10. Januar 2010

Die Prägungen aus Siebenbürgen gelebt: Bernddieter Schobel wird 70

Pfarrer i.R. Bernddieter Schobel erfüllt heute in Crailsheim sein 70. Lebensjahr. Seine Prägungen in Siebenbürgen hat er konsequent und mit großem Einsatz in den Dienst der siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaft gestellt. Zusammen mit der Germanistin Hanni Markel betreut er die Rubrik „Sachsesch Wält“ der Siebenbürgischen Zeitung und trägt vielseitig zur Mundartpflege bei.
Bernddieter Schobel wurde am 10. Januar 1940 in Hermannstadt geboren. Sein Vater war der Sohn des Brenndorfer Predigerlehrers Georg Schobel und der Klara, einer Tochter des Tartlauer Rektors Friedrich Schmidt. Seinen Vater, der sich zu Kriegsbeginn in Deutschland aufhielt, lernte er erst als 14-Jähriger kennen. Den größten Teil seiner Kindheit verbrachte er in Rätsch im Unterwald, wo der Großvater Johann Schuster Pfarrer war. Diese Jahre waren prägend für seine spätere Entwicklung: in sprachlicher, beruflicher und gemeinschaftlicher Hinsicht.

Im Pfarrhaus wurden Unterwälder Dialekte gesprochen, vor allem aus Weingartskirchen und Bußd, mit Hermannstädter Einflüssen. Die Erzählungen einer redseligen Großtante schärften sein Ohr für die siebenbürgisch-sächsische Mundart. Gerade die „Eifler Regel“ (das Nichtaussprechen des End –n in bestimmten Fällen) ist bei uns so konsequent bewahrt worden wie nirgends sonst im germanischen Sprachraum und ist daher nach Schobels Ansicht „als Überlieferungsgut mindestens so wertvoll wie Tracht oder Krüge“.

Der Pfarrer und Mundartautor Bernddieter Schobel ...
Der Pfarrer und Mundartautor Bernddieter Schobel wird 70. Foto: Siegbert Bruss
Im Rätscher Haus herrschte keine „strenge“ Frömmigkeit, aber die Bibel war allgegenwärtig, erinnert sich der Mundartdichter. Und der Zehnjährige, der mehr über Gott wissen wollte, las das Buch der Bücher im Laufe eines Sommers von der ersten bis zur letzten Seite. Über dem Schreibtisch seines Großvaters hing ein Bild Stephan Ludwig Roths. Dessen strenger Blick und der Imperativ, seinem Volk zu dienen, haben sich in Schobels Seele „eingebrannt“.

Es folgten zwei schulische Stationen: zunächst Bukarest, wo die Mutter in zweiter Ehe den damaligen Direktor der deutschen Schule in Bukarest, Dr. Hugo Schuster, geheiratet hatte, und dann Kronstadt, wohin die Eltern versetzt wurden und wo er das Honterusgymnasium (damals Șaguna-Lyzeum) besuchte. Von 1958 bis 1961 studierte er in Hermannstadt Theologie. Während des Studiums galt sein Interesse vor allem der Frage nach der Wirklichkeit Gottes in einer naturwissenschaftlich geprägten Welt. Der gläubige Physiker Carl Friedrich von Weizsäcker und der am Dialog zwischen Religion und Naturwissenschaft interessierte Theologe Karl Heim regten ihn zum Weiterdenken an. Ein Vorbild humanistischen Denkens fand er bei Albert Schweitzer. Der Dialog zwischen Religion und Naturwissenschaft beschäftigt ihn übrigens auch heute noch – als aktives Mitglied der „Karl-Heim-Gesellschaft“.

1962 - 65 wirkte er als Pfarrverweser in Felmern, deren meisten Bewohner schon in die nahe gelegene Industriestadt Fogarasch umgezogen waren. Bischof D. Friedrich Müller hatte den jungen Pfarrer beauftragt, die Leute wieder in ihr Heimatdorf zurückzuholen. Aber viele hatten schon Häuser in Fogarasch gebaut. Das Unterfangen, die Sachsen in ihr Heimatdorf zurückzurufen, erwies sich als weltfremd. Das sagte er dem Bischof in aller Offenheit, der diese Feststellung auch akzeptierte. 1965 wurde Schobel zum Pfarrer in Neudorf bei Hermannstadt gewählt. 1969 heiratete er Elisabeth geb. Roth, 1973 wurde Tochter Brigitte (schon in Deutschland) geboren.

