26. Juli 2023

Kirchenburgen: erhalten oder aufgeben? Das zweite „Kirchenburgen-Gespräch“ des Jahres erörterte Möglichkeiten

Die Kirchenburgen Siebenbürgens zeugen von der bewegten Geschichte der Siebenbürger Sachsen und der ansässigen Bevölkerung. Die Kirchen wurden in vergangenen Zeiten zusammen mit weiteren Befestigungsanlagen dafür genutzt, sich vor Feinden zu schützen – heute schmücken die rund 160 erhaltenen Kirchenburgen Städte und Dörfer, von denen sieben zum UNESCO-Weltkulturerbe gehören. Doch die Evangelische Kirche A.B. hat noch keine Lösung für den Erhalt und die Restaurierung aller kirchlicher Gebäude, allen voran den Kirchenburgen, gefunden. Aus diesem Problem heraus entwarf die rumänische Stiftung Kirchenburgen die „Kirchenburgen-Gespräche“. Im zweiten Kirchenburgen-Gespräch des Jahres wurde Mitte Juni darüber diskutiert, ob und wie die Kirchenburgen in Siebenbürgen erhalten und restauriert werden können.
Die Stiftung Kirchenburgen und der Verein ...
Die Stiftung Kirchenburgen und der Verein Europäische Jugendburg engagieren sich für den Erhalt der Kirchenburg Holzmengen; kulturelle und touristische Projekte bringen neues Leben in die mittelalterlichen Mauern. Drohnenaufnahme von Rudolf Girst
Zugespitzt formuliert hieß das Thema des Abends: „Behalten versus Veräußern – Welche Strategie dient dem ­Erhalt der Kirchenburgen?“ Zu der Diskussion wurden zwei Gäste eingeladen: Dr. Bruno Fröhlich, Bezirksdechant und Stadtpfarrer von Schäßburg/Sighișoara, sowie Arne Franke, Kunsthistoriker und Denkmalpfleger aus Berlin. Fröhlich ist für 84 Kirchen im Schäßburger Bezirk verantwortlich – Franke befasst sich seit vielen Jahren mit den Kirchenburgen in Rumänien und brachte bereits mehrere kunsthistorische Publikationen über Siebenbürgen heraus.

Sorgenkinder unter den Prestigeobjekten

Stadtpfarrer und Bezirksdechant Bruno Fröhlich erläuterte zu Beginn, dass der Zustand der sogenannten Prestigeobjekte in seinem Schäßburger Bezirk besser als vor zehn bis fünfzehn Jahren sei und „so ziemlich alle“ dieser Gebäude hergerichtet seien. Man habe jedoch auch Sorgenkinder, wie die Kirche in Schaas, die auf sumpfigem Untergrund stehe und schwere Mängel aufweise. Sie bedürfe intensiver Restaurierungsarbeiten, die nicht mit tausend oder zehntausend Euro zu bewerkstelligen wären. Bezüglich der Frage, wer die Verantwortung für die kirchlichen Gebäude trägt, erklärte Fröhlich: „Eigentümer sind die Kirchengemeinden. Ideal wäre es, wie es das einmal gegeben hat, dass sie alle eigenständig sind und ihre Immobilien selber verwalten.“ Leider sei das nur noch bei ganz wenigen Gemeinden der Fall.

Deswegen werden die meisten Gemeinden vom Bezirkskonsistorium verwaltet, auch in rechtlichen Belangen. „So vertrete ich als Pfarrer von Schäßburg den Eigentümer, die Kirchengemeinde Schäßburg. Als Dechant des Schäßburger Bezirkes vertrete ich aber 84 Ortschaften. Selbst wenn ich das wollen würde, bräuchte ich ein halbes Jahr, bis ich alle bereist und überall eine Bestandsaufnahme gemacht habe“, so Fröhlich. Prinzipiell sei er dafür, dass sich Gemeinden, Heimatortsgemeinschaften und andere Gruppen eigenständig um die Gebäude kümmern, so lange dies funktioniert.

