14. November 2004

Oskar Pastior im Akademischen Kunstmuseum in Bonn

"Ton tut Not" - was bei Oskar Pastior (geb. 1927 in Hermannstadt, seit 1969 freier Schriftsteller in Berlin) fast schon als poetisches Credo gelten könnte, kam am 26. Oktober im Akademischen Kunstmuseum in Bonn virtuos zum Einsatz.
O.P. las, und viele waren gekommen, diesem so eigenwilligen Sprachkünstler, dessen Werk sich dem poetischen Laien eher ver- als erschließt, zu lauschen. Einladende war die Kulturfrau Karin Hempel-Soos, Geschäftsführerin des Hauses der Sprache und Literatur, die O. Pastior nach eigenem Bekunden fünfzehn Jahre hinterher war und ihn nun endlich, am Ziel ihrer Wünsche angelangt unter den "schönsten Männern von Bonn" den "Göttern" überlassen konnte.

Aber die hat Pastior nicht nötig, ist er doch selbst ein Meister auf dem Instrument Sprache, das er mit traumtänzerischer Leichtigkeit seiner Alltagsschwere entreißt, um es in luftige, onomatopoetische, vibrierende, klingende Höhen zu entführen. Das vor- und rückwärts lesbare Palindrom, das Anagramm zum Ausgang nehmend, begeisterte er mit immer neuen, unerwarteten Klangspielen, beraubte die Wörter ihrer semantischen Fixiertheit, um sie in neuer Montur erklingen zu lassen, so dass der Lauscher dieser scheinbaren Improvisationen keinen Moment entlassen wurde, sondern ganz im Gegenteil der Rhythmik der mit leisem, verhalten einsetzendem und sich langsam steigerndem und akzelerierendem Duktus der Stimmme, gepaart mit dem Schalk der hinter den Brillengläsern blitzenden Augen, zunehmend verfallen musste.

Unterstützt im Entführen des Publikums wurde O.P. durch die Jazzsängerin Gabriele Hasler, eine langjährige Mitspielerin des Dichters, und den Virtuosen auf dem Altsaxophon, Roger Hanschel. Die beiden brillierten im Solo, begleiteten, kommentierten, interpretierten bis hin zum Dreiklang mit Dichter. Es wurde "gesäuselt, gedröhnt, geröhrt, geschmeichelt, gesungen, gespielt", und ich ertappte mich als Mitspieler in diesem Konzert, den Rhythmus der Verse mit den Fingerspitzen auf der Stuhllehne trommelnd. Ein Abend der einmaligen Art in der Kulisse der statuen- und reliefgesäumten Ausstellungshalle des Akademischen Kunstmuseums.

KaRo

Bewerten:

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.