11. Juli 2013

Ein Naturschutz-Pionier für Siebenbürgen

In einem Nachruf auf den am 26. März 1940 verstorbenen Wiener Univ.-Prof. Regierungsrat Dr. August Ginzberger wurde dieser u. a. als einer der führenden Pflanzengeographen und als Naturschutz-Pionier Österreichs gewürdigt. Seine Studienzeit Ende des 19. Jahrhunderts war geprägt von berühmten Vortragenden der Botanik, die ihre Hörer für die „scientia amabilis“ begeistern konnten. So zog es den jungen Absolventen nach relativ kurzer Lehrtätigkeit in Wiener Neustadt und im südböhmischen Krumau als Exkursionsleiter ins (damalige) österreichische Karstgebiet Istriens und Dalmatiens. Mit 30 Jahren war der am 1. Juli 1873 zur Welt gekommene Ginzberger an das Botanische Institut und den Botanischen Garten der Universität Wien berufen worden.
Ausgedehnte Forschungsreisen führten ihn nach dem Ersten Weltkrieg nach Griechenland, Südspanien, Sizilien und 1927 sogar bis ins Amazonasgebiet, obwohl er seit zwei Jahren durch einen Schlaganfall in seiner Tätigkeit deutlich eingeschränkt war. Dem körperlichen Gebrechen trotzend, schaffte es der für ausgezeichnete Vorträge bekannte Professor, Fachartikel und das „Pflanzengeographische Hilfsbuch“ zu verfassen. Nebenbei leitete er von 1933-35 den Österreichischen Naturschutzbund. Gemeinsam mit August von Hayek hat er sich besondere Verdienste um die Verbreitung des Naturschutzgedankens und seine organisatorische Umsetzungspraxis in Österreich erworben. Aus siebenbürgischer Sicht muss sein Grundsatzartikel „Naturschutz in Siebenbürgen“ speziell gewürdigt werden. Dieser erschien im Jahrgang 1922 der Zeitschrift „Deutsches Vaterland“ (Untertitel: Österreichische Zeitschrift für Heimat und Volk), Sonderausgabe: Siebenbürger Sachsen. Darin sind einige erstaunliche, richtungsweisende Vorstellungen bezüglich eines „modernen“ Naturschutzes zu finden.

In Siebenbürgen selbst gab es zu jener Zeit auch einige verdienstvolle Botaniker und Geogra­phen, die sich um den Schutz seltener, gefährdeter Pflanzenarten oder auch wertvoller Areale bemühten. An vorderster Stelle ist dabei der Kronstädter Julius Römer zu nennen, der als Naturschützer schon ab dem Jahre 1908 auftrat und für das Burzenland eine in der heutigen Fachsprache „Rote Liste“ bezeichnete Aufstellung gefährdeter Arten und Gebiete veröffentlichte. In Hermannstadt ist es der Arzt und Hobby-Botaniker Karl Ungar, der die Schutzbedürftigkeit einzelner Wildpflanzen erkennt und sich für deren Erhalt einsetzt. Erwähnenswert ist unter den sächsischen Naturforschern auch der Geograph und Geologe Heinrich Wachner, bei dem ebenfalls gewisse Ansätze für Naturschutz-Überlegungen ausgemacht werden können. Von der „Klausenburger Gruppe“ seien die Geobotaniker Alexandru Borza und Iuliu Prodan angeführt. Auf ersteren geht u. a. die Einrichtung des Botanischen Gartens 1923 in der Universitätsstadt und die Gründung des Nationalparks Retezat (1935), des ersten in Rumänien überhaupt, zurück. Prodan hat ein umfangreiches Werk auf dem Gebiet der Vegetationsökologie und einige wichtige Monographien hinterlassen.

Im oben erwähnten, dreiseitigen Aufsatz geht Ginzberger zunächst auf den Zustand der Natur im mehrfach bereisten (Süd-)Siebenbürgen ein und bezeichnet diesen als „beneidenswert“. Er führt ihn auf die relativ „geringe Bevölkerungsdichte“ und die „unbedeutende Industrialisierung“ zurück. Hinsichtlich der menschlichen Eingriffe spricht er von „unberührter“ und „wenig berührter“ Natur. Als kritikwürdig erachtet er die gebietsweise Rodung des Bergwaldes zwecks Gewinnung von Weideland. Die extensiv betriebene Landwirtschaft sei andererseits dafür verantwortlich, dass der Bestand an größeren Raubtieren und Raubvögeln als ausgezeichnet bezeichnet werden könne.

