20. Juni 2010

Waldemar-von-Baußnern-Akzente beim Heimattag 2010 in Dinkelsbühl

Im Vorfeld des diesjährigen Heimattages der Siebenbürger Sachsen in Dinkelsbühl titelte die Siebenbürgische Zeitung „Musikalischer Heimattag 2010 - Dinkelsbühl im Zeichen des Komponisten Waldemar von Baußnern“. Diese Ankündigung mag unter Musikliebhabern und Fachleuten große Erwartungen und auch Neugierde geweckt haben, denn der Name des Komponisten Walde-mar von Baußnern (1866-1931) ist den Siebenbürgern nicht sehr geläufig, ob-wohl er doch einer der Ihren ist.
Darüber informierte auf mehrfache Weise eine Gedenkveranstaltung im Konzertsaal des Spitalhofes. Nach einführenden Worten von Marius Joachim Tataru, Kustos des Siebenbürgischen Museums Gundelheim, das auch für die begleitende Dokumentarausstellung verantwortlich zeichnete, referierte als Festredner Amardeo Sarma über Leben und Werk des Komponisten Baußnern. Sarma ist nicht nur Geschäftsführer der Baußnern-Gesellschaft, sondern auch ein Urenkel des Komponisten, so dass man interessante Informationen „aus erster Hand“ erhielt, etwa, dass Waldemar von Baußnern (in unterschiedlicher Schreibweise Baußnern, Bausnern. Baussnern Bausznern) zwar 1866 in Berlin geboren wurde, dass er aber einer angesehenen Adelsfamilie entstammte, der Edlen von Baußnern, die ihre Wurzeln in Siebenbürgen hatte und deren Ver-treter hier stets hohe Staatsstellungen innehatten. Die geschichtlichen Kriegs-wirrnisse des Jahres 1866 hatten den Vater von Berlin wieder nach Österreich-Ungarn verschlagen, so dass Waldemar seine Kindheit in Budapest, Kronstadt und Hermannstadt verbrachte und hier durch die Volksmusik dieser Landstri-che auch erste nachhaltige musikalische Impulse erhielt. Später verliert sich die Verbindung zu seiner Heimat wieder, denn Baußnern studiert in Berlin und beginnt dann ein rastloses Leben und Schaffen, dessen Wirken an die bedeu-tendsten Musikstädte Deutschlands geknüpft ist, so als Dirigent des Mannhei-mer Musikvereins und der Dresdner Liedertafel, als Lehrer des Kölner Konser-vatoriums, als Direktor der Großherzoglichen Musikschule in Weimar und des Hochschen Konservatoriums in Frankfurt und schließlich als ständiger Sekre-tär und Kompositionslehrer an der Berliner Akademie der Künste. Allein diese Aufzählung zeigt schon die Umtriebigkeit eines Komponisten, dessen Wirken in eine Zeit der großen musikalischen Umbrüche mit so unterschiedlichen Aus-prägungen fällt. Puccini und Gustav Mahler, Hugo Wolf und Ferruccio Busoni, Hans Pfitzner und Max Reger, Claude Debussy und Richard Strauß, oder gar die Umstürzler Schönberg und Bartók suchen nach neuen und so unterschiedlichen Wegen in der Musik.
Das Trio C. Hotea-Schulz, V. Lo Giudice. A. ...
Das Trio C. Hotea-Schulz, V. Lo Giudice. A. Gehann-Dernbach bei der Aufführung von Baußnerns Trio "O bellissima Italia" am Pfingstsonntag in der St.-Pauls-Kirche. Foto: Hans-Werner Schuster
Wo nun steht Baußnern in dieser Phalanx der Größen, Richtungen und Möglichkeiten? Nun, sicher nicht in der ersten Reihe der musikalischen Neutö-ner und Revoluzzer jener Zeit, aber dicht dahinter im zweiten Glied, bei den tüchtigen Kämpen, die sich für den Erhalt des Erprobten einsetzen, wie auch für manch Neues. Das verrät zumindest ein Blick in die ausgelegten Partituren und Werkverzeichnisse Baußnerns, die die Vielseitigkeit seiner Kompositionen wie auch ein äußerst solides Handwerk erahnen lassen. Baußnerns umfassendes Oeuvre enthält Werke aller musikalischen Gattungen, Klavier- und Orgel-werke, Chöre und Kammermusik, Opern und Orchesterwerke – darunter neun Sinfonien – bis hin zu großen vokal-sinfonischen Werken (etwa seine „Hafis-Kantate“ nach Goethe, oder das grandiose „Hohe Lied vom Leben und Ster-ben“, ein Pendant etwa zu Mahlers „Lied von der Erde“). So war man insbe-sondere auf die Musikbeiträge dieser Veranstaltung gespannt. Einen interes-santen Einstieg in Baußnerns Werk bot zunächst Yannick Holtkamp mit der Interpretation einer der drei kleinen Sonaten für Klavier. Der junge Interpret ist ein Ur-Urenkel des Komponisten. Das im Geiste spätromantischer Musik verfasste Stück dokumentiert Baußnerns pädagogisches Bestreben, auch einfache Literatur für den Anfangsunterricht zu schreiben. Hochkarätiger war dann schon die von dem Darmstädter Künstlerehepaar Christine Frey (Flöte) und Harald Frey (Klavier) vorgetragene Suite für Flöte und Klavier. Zwar stapelt Baußnern etwas tief, wenn er die Suite der „reiferen Mittelstufen-Literatur“ zurechnet, denn es ist eine hochinteressante und anspruchsvolle Spielliteratur, die ganz aus dem Geiste der beiden Instrumente geboren scheint. Das Entstehungsjahr 1925 widerspiegelt auch etwas von der Vielfältigkeit der musikalischen Wege jener Zeit. Da findet man kontrapunktische Schichtungen von Mahler’scher Prägung wie auch harmonische Wendungen von Reger’scher Inventionskraft, Strauss’schen Witz und sogar impressionistische Klangfärbungen, ohne dass es eklektisch oder gar zusammengewürfelt erschiene. Auch wenn die drei Suitensätze gewissermaßen als Entracte-Einschübe zwischen die Redeblöcke platziert waren und damit der Werkzusammenhang etwas litt, so entstand dennoch der Eindruck einer eigenständigen und mitreißenden Tonsprache, die in den Bann eigener Spielfreude zu ziehen vermag.

