20. Februar 2003

Wem soll das Brukenthal-Museum gehören?

In der "Siebenbürgischen Zeitung" wird oft über die ungerechte Enteignung der Sachsen, ihre Deportation in die Ukraine und vieles andere berichtet. Man neigt im Allgemeinen dazu, das Beschämende auszuklammern. Die Siebenbürger Sachsen sind jedoch nach Ansicht von Dr. Thomas Nägler glaubwürdiger, wenn sie nicht nur nach ihren Wunden seit 1944 forschen, sondern das gesamte Geschehen erörtern. Im Folgenden geht der Historiker auf den neu erhobenen Wunsch, das Brukenthalmuseum in Hermannstadt den testamentarischen Erben zurückzuerstatten, ein.
Im so genannten „Reich“ gab es nur eine soziale Schicht, die sich von 1933 bis 1945 nicht gleichschalten ließ: der Adel. Bei uns war es die Evangelische Kirche A.B. in Rumänien. Natürlich gab es Ausnahmen, wie immer und überall.

Die Evangelische Kirche Rumäniens musste nach 1944 so manches hinnehmen. Durch die Verstaatlichung von Kulturinstitutionen und Schulen haben wir nicht nur den Besitz, sondern auch einen Teil unseres Bewusstseins verloren. Sächsische Museen, Archive usw. wurden durch staatliche Willkür enteignet. Im Folgenden behandeln wir lediglich ein Aspekt diese komplexen Prozesses: den neu erhobenen Wunsch auf Brukenthals Erbe, sein Museum den testamentarischen Erben zurückzuerstatten.

Die Rückgabe des Brukenthalmuseums an die Hermanstädter Stadtpfarrkirche bedeutet nicht eine schlichte Wiedergewinnung von sächsischem Kulturvermögen. Von einem höheren Ast des siebenbürgischen Lebensbaumes betrachtet geht es vor allem um die Mitbeteiligung des früheren Besitzers an der Bewahrung von besonderem Kulturgut. 200 Jahre nach dem Tode Brukenthals sind wir alle Erben des Barons, nicht nur der rumänische Staat.

Gerechtigkeit und Fleiß müssen vergütet werden. Was Rumänien seit 1948 – durch die Arbeit „aller Werktätigen“ – in das Museum investiert hat, soll gerecht „geschätzt“ werden, wie bei einer Erbteilung unter Brüdern. Nicht nur die vielen Millionen von Inventarnummern der alten und neuen Register des in mehrere Abteilungen gegliederten Museums (einschließlich der Volkskunst, die vom „Astra“-Museum für bäuerliche Technik übernommen wurde, sowie des Museums für Naturwissenschaften, das hinzukam), sondern auch die nicht verewigten Personen von 1948 bis 2003 dürften als Zeugen auftreten.

Ich gehörte zu den jüngeren Historikern der Geschichteabteilung, die in dieser Institution von 1962 bis 1969 gedient haben. Nicolae Lupu hatte Dr. Julius Bielz, aber auch die Familie Guist (Aufseher, Pförtner, usw.) und andere angetroffen und als Angestellte behalten. Der Sprachwissenschaftler Lupu (Griechisch und Latein), praktizierender Archäologe, war zwei Jahrzehnte lang Direktor des Museums, bis er nach dem Gemälderaub 1968 beseitigt wurde. Ich folgte ihm ins Institut der Akademie und zur Hochschule in demselben Hermannstadt. Dr. Lupu sprach fließend mehrere Sprachen, außer deutsch redete er auch einige Sätze sächsisch mit uns. Unter Lupus Zepter wurde kein Sachse verdrängt oder benachteiligt, er war ein begabter Menschenkenner, der von der laufenden Politik nicht viel hielt. Nun ist Nicolae Lupu tot und „seine“ Sachsen sind verstorben oder nach Deutschland ausgewandert.