Anschließend geht er auf die selbstgestellte Frage, was geschützt werden solle, etwas näher ein. Grundsätzlich sollte jeder Eingriff in die Natur möglichst schonend erfolgen („ethischer“ Naturschutz), wobei er es, wie es heißt, „der hohen Kultur besonders der Siebenbürger Deutschen“ überlässt, diesem Imperativ zur Anwendung zu verhelfen.

Neben Naturdenkmälern (Einzelgebilde wie Felsen, Bäume, Höhlen) oder dem Schutz bestimmter Tier- und Pflanzenarten, legt Ginzberger Wert vor allem auch auf den Schutz von Lebensgemeinschaften (Biozönosen). Dazu gibt er auch konkrete Ratschläge, auf die nur kurz eingegangen werden soll. Für das Hügelland etwa kämen in Betracht: Laubmischwälder, Sumpfwie­sen, Steppen, Salzliebende Pflanzengesellschaften u.a.m. Im Bereich der Randgebirge sollten z.B. Rotbuchenwälder, Lärchen-Zirben-Bestän­de, Zwergstrauchheiden, Hochstaudenfluren, Bergwiesen und Schuttfluren berücksichtigt wer­den. In diesem Zusammenhang kann sich der Artikelverfasser die Möglichkeit eines zusammenhängenden Schutzgebietes vorstellen, was rund 80 Jahre später unter der Bezeichnung „Natura 2000 Gebiet“ Realität werden sollte!

Der Wiener Gelehrte macht sich auch Gedanken über die Einrichtung von Schutzgebieten durch Behörden oder auch Vereine sowie über „ein Netz ständiger Beobachter und Berichterstatter“ dieser Flächen. Heutzutage spricht man diesbezüglich von Rangern und Langzeit-Monitoring! Als mögliche Vorbilder für eine Naturschutz-Organisation weist er zum einen auf die behördliche Form (wie etwa in Preußen), und andererseits auf die „vereinsmäßige mit behörd­licher Exekutive“, wie in Österreich, hin. In Siebenbürgen seien die Voraussetzungen für eine vereinsmäßige Organisation des Naturschutzes gleichwohl recht günstig. Schlussendlich greift August Ginzberger noch das Beziehungsproblem „Heimatschutz“ und „Naturschutz“ auf und möchte davon abraten, letzteren im Heimatschutz aufgehen zu lassen, sondern ihn mit eigener Wertigkeit diesem angegliedert sehen.

In Rumänien wurde 1930 das erste Naturschutzgesetz erlassen. Zwischen 1933 und dem Kriegsende kam es zur Errichtung von immerhin 36 Naturschutzgebieten (auf ca. 15000 ha). 1972 lag ihre Zahl bei rund 190 (100000 ha). Abgesehen von den in den fünfziger Jahren erfolgten Novellierungen und Erlässen, kam erst nach der sogenannten Wende auch in die Naturschutz-Gesetzgebung mehr Bewegung. Nicht zuletzt durch den Beitritt des Landes zu internationalen Naturschutzkonventionen genügt nicht mehr allein die Feststellung der Schutzgebiete, verpflichtend ist jetzt auch die behördliche Überwachung der Schutzmaßnahmen. Obwohl das Bewaldungsprozent von 26% unter dem europäischen Durchschnitt liegt, nimmt der Anteil der Urwälder bzw. der urwaldähnlichen Forstflächen Rumäniens mit rund 230000 ha einen Spitzenplatz ein.

