6. September 2004

Prof. Heinz Acker: "Pulsierendes Leben in Siebenbürgen"

Aus Hermannstadt stammen sie und nach Hermannstadt waren sie gekommen, die Mitglieder der weit verzweigten Familie Georg zu einem Familientreffen der besonderen Art. Gekommen waren nahezu 50 Personen, die Georgs aus Gummersbach und Bad Hersfeld, aus Berlin, München, Frechen, Wuppertal und Köln, die Hennings und Dietenhofen aus Bad Hersfeld, die Ackers aus Heidelberg und Freiburg sowie die Hoffmanns aus Velbert. Ein fröhliches Völkchen auf den Spuren der Vorfahren. Der bekannte Musikpädagoge und Komponist, Prof. Heinz Acker, berichtet.
Das Hauptquartier hatten sie in der "Evangelischen Akademie Siebenbürgen" (EAS ) in Neppendorf bezogen. Mit ihren freundlichen Gästezimmern, den gut ausgestatteten Tagungsräumen und der hervorragenden Küche bietet die Akademie ein nahezu ideales Ambiente auch für derartige Unternehmungen, dies auch zur Freude des emsigen Akademieleiters, Dr. Jürgen Henkel. Hans Henning, der Organisator des Treffs, hatte keine weiten Wege zu bewältigen. Als Leiter der neu gegründeten Tochterfirma des Bad Hersfelder Bauunternehmens H. Kirchner, die vorrangig Straßen in Rumänien baut, hat er sein Büro eben hier in der Neppendorfer Akademie aufgeschlagen.

Den Spuren der Vorfahren wollte man bei diesem Treffen folgen. Freilich nicht nach Konstantinopel, wohin ein Vorfahr als Angestellter der Orient-Eisenbahn geraten war. Sein Sohn aber, Lehrer Wilhelm Georg, war eine bekannte Stadtpersönlichkeit Hermannstadts, der Urahn aller Anwesenden.

Ein erster Abstecher führte nach Großau, wo ein Vorfahr der Hennings als Pfarrer gewirkt hatte. Die wunderbar hergerichtete Kirchenburg erklang vom ausgelassenen Spiel, und fröhlichen Gesang der Gäste. Wenn die Georgs zusammenkommen, dann steht spontan ein vielstimmiger Chor samt Orchester zur Verfügung. So wurde in der prächtigen Kirche Bachs „Jesu meine Freude“ (aus der Kantate Nr. 147) mit Chor und Instrumenten aufgeführt. Im Pfarrgarten erklangen die vierstimmigen Lieder von Urgroßvater Karl Reich, wie etwa das zum Volkslied gewordene „Angderm Lierber soß ech ist“. Ein eigens für diesen Anlass komponierter Kanon „Hallo, gade Morjen, ce faci... ?“ (Heinz Acker) führte die jüngsten, nicht mehr in Siebenbürgen geborenen Nachfahren der Georgs in die Grundbegriffe der drei Landessprachen - rumänisch, ungarisch und sächsich - auf witzige Weise ein. Erstaunlich viele Störche klapperten dazu vom Kirchdach gütigst Beifall. „Es gibt jetzt mehr Störche als Sachsen im Ort“, meinte humorvoll Samuel Hutter, der Glöckner von Großau, der es wissen muss. Als Überraschung war für den Abend eine Dichterlesung mit Eginald Schlattner angesagt. Tina Henning, Lektorin eines süddeutschen Verlags, leitete das Gespräch mit dem Schriftsteller, das so spannend und intensiv verlief, dass es zu einer Lesung nicht mehr kam.

In Hermannstadt besuchte man den Sonntagsgottesdienst in der nahezu vollbesetzten (!) Stadtpfarrkirche und ein ebenso gut besuchtes Orgelkonzert von Franz Metz (München) oder ein Kammermusik-Konzert im Spiegelsaal des Forums (Marius Ungureanu/Viola und Verona Maier/Klavier ). Man staunte über das pulsierende Leben Hermannstadts, dieser allenthalben im Aufbruch befindlichen Stadt und ärgerte sich über die vielen Baustellen, die bereits auf die sich rüstende Kulturhauptstadt Europas (2007) hinweisen.

Ein Mietbus führte die Gesellschaft nach Kerz, das malerische Dorf am Alt, zu dem eine besonders innige Familienbeziehung besteht, waren doch Urgroßvater Karl Reich, Stammvater Willi Georg und dessen Sohn Konrad Georg – übrigens der älteste Teilnehmer des Treffens - hier als Pfarrer oder Lehrer tätig gewesen. Pfarrer Misch Reger führte gekonnt durch die berühmte Zisterzienserabtei und berichtete in bewegenden Worten über das kirchliche Leben dieses Ortes mit besonderem Überlebenswillen. Die Weiterfahrt bei strahlendem Wetter in die faszinierende Bergwelt der Südkarpaten war ein Muss und besonderes Erlebnis für alle. Auch hier ein beeindruckender Neubeginn. Eine Rückkehrer-Familie hat die abgebrannte obere Bulea-Hütte wieder aufgebaut und zu einem prosperierenden Betrieb gemacht. Ein wahrer Geheimtipp für Bergfreunde aus ganz Europa. Die nächste Tagesfahrt führte über Reußen und Mediasch nach Schäßburg in Orte, in denen Georgs und Reichs als Lehrer und Pfarrer gewirkt hatten.

Beim Abschiedsabend in Neppendorf stand nach einer an Ereignissen prall gefüllten Woche für alle fest: Es waren wunderbare Tage des (sich) Wiederfindens, ein Eintauchen in eine vergangene und neue Welt, reich an Erlebnissen und Emotionen, an denen man noch lange zehren wird. Und spätestens 2007 wird man sich in der Kulturhauptstadt Europas wieder treffen, so der allgemeine Tenor aller Teilnehmer.

Individuelle Urlaubsplanungen spalteten die weiteren Reiseziele auf, teils zurück in die heimatlichen Gefilde, teils weiter an die Schwarzmeerküste oder nach Kronstadt und Ilieni, wo eine ehemalige Kirchenburg zu einer hervorragend funktionierenden Christlichen Begegnungsstätte (Christliche Stiftung für Jugend und Diakonie / KIDA) ausgebaut wurde, ein weiterer Geheimtipp für größere Gruppen-Projekte.

Gedanken auf dem Rückflug : Siebenbürgen ist in der EU bereits angekommen, in sehr vielem, in manchem allerdings noch lange nicht. Erlebenswert ist es allemal!

Prof. Heinz Acker


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