In den vorigen Gedanken wurde die rechtliche Seite der Rückgabe des Museums an die evangelische Kirche nicht behandelt. Wäre im Jahre 1990 sofort die Rückgabe des alten Besitztums der Sachsen erklärt worden – für eine praktische Durchführung war damals nicht Zeit – d.h. also der Häuser, Fabriken, Apotheken, Banken, des Boden usw., dann könnten wir noch von einer sächsischen Nation im Sinne von Georg Daniel Teutsch sprechen. Viele wären in der „alten“ Heimat geblieben, ohne die „uralte“ als Mutterland zu vergessen. Oder auch nicht.

Einzelheiten der juristischen und parlamentarischen Auseinandersetzungen überlasse ich den Befugten. Ein Ko-Possessorat an den Sammlungen, dem Besitz der 1948 bestehenden Einrichtungen, eine finanziell abgesicherte Grundlage des Weiterbestehens und der Fortentwicklung der wichtigsten sächsischen Kulturinstitution ist berechtigt. Beschaffungen und Veröffentlichungen sollten allesamt zweisprachig sein wie vor 1968. Die Evangelische Kirche in Deutschland, das Siebenbürgische Museum in Gundelsheim, die Landsmannschaft und vor allem der Aufsichtsrat des Brukenthalmuseums sollte die Qualifizierung der Angestellten stets im Auge behalten.

Ein solch hervorragendes Museum muss sich durch Ausstellungen und vor allem durch echte Restaurierung der vielfältigen Sammlungen auszeichnen. Vergleicht man die Anzahl der Fachkräfte und die finanzielle Absicherung mit der Lage im Westen, so ist die Lage in Rumänien umgekehrt. Hier gibt es zu viele Museologen. Das Geld wird vor allem für die Vergütung des Personals verbraucht, das mündliche Führungen durch die Ausstellungen durchführt (kaum noch in deutscher Sprache) und die Ausstellungen durch wenige „Techniker“ meist selbst zeigt. Es ist Sache eines Architekten und eines Handwerkerbetriebes, die Ausstellungen in den Raum zu setzten. Das nennt man auch bezahlte Fremdarbeit an technische Betriebe. Die vorhandenen Laboratorien für Restaurierungen haben ebenfalls Personal, aber wenig Geld für Technik und Chemikalien.

Nach 1968 ist die Zahl der Veröffentlichungen zurückgegangen und nach 1990 fast nichts mehr erschienen, das dem Namen des Museums Ehre machen würde. Bücher schreiben die Museologen in eigenem Namen und zahlen meist auch die Druckkosten.

Das Brukenthal-Museum nennt sich zurzeit „Nationalmuseum“. Wenn damit eine höhere Gehaltsstufe der Angestellte angepeilt wurde, so kann man es noch verstehen. Das Museum in Sankt Georgen (Sfantu Gheorghe, Kreis Covasna) nennt sich „Muzeul Național Secuiesc“. Für das Brukenthalmuseum erwarte ich nicht den Namen „Muzeul Național Săsesc“, dafür aber sächsische Mitglieder im Leitungsrat sowie eine europäische Ausrichtung im Sinne der Aufklärung, der sich Samuel von Brukenthal verschrieben hatte. Das Lieblingskind des Barons war die Bibliothek, die heute fast nur noch durch Bücherspenden bereichert wird.

Eine Übernahme des Hermannstädter Brukenthal-Museums durch die evangelische Kirche bedeutet eine rechtliche Wiedergutmachung, die weise vollzogen werden sollte. Eine rechtliche Übernahme ohne inhaltliche Änderungen kommt einer Übertünchung gleich, die beim ersten Regenguss weggespült wird.

Bei der Verstaatlichung des Brukenthalmuseums gingen auch Kunstschätze der vielen Kirchengemeinden, die im Museum aufbewahrt worden waren, ohne ihm zu gehören, in Staatsbesitz über. Der erste Gemälde- und Bücherraub von 1948 durch Bukarest im Zuge der Nationalisierung müsste ebenfalls rückgängig gemacht werden. Auch andere sächsische Institutionen wurden nach 1944 entfremdet. Ich erachte es als vorrangig, diese gleichfalls ihren früheren Besitzern zurückzuführen.

Prof. Dr. Thomas Nägler



Schlagwörter: Brukenthalmuseum, Museum, Brukenthal

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