Kunsthistoriker und Denkmalpfleger Arne Franke machte im Gespräch deutlich, dass er eine treuhändische Verwaltung als beste Lösung sehe – für eine langfristige Instandhaltung und Nutzung aller Kirchenburgen und denkmalgeschützten Gebäude der Kirche. In Deutschland würde man erst mal von einer zentralen Verwaltung der Objekte der Evangelischen Kirchen A.B. ausgehen, erläuterte Kunsthistoriker und Denkmalpfleger Franke, „aber so ist es ja nicht.“ Das große Problem sei, dass die Dechanten und die einzelnen Pfarrer zurzeit die Fürsorge für die Objekte trügen und „mit den denkmalpflegerischen Aufgaben vielleicht etwas überfordert sind.“ Ein „Trust“ könnte die denkmalgerechte Pflege und Verwendung kircheneigener Gebäude zentral verwalten und Nutzungskonzepte erstellen.
Stiftung Kirchenburgen, Verein Churchfortress und ...
Stiftung Kirchenburgen, Verein Churchfortress und HOG arbeiten Hand in Hand, um die Kirchenburg Hundertbücheln schrittweise zu reparieren. Foto: Rudolf Girst
Die rumänische Stiftung Kirchenburgen könnte die Immobilien übertragen bekommen oder eine neu gegründete Stiftung – in enger Zusammenarbeit mit anderen Stiftungen, die sich bereits für das architektonische Erbe der Siebenbürger Sachsen engagieren. Die rechtlichen Aspekte sowie die Finanzierung eines solchen Vorhabens müssten allerdings noch geklärt werden. Außerdem dürften, um das „Kulturgut Kirchenburgenlandschaft“ zu erhalten, keine Kirchenburgen und keine weiteren denkmalgeschützten Objekte der Kirche veräußert werden. Ein Verkauf könne zwar potentiell für den denkmalgerechten Erhalt der Gebäude sorgen, doch die Zukunft der Gebäude sei damit nicht gesichert, so Franke. Weiter führte er aus, es sei ein gesamteuropäisches Problem, dass man sich um kirchliche Gebäude nicht ausreichend kümmere – vor allem bedingt durch den Rückgang an Gläubigen und Gemeinden. Er kenne diese Probleme beispielsweise aus Frankreich, England und Polen, wo sie mittlerweile von verschiedenen Organisationen angegangen würden, die vorbildlich für Siebenbürgen sein könnten. In England etwa gebe es sehr viele Aktivitäten rund um den Erhalt historischer Objekte, allen voran den „National Trust“. Dieser kümmert sich mitunter um den Erhalt und die Nutzung von Schlössern und Herrenhäusern, um die sich der Adel aus finanziellen Gründen nicht mehr kümmern konnte. Der „Trust“ habe sich mit den ehemaligen Besitzern arrangiert, so „wohnen oftmals die Familien immer noch in einem Teil dieser Häuser“, erzählte Franke.

Darüber hinaus spreche nach einer treuhändischen Übernahme der Immobilien nichts dagegen, dass sich beispielsweise eine Heimatortsgemeinschaft (HOG) um ihre Kirche kümmert. „Im Gegenteil“ – eine neue Stiftung oder die erweiterte Stiftung Kirchenburgen würde froh darum sein, wenn es jemanden gebe, der sich vor Ort um die Gebäude kümmert. Als weitere Organisation zählte er die Organisation „Safe Britain’s Heritage“ auf, die seit 1975 aktiv ist und „auch sehr viele unrentable Objekte übernommen hat, in Zusammenarbeit mit dem ‚Landmark Trust‘, der eine wirtschaftliche Verwertung von solchen Objekten angehe.“ Die Organisation sei ein großer Erfolg. Beispielsweise wären als unrentabel geltende Leuchttürme zu kostspieligen Ferienwohnungen umgebaut worden.

Zuletzt nannte Franke den „Churches Conservation Trust“, der Objekte, die ursprünglich der Kirche gehörten, pflegt und eng mit der Kirche zusammenarbeite. Er könnte eine Art Vorbild sein, mit über 350 übernommenen Kirchen und einer Vielzahl an Mitarbeitern – die er bei der Gründung 1969 noch nicht hatte. Circa 1700 Freiwillige arbeiten nach Angaben des Churches Conservation Trusts jährlich für die Organisation. „Das kennen wir von ‚Workcamps‘ bei uns auch. Da kommen Freiwillige, nicht nur externe, sondern auch aus der Region“, meinte Franke. In Trappold beispielsweise hole sich Sebastian Bethge Leute, die mit einem kleinen Entgelt, beziehungsweise Mittagessen, bezahlt würden. Ein weiterer Vorschlag des Kunsthistorikers und Denkmalpflegers: „Warum macht man in Siebenbürgen nicht mal eine internationale Konferenz zu diesen Problemen?“ Länder wie Frankreich, England oder Polen könnten dort ihr Wissen weitergeben, auch zu möglichen Nutzungskonzepten für die Gebäude.

