4. September 2005

Deutsche Galeristen "entdecken" östliche Klassiker der Moderne

Seit einiger Zeit erinnern sich Galerien, aber auch jene Museen, die nach dem Krieg jahrzehntelang unter dem Einfluß amerikanischer Kunst standen, wieder an die Klassiker der deutschen Moderne und an deren Kunst, die vor allem im Osten Deutschlands zur Blüte gelangt war.
Im Rheinland gibt es seit 20 Jahren ein Käthe-Kollwitz-Museum, gestiftet von der Kölner Kreissparkasse. Und ebenfalls in Köln widmet die Galerie Glöckner gegenwärtig der ostpreußischen Künstlerin eine Grafikausstellung. In Düsseldorf findet in der Galerie Remmert und Barth die Ausstellung „Überblick 2005“ statt, deren Untertitel „Von Jankel Adler bis Gert Wollheim“ auf einen Künstler aus Lodz und einen aus Dresden hinweist. Exponate gibt es ferner von Max Beckmann, Otto Dix, Käthe Kollwitz, Conrad Felixmüller, George Grosz und anderen. Im Düsseldorfer Gerhart-Hauptmann-Haus richten sich die Blicke auf den Südosten. Nach der Ausstellung von Jutta Pallos-Schönauer aus Siebenbürgen wird erstmalig in Deutschland ein Ausschnitt aus dem bildnerischen Werk des Arnold Daghani (1909–1985) gezeigt. Begeisterung löste die Schau großformatiger Druckgrafik des DDR-Stars Wolfgang Mattheuer (1927–2004) mit Leihgaben der Kunstsammlungen Chemnitz in Leverkusen aus. Zeichnungen dieses Künstlers werden nun im Suermondt-Ludwig-Museum zu Aachen gezeigt. Das Kölner Museum für moderne Kunst, ebenfalls nach dem Kunstsammler und Unternehmer Peter Ludwig benannt, konfrontiert unter der Überschrift „Unerwartete Begegnungen“ Werke von Max Beckmann (1884–1950) mit jenen des Franzosen Fernand Léger. Zwei Kölner Galerien (Dieter Wilbrand und Der Spiegel) veranstalten Gedenkausstellungen des informellen Malers Bernard Schultze aus Westpreußen, der 2005 wenige Wochen vor seinem 90. Geburtstag starb.
Jutta Pallos-Schönauer: In der Stadt der Ahnen, 2001, Öl, 100 x 120 cm
Jutta Pallos-Schönauer: In der Stadt der Ahnen, 2001, Öl, 100 x 120 cm


Auch auf Auktionen des Kunsthauses Lempertz zu Köln spielen die Werke ostdeutscher Künstler wieder eine bedeutende Rolle. Zwar spannt sich der Bogen dieses internationalen Auktionshauses um die ganze Welt, ein besonderes Augenmerk aber gilt den Kunstzentren Dresden, Dessau, Breslau und der Reichshauptstadt Berlin, der einstigen deutschen Kunstmetropole. Orientiert man sich nach den Landschaften, aus denen die Künstler stammen, wird man den ostdeutschen Schwerpunkt der Versteigerungen gewahr, selbst wenn ein Markus Lüpertz seine Geburtsstadt Reichenberg stets Liberec nennt. Zahlreich vertreten sind Künstler, die im „Dritten Reich“ als „entartet“ diffamiert worden sind.

Im Auktionsbericht des Hauses Lempertz stellte Pressechef Edgar Abs neben die erfolgreiche Versteigerung der Werke etwa von Heckel, Mueller, Nolde oder Schmidt-Rottluff auch die positiven Ergebnisse internationaler Größen wie Renoir, Picasso, Chagall, erwähnte jedoch keinen einzigen amerikanischen Künstler. Die Nachfrage nach Werken ostpreußischer Künstler war diesmal unterschiedlich. Von den zehn grafischen Blättern der Käthe Kollwitz fanden nur drei ihren Abnehmer. Allerdings gibt es gegenwärtig in Köln (Galerie Glöckner) und Düsseldorf (Galerie Remmert und Barth) Verkaufsausstellungen mit Arbeitenm der Künstlerin. Von den vier gegenstandsfreien Kompositionen Rolf Cavaels wurde nur eine verkauft, von den Acrylbildern Johannes Geccellis keines.

Auch eine Landschaft von Lovis Corinth fand keinen Käufer. Die Etats unserer Museen, besonders jener, die sich der ostdeutschen Kultur widmen, sind für sechsstellige Größenordnungen wohl zu klein. Es wäre zu begrüßen, wenn sich ein Mäzen fände, der dieses Gemälde, das Corinths Geburtsstadt Tapiau darstellt, erwerben und einem entsprechenden Museum stiften würde.

In Auktionen spielt das Interesse an finanziellen Ergebnissen eine bedeutende Rolle. So beginnt auch die Mitteilung des Hauses Lempertz: „Mit einem Gesamtergebnis von 7,7 Millionen für die Moderne und die Zeitgenössische Kunst konnte Lempertz das starke Frühjahrsergebnis des letzten Jahres erreichen, wobei für die Moderne ein sehr gutes Ergebnis und für die Zeitgenossen eines der besten Resultate in der Geschichte des Hauses erzielt werden konnte.“

Die jüngsten Auktionen könnten Kunsthistorikern auch Anregungen geben, sich mit diesem oder jenem Künstler aus dem Osten zu befassen und über deren Kunst wissenschaftlich zu arbeiten. Andererseits dürften die Auktionen Galeristen anregen, hier Entdeckungen zu machen und den weniger bekannten Künstlern Ausstellungen zu widmen.

Günther Ott (KK)


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