19. Mai 2013

Forschungen über Wiener militärmedizinische Lehranstalt Josephinum

Dr. Robert Offner und Hansgeorg v. Killyen, Mitglieder der Sektion Naturwissenschaften des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde (AKSL), stellten vor kurzem in Wien und in Budapest die Ergebnisse ihres neuesten medizinhistorischen Forschungsprojektes dem interessierten Fachpublikum vor.
Die 142 Seiten starke Publikation auf Ungarisch und Deutsch mit dem Titel: „A bécsi Orvos-Sebészeti József-Akadémia (Josephinum) magyarországi növendékei és diákjai 1775-1874 / Ungarländische Zöglinge und Studenten der Wiener Medizinisch-Chirurgischen Josephs-Akademie (Josephinum) 1775-1874” bildet den Band 18 der Schriftenreihe über den Besuch ungarländischer Studenten an Universitäten Europas (peregrinatio academica). Dieses Projekt wird seit 25 Jahren unter der Leitung von Prof. Dr. László Szögi, Direktor des Universitätsarchivs der Eötvös Loránd Tudományegyetem zu Budapest, durchgeführt. Darin sind die zwischen 1526 und 1918 im Ungarischen Königreich und im (Groß)Fürstentum Siebenbürgen geborenen Studierenden der europäischen Universitäten erfasst.

Der 18. Band beinhaltet die Ergebnisse jahrelanger Recherchen im Wiener Staats-, Hof- und Kriegsarchivs sowie im Archiv der Universität Wien. In Dateien festgehalten wurden alle Zöglinge und Studenten der Wiener Medizinisch-Chirurgischen Josephs-Akademie (Josephinum) in der Zeit ihrer Existenz (1775 bis 1874). Diese Hochschule war die einzige militärchirurgische bzw. -medizinische Ausbildungstätte ihrer Art in der Habsburger Monarchie. Ihre Existenz und ihr Wirken bestimmte die Gleichstellung des Chirurgenberufes mit dem des akademisch ausgebildeten Mediziners. Sieben Jahrhunderte davor waren die Wundärzte (Barbiere, Feldschere) handwerkliche Heilberufler zweiten Ranges. In der unter Kaiser Joseph II. entstandenen Lehranstalt wurde die Akademisierung und Modernisierung der Chirurgie wesentlich vorangetrieben.

Die Erfassung der knapp über 1000 Namen von ungarländischen Zöglingen und Studenten kann nun weiteren unterschiedlichen Recherchen zur Verfügung stehen. In den Datenbanken, die im vorgestellten Buch vorliegen, sind die Namenslisten aller ungarländischen Studierenden genannt; zum Beispiel die der sog. „niederen Kurse“, die eine kurzzeitige Ausbildung erfuhren, so wie die mit eine fünfjährigem Studium, die dann Militärarzte wurden. Die erfassten Daten wurden nach Chronologie, Herkunftsgebieten, Konfession, Nationalität, sozialer Herkunft etc. der Studenten ausgewertet und kommentiert. Leider sind die Quellen nicht nur heterogen, sondern auch unvollständig, ein Teil ging im Zweiten Weltkrieg verloren. Der Anteil der in Siebenbürgen Geborenen unter den Zöglingen der militärärztlichen Akademie mit dem dazugehörigen großen Garnisonsspital betrug 13,6 Prozent, also 127 Personen. Einige der dort Ausgebildeten kehrten später nach Siebenbürgen zurück. Andere wiederum blieben in Wien, z.B. der Hermannstädter Michael Hager (1795-1866). Er wirkte am Josephinum als angesehener Professor der Chirurgie.

Die Buchvorstellung in Wien fand im Lesesaal des altehrwürdigen Josephinums, das seit 1920 das Institut für Medizingeschichte der Universität beherbergt, statt. Dr. Christiane Drumel, Vize­rektorin der Wiener Medizinischen Universität, begrüßte die Autoren und das Auditorium, darunter Persönlichkeiten der Wiener akademischen Welt. Der Gastgeber, Prof. Dr. Michael Hubensdorf, Leiter des Wiener Medizinhistorischen Institutes, berichtete über die Geschichte des Josephinums von 1785 bis heute. Prof. Szögi (ELTE, Budapest) informierte über die von ihm herausgegebene, oben genannte Schriftenreihe. Hansgeorg von Killyen stellte in seinem Vortrag die medizinhistorische Forschungstätigkeit der Sektion Naturwissenschaften des AKSL vor und setzte den Schwerpunkt auf die Leistungen der letzten 30 Jahre. Dr. Offner erläuterte historische Zusammenhänge über die Inhalte das Buches.

Zwei Tage später fand in Budapest im Festsaal des Semmelweis-Institutes in der Medizinhistorischen Bibliothek als Veranstaltung der Ungarischen Medizinhistorischen Gesellschaft die inhaltsgleiche Buchvorstellung durch die drei Referenten in deutscher und ungarischer Sprache statt. Prof. Dr. Károly Kapronczay vom Semmelweis-Institut begrüßte die Autoren – beide haben seit Jahren enge und fruchtbare Kontakte zu den ungarischen Kollegen – und die Gäste. Nach den drei Vorträgen folgte eine lebhafte Diskussionsrunde und ein Austausch von Publikationen.

Die wissenschafthistorische Publikation liegt mittlerweile auch in der Siebenbürgischen Bibliothek in Gundelsheim. Interessenten können das Buch direkt bei Dr. Robert Offner (E-Mail: r.offner [ät] t-online.de) beziehen.

HvK

Schlagwörter: Buchpräsentation, AKSL, Wien

Bewerten:

9 Bewertungen: +

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.