Im historischen Siebenbürgen, flächenmäßig annähernd deckungsgleich mit den zehn Verwaltungskreisen, sind bis dato insgesamt rund 255 Naturschutzgebiete, einschließlich Naturdenkmale, mit einer Fläche von ca. 56000 ha festgestellt worden. Darunter sind so vielfältige Biotoptypen zu finden, wie z.B. der Schlammvulkan von Monor (Reener Ländchen), eine Schmetterlingswiese (mit 150 Arten!) bei Câmpia Turzii, das Vogelschutzgebiet von Sânpaul bei Oderhellen, und natürlich die Schäßburger Breite mit ihrem Stieleichen-Hudewald. Nicht minder interessant sind auch der sogen. Zackelberg bei Stolzenburg mit seinem Trocken-/Magerrasen (Adonisröschen- und Diptam-Vorkommen), wie auch der im Hatzeger-Land eingerichtete Dinosaurier-Geopark, sowie (für Instrumentenbauer!) der ca. 170-jährige Fichtenbestand (78 ha) mit Resonanzholz im Gurghiu-Gebirge. Darüber hinaus gibt es natürlich auch Landschaftsschutzgebiete und Feuchtgebiete nach der Ramsar-Konvention (Mieresch-Auen, Feuchtbiotope bei Schnakendorf). Die fünf Nationalparks, darunter auch der Königstein, die größtenteils regionenübergreifend sind, erstrecken sich auf über 33000 ha. Der Retezat-Nationalpark „beherbergt“ zusätzlich das gleichnamige UNESCO-Biosphärenreservat in der Größe von 2700 ha.

Einer niedrigeren Schutzkategorie unterliegen die sieben Naturparks. Hierbei handelt es sich zumeist um ganze Gebirgsstöcke (Butschetsch, Zibinsgebirge, Mühlbacher Gebirge), aber auch etwa um den „Jungen Wald“ in Hermannstadt und den Obermieresch-Durchbruch. Insgesamt fast 190000 ha.

Die sogenannte Fauna-Flora-Habitat (FFH-) Richtlinie der EU von 1992, die „zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen“ erlassen wurde, soll gemeinsam mit der Vogelschutzrichtlinie als Instrument für die Schaffung zusammenhängender Netze von Schutzgebieten dienen, die als Natura 2000-Gebiete bekannt wurden. Ein solches Gebiet ist auch im Großkokler Hügelland vorgesehen. Es soll sich in Ost-West-Richtung in einer Länge von 50 km erstrecken und eine mittlere Breite von etwa 20 km aufweisen.

Als Eckpunkte könnte man die Gemeinden Deutsch-Weißkirch und Reichesdorf im Süden sowie Großlasseln und Arkeden im Norden betrachten. Wenn man einen Blick auf den geplanten Trassenverlauf der Transilvania-Autobahn in Mittelsiebenbürgen wirft, fällt indes auf, dass diese das Natura 2000-Gebiet zwischen Neithausen und Dunesdorf auf einer Länge von ca. 20 km durchschneiden wird! Dabei könnte auch der Flaumeichenwald bei Kreisch, ein nur 12 ha großes Naturschutzreservat, in Mitleidenschaft geraten. Nachdem vor einigen Wochen das Finanzdebakel um dieses von Anfang an anrüchige Bauprojekt bekannt und der Vertrag mit der kalifornischen Firma aufgelöst wurde, ist inständig zu hoffen, dass es zu einer Neubewertung dieses Großvorhabens kommt, jedenfalls zu einer großräumigen Verschwenkung der Trassenführung zwischen dem Burzenland und der Anschlussstelle Neumarkt am Mieresch.

An dieser Stelle muss auch das leidige Problem im Nationalpark Retezat angesprochen werden, wo trotz wiederholter Proteste mehrerer Nichtregierungsorganisationen und von Privatpersonen die Nationalstraße DN66A von Uricani nach Herkulesbad gebaut wird! Gleichwohl kann füglich festgehalten werden, dass in Siebenbürgen der Stellenwert des Naturschutzes in den letzten zwei Jahrzehnten erheblich gestiegen ist. Außer einigen lokalen Aktionsgruppen, wie beispielsweise in Mediasch, die über das LEADER-Programm auch EU-Fördergelder abrufen, hat sich auch die internationale Zusammenarbeit auf Hochschulebene verbessert, so etwa zwischen der Universität Bonn und den Universitäten Klausenburg (Prof. L. Rakosy) und Hermannstadt (Prof. L. Drăgulescu).

Der Zustand der Naturraumpotentiale Siebenbürgens ist europaweit gesehen, auch heute noch „beneidenswert“, um August Ginzberger nochmals zu zitieren. Wo gibt es noch ganze Landstriche, wo es keinerlei Zersiedelung, keine Hochspannungsmaste, keine Mobilfunktürme und keine Windräder gibt? Die bange Frage lautet: Wie lange noch?

Walter Schuller

Schlagwörter: Naturschutz

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