21. November 2011

Jahresfahrt des Stuttgarter Chores

Das Ziel unserer Jahresfahrt war die ehemalige Reichsstadt Ulm mit ihrem weltberühmten gotischen Münster und dem höchsten Kirchturm der Welt (161,5m). Dipl.-Hist. Martin Rill nahm unsere Anfrage als Stadtführer für den 20. September durch die Stadt Ulm entgegen.
Die erste Besichtigung galt dem Donauschwäbischen Zentralmuseum, welches in einem Teil der Festungsanlage „Obere Donaubastion“ untergebracht ist. Die Anlage ist ihrerseits ein Teil der Bundesfestung Ulm, Europas größter Festungsanlage. Das Museum zeigt die Geschichte, die Kultur und das Schicksal der Donauschwaben, meist schwäbische Bauern und Handwerker, seit ihrer Auswanderung zwischen dem späten 17. und Mitte des 18. Jahrhundert in den neu eroberten Ländern des Habsburgischen Reiches im südöstlichen Europa. Martin Rill erläuterte zudem Ulmer Schachtel, die eigentlich eine „Ulmer Zille“ sei und seit dem Mittelalter als Einweg-Bootstyp zur Waren- und Passagierbeförderung stromabwärts diente.

Da die Führung durch die Ausstellungsräume zeitlich begrenzt war, ging Herr Rill in den Räumen über Aussiedlung, Ansiedlung, Blütezeit der Orte, Deportation, Vertreibung bzw. Rückkehr ins Mutterland nur auf das Wesentliche ein. Während des Rundgangs war es interessant zu hören, wie unsere Chorleute Parallelen zwischen Siebenbürgen und dem Banat zogen. Im Wohnraum zum Beispiel hörte man Frau Bell staunend sagen, „sech emol, hä äs uch en eiserän Iuwen“.

Nach anderthalb Stunden Führung gingen wir, beeindruckt von der ganzen Anlage, Richtung Ulm-Zentrum, vorbei an einer neuen Eisenbahnbrücke, die zum Projekt „Stuttgart 21“ gehört. Im Fischerviertel, dem bedeutendsten Altstadtensemle Ulms, angekommen, wies Martin Rill auf die „Alte Münz“ hin, ein Fachwerkgebäude, das bis ins 17. Jahrhundert als Ulmer Münzstätte gedient hatzte. Hier wurde auch Silber aus dem Siebenbürgischen Erzgebirge zu Münzgeld geprägt. Weiter ging es vorbei an schönen mittelalterlichen Fachwerkhäusern, durch verwinkelte Gassen, über Brücken und Stege zum Marktplatz, wo wir uns im „Ratskeller“ das vorbestellte Mittagessen schmecken ließen.
Der Stuttgarter Chor vor dem Donauschwäbischen ...
Der Stuttgarter Chor vor dem Donauschwäbischen Zentralmuseum in Ulm. Foto: Wilhelm Reip
Auf dem Weg zu Ulmer Münster fiel uns die Malerei auf der Giebelseite des Ulmer Rathauses auf, auf der in Pyramidenanordnung gemalte Wappen zu sehen sind, die die Handelsbeziehungen der ehemaligen freien Reichsstadt darstellen. Nahe der Pyramidenspitze ist auch das Wappen der Walachei zu sehen, die ein wichtiger Handelspartner war, denn von dort brachten die Kaufleute aus Siebenbürgen u.a. Wolle nach Ulm. Während einer Führung im Münster ließen wir die Erhabenheit des Bauwerks auf uns wirken. Unser Chor sang spontan „Dona nobis pacem“ und war beeindruckt von der wunderbaren Akustik. Anschließend wies Martin Rill auf den den Baustil des Münsters und darauf hin, dass der aus Schwäbisch Gmünd stammende Architekt Heinrich Parler seine Handschrift auch beim Chor der Mühlbacher Burg in Siebenbürgen hinterlassen habe. Da Ulm schon seit dem Mittelalter auf die Produktion von Barchent, einem Mischgewebe aus Baumwolle und Leinen, spezialisiert war, das auch nach Siebenbürgen und in die Walachei exportiert wurde, zeigte uns Herr Rill ein typisches Handwerkerhaus aus jener Zeit.

Bevor wir uns von unserem kompetenten Stadtführer verabschiedeten, kam aus unserer Gruppe die Frage auf, weshalb man eigentlich für die Fertigstellung des Münsters 600 Jahre gebraucht habe, angesichts der Tatsache, dass die Ulmer Bürger durch ihre Handelsbeziehungen sehr wohlhabend waren. Herr Rill erklärte, dass es nach dem ersten Bauabschnitt (1377-1543) zu einem allmählichen wirtschaftlichen Niedergang der Stadt gekommen war, und dass erst der Bau der Bundesfestung (1842-1859) und die Errichtung einer großen Garnison wieder neuen Aufschwung brachte, so dass das Münster im zweiten Bauabschnitt (1844-1890) fertig gestellt werden konnte. Den Tag ließen wir in einem Café am Münsterplatz ausklingen. Auch auf diesem Wege nochmals herzlichen Dank an Herrn Rill für die tolle Stadtführung.

Gerhild Reip

Schlagwörter: Stuttgart, Chor, Ausflug, Donauschwäbisches Zentralmuseum, Ulm

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