30. November 2012

Mundart von Ernst Thullner

Ernst Thullner wurde vor 150 Jahren, am 22. Dezember 1862, in Birthälm geboren. Er war Lehrer (und Schulrektor) in Agnetheln und Mediasch (bis 1890). Danach wirkte er als Pfarrer im Unterwald, und zwar in Dobring, Großpold und Mühlbach, wo er 1918 starb. Lesen Sie von Thullner im Folgenden, jeweils in Mundart, das Stimmungsbild "Zer Äliedung" und "De Zegden ändre sich".
Zer Äliedung

Der Owend kitt: De Sann, dä sånk.
Grießvueter af der Trunnebånk
sätzt längst der Kalefok ellien;
driemt vun de gaden, ålden Zegden,
wä hie vun alle jange Legden
der stattlichst wor än der Gemien.


E lastich Feïr git lächte Scheng
und wärmt zeglech det Stiwke feng,
datt hie glatt näst vu Kälde wieß;
dro kunn de Änkelcher, de jangen,
gånz krippesrit erägesprangen
und klabbre schniël em af de Schiß.


„Grießvueter! Säht, et schnåt, et schnåt!“
Si kreïsche biede vueler Fråd:
„Der Wängter, die äs wedder kunn.
Ir soot jo, wo’ mer ienich weren,
erziëhlt Er es äm Wängter Meren.
Mer bidden naa, feht un, feht un!“ –


„Oho! Geduuld, ir schatzich Kängd!
Wuert noch e kegd! Der Owend brängt
es sächer nooch aldichen Giëst.
Seng dä iest alle guer bäsummen,
si soon ich ich ä Gottes Nummen
vun alle Meren de allerbiëst.“


Und wä de Giëst bä’nånder seng:
Der Nohber Misch, seng Frää, det Treng,
der Vetter Honz mät Frää uch Kängd,
si feht der Ålt un ze berichten:
Båld lastich, båld gorr ärnst Geschichten,
wä’t Liëwen se si mät sich brängt.


Und schwecht e dro aldiester ställ,
wel hie e wennich riëste wäll –
det Riëde måcht ient jo gorr mäd –,
si feht de Jugend un ze sängen.
Wä hiesch de sachsesch Liedcher klängen!
Wä deff se drängen änt Gemät!


Hun uch en puermol zagehiert
und bräng’n ich, wat ich do geliert:
Aldichen Mer, aldiche Lied. –
Gew Gott, der Härr, datt sachsesch Riëden
und sachsesch Sängen, sachsesch Biëden
än desem Lånd sich nämols briet.
Dobreng, äm Härwest 1897


De Zegden ändre sich


Äm Guerte sätzt en ienich Puer – et äs der Misch mät sengem Treng –
dä strieche sich und da sich hiesch, wä messen dä doch gläcklich seng!


„Misch, eh! Huest ta mich wärlich gärn?
Si reecht vun Härzen?“ frocht det Treng.
„Cha!“ sprächt der Misch,“ich känt vir Läw
dich friëßen. Ech bän iewich deng.“


E Johr vergiht. Und wedder sätzt
der Misch äm Guerte mät dem Treng.
Hie kreïscht und tuewt, ät grengt und schråt.
Hm, hm! Wat sil dett nana seng?


„Ta wult mich friëße jo vir Läw,“
feht naa det Trengchen un ze kloon.
„Schwech ställ! Et dit mer lied genach,
datt ich et damols net gedon!“


Worterklärung: Das Wort de Kalefok (auch männlich), gelesen Kallefook, mit der Betonung auf der zweiten Silbe, hat sich „wohl über die Schulsprache aus lateinich calefacere – erwärmen“ im Dialekt eingebürgert (Nordsiebenbürgisch-sächsisches Wörterbuch, Band III). Es bezeichnet den zum Heizen bestimmten Blechteil, der dem Kachel(Luther-)ofen vor- oder auch als Zylinder aufgesetzt war. Durch die Übertragung auf andere Ofenformen, vielleicht auch dank Thullners Buchtitel hat sich das Wort besser erhalten als die dingliche Vorstellung davon.

Ernst Thullner wurde vor 150 Jahren, am 22. Dezember 1862, in Birthälm geboren. Er war Lehrer (und Schulrektor) in Agnetheln und Mediasch (bis 1890). Danach wirkte er als Pfarrer im Unterwald, und zwar in Dobring, Großpold und Mühlbach, wo er 1918 starb. Zwei seiner von Hermann Kirchner vertonten und bis heutigentags häufig gesungenen Lieder sind in der Rubrik „Sachsesch Wält“ bereits abgedruckt worden: „Af deser Iërd, do äs e Lånd“ und das unter der Eingangzeile „Et wor emol en reklich Med“ besonders als Tanzlied bekannte „Schniël bekihrt“. Beide entstammen ebenfalls der vom Autor „Dem sachsesche Geboure vun ächtem Schlåch“ verehrten, in Hermannstadt 1898 erschienenen Sammlung „Bä der Kalefok. Geschichten uch Lidcher“. Diesmal bringen wir daraus das Stimmungsbild „Zer Äliedung“, über einen „Großvater“, der seinen Enkeln und anderen Gästen an einem Winterabend in der wohligen Wärme vor der Kalefok Geschichten erzählt, von denen auch der Verfasser manche gehört hat. Dazu eine dieser anekdotenhaften Thullner-Geschichten (S. 19-20) zum Lesen und Wiederlesen, über die wir auch heute noch gern lachen.

Hanni Markel und Bernddieter Schobel

Schlagwörter: Mundart, Saksesch Wält

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