Ein etwas anders geartetes und dennoch ähnlich gelagertes Bild von Baußnerns Musik vermittelten am nächsten Tag drei weitere Musiker mit einem weiteren Werk dieses Komponisten aus dem gleichen Jahr 1925. Cami Hotea-Schulz (Violine), Valeria Lo Giudice (Violoncello) und Angela Gehann-Dernbach (Klavier) spielten als musikalische Ausgestaltung der Preisverlei-hungs-Veranstaltung sein Trio „O bellissima Italia“. Wiederum waren die vier Sätze dieses Trios gewissermaßen als musikalische Garnierung zwischen die einzelnen Akte der Preisverleihungszeremonie gefügt. Aber auch diese „Zer-fledderung“ des Werkes konnte den Gesamteindruck einer äußerst lebendigen, spielfreudigen Musik nicht schmälern. „Einige glückliche Wochen in Italien gaben den letzten Anstoß zum Charakter des Werkes“, so Waldemar von Baußnern über die Entstehung des Werkes, das die ungetrübte Szenerie italienischer Landschaften widerspiegelt. Die vier Sätze changieren zwischen elegischem Schwelgen, narrativem Erzählen und emphatischen Höhenflügen, zwischen traumhaften Meditationen und tänzerischen Ausbrüchen um schließlich nach einer stimmungsvollen Gondoliera mit einer feurigen Tarantella in sprühende Lebensfreude umzuschlagen. In einer Zeit, da der Atonalismus eines Schönberg gerade Furore machte, schreibt Baußnern ein Werk, das sich bewusst einer spätromantischen Tonsprache bedient und sich in seiner unbekümmerten Heiterkeit allem theoretisch Problembehafteten und komposition-stechnisch Experimentellen verweigert. So heißt es in einem dem Werk vorangestellten Vorwort „…mit einem fröhlichen Lachen präsentiere ich den Herren Atonalisten dieses Werkchen … ohne gesteigerte technische Ansprüche [da stapelt Baußnern mal wieder ganz tief] das so ganz auf Melodie, volkstümlichen Rhythmus gestellt ist und (man sollte es 1925 kaum für möglich halten) Dreiklangswirkungen ohne Beschönigung bevorzugt … dann wollen wir einmal sehen, ob nicht wieder die ‚Melodie’ als allerschönste Frau im Reiche der Notenköpfe erklärt wird…“. Zu dem guten Eindruck trug auch das engagierte Spiel der drei Interpretinnen bei.

Hört man diese lebensfrohe Musik, die von großem technischem Können zeugt, so muss man feststellen, dass auch hier wieder ein Meister seines Fachs von den übermächtigen Gestalten jener Zeit überschattet wurde und wohl zu Unrecht in Vergessenheit geriet. Zumindest wir Siebenbürger sollten uns seiner erinnern und seines umfangreichen Werkes wieder annehmen. Das ist bereits einmal geschehen, nämlich als die Siebenbürger ihren großen Sohn anlässlich seines 60. Geburtstages für sich entdeckten und ihm 1926 ein großangelegtes Musikfestival in sieben Städten seiner Heimat widmeten. Damit hatte auch Baußnern den Bogen zu seiner Heimat wieder geschlagen. Im nächsten Jahr rundet sich sein 80. Todestag. Das wäre vielleicht ein Anlass, mehr von und über den Komponisten Baußnern zu erfahren.

Prof. Heinz Acker

Schlagwörter: Heimattag 2010, Ausstellung, Konzert, Komponist

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