31. August 2006

"Wir sind daheim!" - Denkmal für Robert Gassner in Drabenderhöhe enthüllt

Robert Gassners Ausspruch "Wir sind daheim!" fiel vor vierzig Jahren anlässlich der Einweihungsfeier der Siebenbürger-Sachsen-Siedlung in Drabenderhöhe. Die Kinder und Enkelkinder jener Landsleute, die nach dem Trauma des Verlustes der Heimat, des jahrelangen Suchens nach einer stabilen und überschaubaren Zukunft, in einer siebenbürgisch-sächsisch geprägten Umgebung ihre eigenen Häuser bezogen und sichere Arbeitsplätze gefunden hatten, gedachten am 19. August des Mannes, der ihren Traum, wieder festen Grund unter den Füßen zu haben, realisiert hatte. Im Rahmen einer würdevollen Feier wurde eine von dem siebenbürgischen Künstler Kurtfritz Handel geschaffene Gassner-Büste enthüllt.
Der Vorstand des Adele Zay Vereins hatte befunden, dass der Innenhof des Altenheims für die Aufstellung einer Büste von Robert Gassner der geeignete Raum und Ort für ein Denkmal sei. Im Einvernehmen der Vorstände des Vereins und der Kreisgruppe Drabenderhöhe setzte man sich das Ziel, nach der Vierzigjahrfeier der Siedlung in einem würdigen Rahmen den Innenhof des Altenheims "Robert-Gassner-Hof" zu taufen und an der Stirnseite der Kapelle, die tagtäglich im Licht der untergehenden Sonne leuchtet, die aus Bronze gegossene Büste auf einer Basaltsäule zu errichten. Der weithin bekannte siebenbürgische Künstler Kurtfritz Handel hatte den Auftrag übernommen, nach Fotos eine Büste zu schaffen. Obschon er Gassner nie persönlich kennen gelernt hatte, ist es ihm gelungen, dessen ganze Persönlichkeit zu modellieren und in Bronze zu gießen.

Bei der Enthüllung des Denkmals für Robert Gassner in Drabenderhöhe, von links nach rechts: Pfarrer i.R. Kurt Franchy, Enni Janesch, Bischof D. Dr. Christiph Klein, Kurtfritz Handel und Harald Janesch. Foto: Günther Melzer
Bei der Enthüllung des Denkmals für Robert Gassner in Drabenderhöhe, von links nach rechts: Pfarrer i.R. Kurt Franchy, Enni Janesch, Bischof D. Dr. Christiph Klein, Kurtfritz Handel und Harald Janesch. Foto: Günther Melzer

Für alle, die Robert Gassner gekannt haben, war die Enthüllung des Denkmals am 19. August ein freudiges Wiedersehen mit dem Mann, der am Ort nicht nur seitens der siebenbürgischen Siedler viel Wertschätzung erfahren hatte. Für das gelungene Werk erhielt Kurtfritz Handel, der mit seiner Gattin der Feier beiwohnte, viel Anerkennung und Lob. Der Vorsitzende des Adele Zay Vereins, Kurt Franchy, nutzte seine Begrüßungsansprache, in der er Weggefährten von Robert Gassner, Amtsträger, Würdenträger und rund 400 Teilnehmer der Feier willkommen hieß, zur Aufforderung, sich in stillen Stunden zu Füßen der Büste zu setzen, um mit Robert Gassner ins Zwiegespräch zu kommen. Er dankte auch den Nachbarschaften aus der Siedlung und Einzelspendern, die dazu beigetragen hatten, dass das Denkmal errichtet werden konnte.

