3. April 2005

"Der gefangene Schrei" von Carol Neustädter

Schon der Titel lässt aufhorchen. Das Buch Der gefangene Schrei von Dr. Carol Neustädter ist ein Zeitbild, ein siebenbürgisches Schicksal, wenn auch sicher kein typisches. Es zeigt uns einen Menschen und dessen philosophische Arbeit, die bedroht sind auf der Strecke zu bleiben, bedroht durch das Unverständnis und die Ignoranz der Mitmenschen, respektive der zuständigen Stellen.
Der heute in München wohnhafte Autor wurde 1947 in Hermannstadt geboren. Neustädter studierte Psychologie und arbeitete danach als Lehrer. Seit 1990 ist er Mitglied der internationalen Hegel-Gesellschaft. 1993 promovierte er mit der philosophischen Dissertation: „Nichtsein als Sein“.

Ein scheinbar alltägliches Leben: in Rumänien Begegnungen mit der Securitate; Angst, sprachlich stark und erschreckend geschildert; Gedanken zu Tod und Unendlichkeit; das Ringen um die Erkenntnis der Wahrhaftigkeit; schließlich kommt er nach Deutschland, wo er in kein Raster passt; es folgt ein unentwegter Kampf gegen Paragraphen.

Irgendwie erinnert diese Geschichte an Kafkas „Prozess“. Der Autor erörtert, „weshalb man wegen Gedanken, die neu und interessant sind, in einem totalitären Staat eingesperrt, und in einem demokratischen Staat ausgesperrt wird... Das Werk wird nicht anerkannt, weil man den Autor, den Menschen, nicht anerkennen will. So wird die legitime Existenz eines neuen Denkers geleugnet.“

Neustädter gibt Denkanstöße, fragt sich, ob wahre Philosophie noch möglich ist. Es wäre anmaßend von mir, über seine Philosophie zu befinden. Dessen ungeachtet darf hier das Buch „Der gefangene Schrei“ wärmstens empfohlen werden. Selten hat mich ein Lesestoff so aufgewühlt und mir vor Augen geführt, wie Leichtfertigkeit, Selbstgefälligkeit und vor allem Ignoranz einiger Personen einen Menschen an die Grenzen seiner Kräfte bringen können. Gleichwohl kämpft der Autor weiter.

Renate Kaiser



Carol Neustädter Der gefangene Schrei. Die Freiheit wird oft im Kerker geboren, Verlag Ulmer Manuskripte 2004, 100 Seiten, broschiert, 12,80 Euro, ISBN 3-934869-33-5.

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