten zahlreiche Bewohner der Siebenbürger-Sachsen-Siedlung der Einladung am Abend des 14. Dezember in den „Robert-Gassner-Hof“. Ein­geladen hatten gemeinsam, wie immer in den letzten Jahren, das Altenheim Drabenderhöhe, der Adele-Zay-Verein, die Kreisgruppe Dra­ben­der­höhe und die Heimatortsgemeinschaft Scha­rosch.
Trotzdem war es nicht wie immer, denn der Initiator dieses Brauches aus Siebenbürgen, Johann Widmann, war am Tage zuvor zu Grabe getragen worden. Ehe er ins Krankenhaus kam, hatte er den Verantwortlichen das Versprechen abgenommen, den vor fünf Jahren eingeführten Brauch fortzuführen. Er hatte sogar den „Eimer“ Wein für die „Adjuvanten“, den er immer privat gespendet hatte, schon vorbereitet. Leider konnte er die Veranstaltung nicht mehr miterleben.

Feierlich erklang zu Beginn vom „Turm der Erinnerung“ die bekannte, vom Blasorchester Siebenbürgen-Drabenderhöhe gespielte Melodie „Vom Himmel hoch, da komm ich her“. Aus der Dun­kelheit kamen die Besucher in den hell erleuchteten Innenhof, am hell erleuchteten Turm zu dem (für das „Puer natus“ gebräuchlichen) „Ein Kind ist uns geboren“ – alte Gesänge, abwechselnd in lateinischer und deutscher Sprache.



Die Mitglieder der Heimatortsgemeinschaft Scharosch an der Kokel übernahmen mit Sängerinnen und Sängern des Honterus-Chores den Part der Vor­sänger. Die Bläser des Blasorchesters unter der Leitung von Jürgen Poschner spielten die Melo­dien, die Besucher stimmten mit ein und sangen die für die Gemeinde bestimmten Strophen von den ausgehändigten Blättern. Zum Ablauf der Feierstunde gehörte, neben bekannten Weih­nachts­liedern, die Lesung des Weihnachtstextes aus dem Lukasevangelium, die der Leiter des Altenheims, Hans Klein, vornahm.

Gedenken an den Initiator des Weihnachtsbrauchs aus Scharosch

Der Vorsitzende des Adele-Zay-Vereins, Kurt Franchy, würdigte den verstorbenen Johann Wid­mann und ging dann in seiner Ansprache auf die Bedeutung der Geburt des Jesuskindes ein: „Unser Lebensweg verläuft immer zwischen Freude und Leid. Hier sind wir versammelt, um mit dem Klang der Glocke, mit dem Ruf der Bläser vom Turm, mit unserem Wort und Gesang den Menschen zu verkünden: Uns ist ein Kind geboren, ein besonderes Kind, in dem Gott sich unserer Welt offenbart. Gestern haben wir uns am Friedhof mit der Familie Widmann um das offene Grab versammelt, in das wir den Begrün­der dieser nun zur Tradition gewordenen Feier des Puer natus legen mussten. Er, Euer Gatte und Familienvater, der Nachbarvater der Her­mann­städter Gasse und Förderer der Gemein­schaft der hier am Ort lebenden ehemaligen Scharoscher, ist nach kurzer, aber schwerer Krankheit von uns gegangen. Wahrscheinlich ahnte er, dass er an diesem Abend nicht dabei sein würde, und bat eindringlich, dass wir ja nicht vergessen sollten, den urchristlichen Gesang von der Geburt unseres Herrn Jesus Christus auch in diesem Jahr hier für die Menschen im Altenheim und für uns, die aus unserem Ort Her­beigekommenen, zu Gehör zu bringen. Jo­hann Widmann war wie viele andere unserer Lands­leute aus Siebenbürgen mit diesem Wech­sel­ge­sang aufgewachsen. Als Kind hatte er ihn vernom­men, als Jugendlicher und erwachsener Mann hat er selber mitgesungen und hier in dem Bemühen, das Puer natus einzuführen, nicht nach­­gelassen. Darum wollen wir an ihn denken und ihm danken, dass er so konsequent für die Wiederaufnahme dieses Brauches eingetreten ist.

In diesen Wochen vor Weihnachten werden wir durch das Kerzenlicht auf dem Adventkranz, durch die vielen Tausend Lichter auf Bäumen, Lichtmasten und in den Fenstern der Menschen an das Wunder erinnert, dass Gott, der Schöpfer und Erhalter dieser Welt, sich in einem Kind in der Krippe uns offenbart. (...) Das Puer natus will uns heute wieder daran erinnern, dass Gott uns in dieser oft so gefährlichen und für viele Men­schen traurigen Welt nicht allein gelassen hat. Er hat uns große Freude bereitet und hat uns Hoffnung über das Grab hinaus gegeben. (...) Wir sehen dem kommenden Heiland, dem Christtag froh entgegen und wir alle, die wir alt, krank oder traurig sind, dürfen hoffnungsvoll unsere Häup­ter erheben, denn unsere Erlösung naht. Amen.“

Zum Abschluss bedankte sich Enni Janesch, Vorsitzende der Kreisgruppe Drabenderhöhe, bei den Mitgestaltern und den Gästen. Sie erinnerte an den „Vater der Siedlung“, dessen Namen nun der Innenhof des Altenheimes trägt. Sie war überzeugt, dass Robert Gassner sich über den in Drabenderhöhe eingeführten Brauch bestimmt gefreut hätte. Ganz besonders bedankte sie sich bei der Volkstanzgruppe Dra­benderhöhe, die unter der Leitung von Chris­ta Brandsch-Böhm, Melanie Thalmann und Michael Schneider selbst gebackenen Hanklich, Schmalz­brote und Glühwein anbot. Noch lange stand man nach der Veranstaltung bei Gesprächen in kleinen Grüppchen zusammen. Die Anwesenden waren sich einig: Der Brauch aus Siebenbürgen hat im Jahresablauf in Drabenderhöhe dank der Initiative von Johann Widmann seinen Platz gefunden.

Enni Janesch

Schlagwörter: Drabenderhöhe, Brauchtum, Weihnachten

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