Pfarrer a.D. Hans Wolfgang Klein, Heimleiter des Altenheims, verkündete sodann, dass der Innenhof des Heims von Stund an den Namen "Robert-Gassner-Hof" tragen soll, und er bat die Kreisvorsitzende Enni Janesch und den Vorsitzenden des Adele Zay Vereins, die Büste zu enthüllen. Eine Würdigung der Persönlichkeit von Robert Gassner war dessen langjährigem Wegbegleiter und dem ehemaligen Leiter des Altenheims und der Trachtenkapelle, Michael Hartig, zugedacht. Danach ergriff Bürgermeister Werner Becker-Blonigen das Wort. Auch er hatte als früherer Stadtdirektor Robert Gassner als kluges, integratives und zugleich ideenreiches Mitglied des Stadtrates kennen gelernt. Er ließ durchblicken, dass es in Zukunft dem Rat der Stadt wohl gelingen werde, auch eine Institution nach Gassner zu benennen. Bundesvorsitzender Volker Dürr würdigte Gassners Persönlichkeit und seine Verdienste im Rahmen der Landsmannschaft. Der Vorsitzende der Landesgruppe Nordrhein-Westfalen, Harald Janesch, teilte mit Freude mit, dass zu dieser Einweihungsfeier auch weitere fünf Landesvorsitzende und eine Reihe von Kreisvorsitzenden aus NRW erschienen waren. Waltraud Hartig-Hietsch, Gassners dritte Nachfolgerin als Rektorin der Grundschule, las aus den Aufzeichnungen ihres Vorbildes, dem es gelungen war, das Schulfest in Drabenderhöhe zu einer beliebten, bis in die Gegenwart gepflegten Veranstaltung zu machen. Eine kleine Gruppe der in der ganzen Welt verstreut lebenden Nachkommenschaft von Robert Gassner kam durch zwei Enkelinnen zu Wort in ihren Erinnerungen an den Großvater. Es waren bewegende Augenblicke für die versammelte Festgemeinde.

Hans Wolfgang Klein, Heimleiter des Altenheims, verkündete, dass der Innenhof des Heims den Namen Robert-Gassner-Hof tragen soll. Foto: Christian Melzer
Hans Wolfgang Klein, Heimleiter des Altenheims, verkündete, dass der Innenhof des Heims den Namen Robert-Gassner-Hof tragen soll. Foto: Christian Melzer
Der in Deutschland weilende Heimatbischof D. Dr. Christoph Klein, der schon öfter die Siedlung und das Altenheim besucht hat, rief der andächtig lauschenden Zuhörerschaft am Beispiel großer biblischer Gestalten in Erinnerung, wie wichtig es sei, Erfahrungen für die Gestaltung der Zukunft umzusetzen. Darum seien schon im Alten Testament bewährte Lehrer und Vorbilder zu Recht gewürdigt und der Gemeinde vor das geistige Auge geführt worden. Er schloss mit einem Gebet für den 1990 Heimgegangenen und dem Segen für die Anwesenden.

Der Vorsitzenden der Kreisgruppe Drabenderhöhe oblag es, das Dankes- und Schlusswort zu sprechen. Enni Janesch dankte der Trachtenkapelle unter der Stabführung von Jürgen Poschner, die den Festakt mit feierlicher Musik umrahmt hatte, sie dankte dem Honteruschor unter der Leitung von Regine Melzer und der Tanzgruppe unter der bereits 40-jährigen Leitung von Christa Brandsch-Böhm, den Nachbarvätern und -müttern, die für den äußerlichen Rahmen gesorgt hatten, und nicht zuletzt dem Heimleiter, der das Altenheim wieder einmal für eine großartige Veranstaltung zur Verfügung gestellt hatte. Janesch erinnerte an Emma Gassner, die sich als junges Mädchen immer einen Mann gewünscht hätte, zu dem sie in doppeltem Sinne des Wortes aufsehen können würde. Ihr Wunsch sei in Erfüllung gegangen und sie habe es der Fügung gedankt, indem sie ihrem Mann in allen Lebenslagen den Rücken gestärkt habe für die vielen Ämter und Tätigkeiten, die Robert Gassner zum Wohl seiner Landsleute dadurch verrichten konnte. Die Schlussakkorde der Trachtenkapelle beschlossen die Feier noch lange nicht. Für Speisen und Getränke sowie guten Baumstriezel hatten professionelle Gruppen aus Siegen und Drabenderhöhe gesorgt. Den Ausschank und das notwendige Aufräumen besorgten ehrenamtliche Helfer unter der Leitung des stellvertretenden Vorsitzenden der Kreisgruppe, Michael Hartmann, denen auf diesem Wege ein Dankeschön gesagt wird.