Die Securitate und Auswanderung sind zwei Themen, die in jener Zeit alle Pfarrer in Siebenbürgen betrafen und zu denen Schobel in einem Gespräch mit der Siebenbürgischen Zeitung besonders Stellung nehmen will. Da er in Felmern und Neudorf Nachfolger jeweils eines verfolgten Pfarrers war, sei man in Securitate-Kreisen vermutlich davon ausgegangen, dass er politisch „einwandfrei“ wäre und nicht speziell beobachtet werden müsste. So konnte Bernddieter Schobel relativ unbehelligt Theateraufführungen und sächsische Tanzveranstaltungen in den beiden Gemeinden organisieren. Allerdings hätte sich die Situation wahrscheinlich mit der Zeit geändert, wäre er nicht schon Ende 1969 mit seiner Frau in die Bundesrepublik Deutschland ausgewandert.

In einem vertraulichen Gespräch hatte Bischof D. Friedrich Müller zu ihm gesagt: „Ich weiß, dass mich mein Volk verurteilt. Ich werde als Verhinderer der Ausreise angesehen. Das ist falsch! Auch ich wollte, dass wir Siebenbürgen verlassen und irgendwo, in Deutschland oder sonstwo, angesiedelt werden können – aber als geschlossene Gemeinschaft! Nachdem sich dies aber aus praktischen Gründen, etwa wegen der Durchreise durch verschiedene Länder, als undurchführbar erwiesen hat, will ich nun, dass wir geschlossen hier bleiben.“ Dies sei in der Folge die offizielle Haltung unserer evangelischen Kirche und leider gleichzeitig auch die des Staates gewesen, sagt Schobel. „So konnte man nie genau wissen, ob ein Pfarrer aus eigener, innerer Überzeugung zum Dableiben ermahnte oder aus politischem Opportunismus, was zu mancherlei Misstrauen Anlass gegeben hat.“

Pfarrer Schobel erkannte schon sehr früh in einem seelsorgerlichen Gespräch mit einer ausreisewilligen Frau, dass auch dieser Personenkreis der pastoralen Betreuung bedarf und der Wunsch nach Ausreise auch aus kirchlicher Sicht als eine mögliche Alternative angesehen werden muss.

Nach seiner Aussiedlung war Schobel bis 1977 im Schuldienst in Baden-Württemberg und dann als Pfarrer in Hengstfeld bei Crailsheim tätig, seinem jetzigen Wohnort im Ruhestand.

In den Dienst der Gemeinschaft stellte sich Bernddieter Schobel auch in Deutschland. 1979 war er neben Michael Trein Mitbegründer der Kreisgruppe Crailsheim-Schwäbisch Hall. Bis 2008, also 29 Jahre, war er ununterbrochen im Vorstand tätig – mal als Kulturreferent, mal als Pressereferent. Und trotz seines Ausscheidens aus Altersgründen ist er immer noch „beratendes Mitglied“ im Vorstand. Seine Tätigkeit wurde durch das „Goldene Ehrenwappen“ der Landsmannschaft und verschiedene Urkunden gewürdigt. Außerdem hielt er viele Gottesdienste und Andachten nicht nur für die Kreisgruppe, sondern auch bei den HOG-Treffen seiner ehemaligen Gemeinden oder auf Beerdigungen.

Da es in Reußdörfchen, der Heimatgemeinde seiner Frau, keine HOG gab, gründeten sie 1991 die HOG Reußdörfchen, die sich auch heute, nachdem er die Leitung in jüngere Hände übergeben hat, lebendig ist und sich beispielhaft um den heimatlichen Friedhof kümmert.

Die sprachliche Prägung ließ Bernddieter Schobel zum Mundartautor und Förderer der Mundart werden. Nach einer restriktiven politischen Phase in Rumänien war er der erste Pfarrer, der wieder landesweit veröffentlichen durfte, und zwar 1969 eine Kurzgeschichte in der „Neuen Literatur“. Schon 1968 waren seine Mundartgedichte in der „Hermannstädter Zeitung“ erschienen. In Deutschland veröffentlichte er Gedichte und Prosa im „Siebenbürgisch-sächsischen Hauskalender“.

Ein Höhepunkt war das von ihm verfasste Mundart-Lustspiel „Åwer tichtich wore se dennich!“, das von der Theatergruppe Crailsheim beim Heimattag 2008 in Dinkelsbühl mit großem Erfolg aufgeführt wurde.

Eine Herausforderung war das Angebot der Redaktion der „Siebenbürgischen Zeitung“, eine Mundartrubrik zu gestalten. Zusammen mit der Germanistin Hanni Markel betreut er die „Sachsesch Wält“ nun schon seit dem 15. November 2005: Markel ist für die (Recht-)Schreibung zuständig, Schobel für den Inhalt. Diese Rubrik kommt sehr gut bei den Lesern an und trägt vielseitig zur Förderung der Mundart und der Autoren bei. Das ermutigt den Jubilar weiterzumachen, solange die Gesundheit es zulässt. Diese und noch viel Schaffenskraft wünschen wir ihm von dieser Stelle aus.

Siegbert Bruss

Schlagwörter: Saksesch Wält, Mundartautoren, Kirche und Heimat

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