Skepsis gegen Zentralisierung

Bruno Fröhlich stand der Idee eines „Trusts“ im Allgemeinen positiv gegenüber – eine vollständige, treuhändische Verwaltung der kirchlichen Immobilien sehe er aber skeptisch: „Bei uns ist es so, dass die Eigentümer dieser wertvollen Immobilien – Kirchen, Pfarrhäuser, Kulturhäuser – die Gemeinden sind, das heißt die Kirchengemeinden vor Ort.“ Da nur noch wenige Gemeinden eigenständig seien, gehe es in der heutigen Zeit nicht mehr ohne eine gewisse Dosis an Zentralisierung.
Kirchenburg Großkopisch: die Stiftung ...
Kirchenburg Großkopisch: die Stiftung Kirchenburgen und der Verein Pro Großkopisch sammeln derzeit Spenden für die Reparatur des Turmdaches. Foto: Ovidiu Șopa
„Wir sind dankbar dafür, dass wir in den letzten Jahren auch damit überlebt haben, dass nicht von oben gesagt wurde, wo es langgeht. So lange sich die Sachsen selber verwaltet haben, hat die Pflege kirchlicher Gebäude funktioniert, wenn es Leute vor Ort gab und alle Verantwortlichen ihren Beitrag geleistet haben. Bei uns hat diese Demokratie an der Basis, wenn man so will, wirklich funktioniert, über Jahrhunderte hinweg“, so Fröhlich. Ab dem Moment, als man begonnen habe, von ganz oben zu delegieren, hätten die Zerfallserscheinungen so richtig eingesetzt. „Deswegen ist unsereins etwas skeptisch, wenn wir Zentralisierung hören“, so Fröhlich. „Aber unser großes Problem ist ja dort, wo wir keine Menschen mehr vor Ort haben und damit auch keine Gemeinden. Wo wir noch zwei, drei, sieben Personen vor Ort haben, die aber schon alt sind oder auch jünger, aber im Ausland arbeiten müssen, um ihr Geld zu verdienen. Dort würde wahrscheinlich so ein Trust greifen, dem möchte ich mich gar nicht verschließen. So lange man eine Kirche für geistliche Zwecke nutzen kann, soll man es tun, wenn es nicht mehr geht, ist es wieder eine andere Frage. Das ist eine Gratwanderung.“

An dem Punkt hakte Arne Franke mit dem Vorschlag ein, eine reduzierte Stiftung aufzustellen, „das heißt eine Stiftung, die vor allem die Problemfälle übernimmt, Kirchenburgen wie auch andere kirchliche Gebäude.“ Fröhlich wiederum erklärte, dass dies in ähnlicher Art schon umgesetzt worden sei: „Mit dem Dächerprogramm, gefördert durch den deutschen Staat, konnten wir zumindest im Schäßburger Bezirk drei Kirchen für die nächsten zehn, zwanzig Jahre retten. Nun haben wir in unserem Bezirk eigentlich nur noch Belleschdorf, wo wir eine Ruine haben.“ Außerdem merkte Fröhlich bezüglich erweiterter Nutzungskonzepte der kirchlichen Gebäude an, dass es wohl steuerrechtliche Probleme geben würde, wenn man kirchliche Gebäude ökonomisch nutzt. „Die kirchlichen Gebäude sind von der Grundsteuer befreit, aber in dem Moment, wenn dort ökonomische Aktivitäten drin sind, werden sie plötzlich steuerpflichtig.“

Zum Schluss des Kirchenburgengesprächs wurde noch auf einige Publikumsfragen eingegangen, wie die Frage, ob es durch die kirchliche Struktur rechtlich zulässig ist, dass eine Managementfirma oder Stiftung die Gebäude treuhändisch verwaltet oder eine Anpassung der Kirchenordnung notwendig ist, worauf Fröhlich erklärte, dass dies die existierende Kirchenordnung hergeben würde.

Eine weitere Publikumsfrage lautete: Kann die deutsche Stiftung Denkmalschutz hier in Siebenbürgen Entwicklungshilfe leisten? „Das ist eine Frage, die ich ziemlich eindeutig mit ‚Nein‘ beantworten kann“, so Franke. „Wobei ich natürlich sage: leider“. Das gebe die Stiftungssatzung wohl nicht her. Eine Kooperation sei prinzipiell möglich und eine unabhängige Tochterstiftung denkbar. „Heute ist es meiner Einschätzung nach so, dass die Stiftung Denkmalschutz sagen würde, dass sie in Deutschland genug zu tun hat. Aber ich glaube, wenn man sie beispielsweise zu einer Tagung einladen würde, würde sie jemanden schicken, der dann sagt, wir haben ein gewisses Knowhow und können euch sagen, wie man so was aufziehen könnte. Das könnte man mit dem National Trust auch probieren“, so Franke.

Silas Verchau (Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien)

Schlagwörter: Kirchenburgen, EKR, UNESCO, Stiftung Kirchenburgen

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