Vielen Menschen in Drabenderhöhe ist es ein Anliegen gewesen, dem Mann, der im September 1990 im Alter von 80 Jahren heimgegangen war, ein bleibendes Denkmal zu setzen. Im September 1944 waren mehrere Zehntausend Landsleute aus Nordsiebenbürgen und aus sieben Gemeinden an der Kleinen Kokel mit Pferd und Wagen, im Zug und mit Lkws aufgebrochen, um der nahenden Front zu entkommen. Robert Gassner führte die Flüchtlingstrecks nach Österreich, wo sie in den Besatzungszonen der drei Westmächte Unterkunft und notdürftige Aufnahme fanden. Knapp 9 000 Landsleute, die den Westen Österreichs nicht erreicht haben, wurden von den sowjetischen Besatzern nach Rumänien zurückgeschickt. Viele, insbesondere die Arbeitsfähigen, verbrachten die ersten zwei Jahre in Straf- und Arbeitslagern. Gassner war nach Deutschland übersiedelt und trug dazu bei, dass mehrere kleine sächsische Siedlungen im Ruhrpott entstanden. Doch die ehemaligen Bauern fühlten sich unter Tag nicht wohl und verließen den Kohlebergbau bald, um in das mit der Gemeinde Bielstein im Oberbergischen ausgehandelte Siedlungsgebiet umzuziehen. Hier hatte eine Siedlungsgesellschaft bereits 1965 die ersten Häuser errichtet. Im Frühsommer 1966 konnte die Siedlung Drabenderhöhe eingeweiht werden. Die zumeist aus Nordsiebenbürgen stammenden, auch viele aus Südsiebenbürgen aus Gefangenschaft und Russlandverschleppung heimgekehrte Landsleute bekamen ein Zuhause. Robert Gassner konnte zu Recht ausrufen: "Wir sind daheim!"

Heute leben in Drabenderhöhe rund 3 500 Landsleute, im Stadtgebiet Wiehl insgesamt 5 000 und in weiteren Orten des Oberbergischen Kreises noch einige Tausend Siebenbürger Sachsen. Robert Gassner standen selbstverständlich eine Reihe von Landsleuten zur Seite. Sie konnten den Verantwortungsträgern von Drabenderhöhe glaubhaft versichern, dass die Zuwanderer in das Gefüge von Drabenderhöhe passen würden, sowohl was ihre kulturellen Werte, als auch ihre religiöse Haltung betrifft. Auch wenn mancher Oberberger später über die große Anzahl von Zuwanderern staunte, so kann nach vierzig Jahren von einer Integration gesprochen werden, die sich manch andere Kommune wünschen würde.

Der "Vater der Siedlung", wie Robert Gassner auch genannt wurde, gründete vor Ort die Trachtenkapelle, den Honteruschor, den siebenbürgischen Frauenverein, die Nachbarschaften und das Altenheim Siebenbürgen. Er trug maßgeblich zum Neubau einer großen Grundschule bei, deren Rektor er bis zur Pensionierung war. Er stand Pate bei der Gründung eines evangelischen Kindergartens, des Gemeindehauses und des Um- und Ausbaus der evangelischen Kirche. Gassner wurde Mitglied des örtlichen Presbyteriums, er vertrat in der Vakanz zwei Jahre den Pfarrdienst, wurde Mitglied des Stadtrates, Kreistagsabgeordneter und Mitglied der Synode der Evangelischen Kirche im Rheinland. Innerhalb der Landsmannschaft war er Kreisgruppen-, Landes- und stellvertretender Bundesvorsitzender. Er war Mitbegründer und zeitweiliger Vorsitzender des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrates. Dem Hilfskomitee gehörte er seit seiner Gründung 1947 an. Robert Gassner wurde von den Landsleuten wie von der einheimischen Bevölkerung gleichermaßen geehrt.

Kurt Franchy, Vorsitzender des Adele Zay Vereins

Schlagwörter: Kulturspiegel, Drabenderhöhe

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