31. Dezember 2005

Horst Gehanns Autobiographie: "Zwischen den Zeiten"

Der 1928 in Frankfurt am Main geborene Siebenbürger Sachse Horst Gehann ist ein Musiker der vielen Ebenen: Der Organist, Komponist, Chor- und Orchesterdirigent gründete Chöre und Orchester, schrieb Motteten, Orchesterwerke, Klavierstücke, Lieder und anderes mehr, er rief regelmäßige Musik- und Musikerbegegnungen ins Leben, baute einen Musikverlag auf und bereiste als Solist und Dirigent europäische, Übersee- und andere Länder. Dass er mit den von ihm gegründeten Musikerformationen Bachs gesamtes Werk aufführte - in Darmstadt -, ist eine der bemerkenswerten Facetten im Leben dieses Mannes.
Zu alldem legte er im Gehann-Musik-Verlag, Kludenbach im Hunsrück nun auch seine rund 100 Seiten umfassende Biografie auf: "Zwischen den Zeiten. Aus dem Leben eines Musikers". Die Kurzbiografie ist die Skizze eines zeittypischen Lebenslaufs, wie ihn die Generationen, denen Horst Gehann angehört, hinter sich bringen mussten. Hinzu kam in seinem Fall der Weg des Vaters über das Studium in Frankfurt/Main nach Hamburg und bedingt durch freikirchliche Bindung - nach Kaschau, Preßburg, besuchshalber mit immer wieder kurzen Aufenthalten in Siebenbürgen, dann Reichenberg, schließlich ließ sich die Familie 1937 in Hermannstadt nieder.

Dass Horst Gehann zum Musiker wurde, stand zunächst nicht fest, wenngleich die Musik in der vielköpfigen Familie zum Alltag gehörte. Vielseitig begabt, bedurfte es seiner Zeit, ehe ihn der den Hermannstädtern unvergessene Franz Xaver Dressler (1889-1981) zielsicher in die Musik einführte und ihm vor allem mit dem Orgelunterricht die Welt der Klänge öffnete. Doch die Schilderungen dieser Bildungsentwicklungen bis hin zum gefragten und von der Kritik bewunderten Orgelvirtuosen in Bukarest erscheinen als autobiografische Erinnerungen immer in der Brechung, die sie durch den politischen Hintergrund erfuhren: Krieg, Zwangsverschleppungen in die UdSSR, Misere der Nachkriegsjahre, aufkommende Präsenz und Einmischung der Securitate und der allmächtigen Kommunistischen Partei in allen Lebensbereichen, Schwierigkeiten freier Berufswahl, Verdächtigungen - kurz, das gesamte Register, das jeder auf seine Weise erfuhr, der damals in den Geografien der marxistisch-sozialistischen Beglückungen lebte.

Aber als Horst Gehann 1972 Rumänien endgültig verließ, hatten ihn Orgelkonzerte, Dozentur für Kirchenmusik und eine Reihe vielbeachteter CD-Einspielungen auf der in den alten rumänischen Landesteilen kaum bekannten "Königin der Instrumente" zu einer Musikerpersönlichkeit reifen lassen, die von ihrem Weg längst nicht mehr abzubringen war. Die Gründung des Kammerchors Marienhöhe, des Kammerorchesters Pro Musica und des Bach-Chores in Darmstadt (alle bis 1981), waren Markierungen, die bis heute wirksam blieben.

All dies ist in "Zwischen den Zeiten" übersichtlich mitgeteilt, immer auch unter knapper Einbeziehung der historischen Erklärung, und ohne Scheu, freilich mit Takt bis ins Private dem Leser verständlich gemacht. Der schmale Band ist dank der Mischung aus persönlicher und allgemeiner Geschichte eins jener siebenbürgischen Zeitdokumente, für die spätere Historiker der Region dankbar sein werden.

Hans Bergel

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