29. Oktober 2022

„Schmetterlinge – reisende Seelen“: Hervorragendes Buch verdeutlicht, wie wichtig Schmetterlinge für den Kreislauf der Natur sind

Der Buchtitel macht neugierig, weckt unterschiedliche Erwartungen und wirft Fragen auf, die einer Antwort bedürfen. Das vor kurzem im Honterus Verlag Hermannstadt zweisprachig, deutsch und rumänisch, erschienene Buch „Schmetterlinge – reisende Seelen / Fluturi suflete călătoare“, für das drei Autoren zeichnen, lädt ein in die zauberhafte Welt der Schmetterlinge einzutauchen und die Geheimnisse ihres Lebens sowie ihrer Bedeutung im Haushalt der Natur kennenzulernen oder zu vertiefen.
Großer Schillerfalter (Apatura iris) ist noch ...
Großer Schillerfalter (Apatura iris) ist noch häufig in Siebenbürgen
Mit seinen zahlreichen Fachbüchern über Schmetterlinge gehört der Erstautor Prof. Dr. Dr. h.c. László Rákosy zu den bekanntesten europäischen Schmetterlingsforschern. Dr. Klaus Fabritius bringt seine Erfahrungen als Mitglied der Rumänischen Akademie für Land- und Forstwissenschaft und des Regionalforums Altreich des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien ein, während Eduard Duldner, Mitglied des Verbandes der Bildenden Künstler in Rumänien, den Buchumschlag und das gesamte Buch künstlerisch gestaltet hat. Zu der reichen Bebilderung des Buches haben 15 Fotografen beigetragen, die in den Bildquellen aufgeführt sind, wobei die meisten Fotos von László Rákosy und Klaus Fabritius stammen.

Schmetterlinge gehören zum Landschaftsbild einer Gegend, doch nur wenige Menschen zerbrechen sich darüber den Kopf, ob und gegebenenfalls welche Rolle sie im Naturhaushalt spielen. Dieser Frage widmet sich das vorliegende Buch in einer Weise, die nicht nur Naturwissenschaftler oder Schmetterlingsliebhaber, sondern auch die Allgemeinheit betrifft.

Blumenbunte Wiesen umschwärmt von Schmetterlingen, die nicht allein durch ihre Flugweise, ihr Flattern, Schwingen und Schwirren auffallen, sondern auch durch ihre bunten Farben und die zarten Zeichnungen ihrer Flügel bezaubern, werden immer seltener, viele sind vom Aussterben bedroht oder bereits ausgestorben. Leider ist auch festzustellen, dass die Schmetterlinge, so die Autoren, zu wenig beachtet werden, obwohl sie durch ihre Vielfalt und Farbenpracht nicht zu übersehen sind. Dabei spielen sie eine wichtige, oft verkannte Rolle im Haushalt der Natur, wie aus den Darstellungen des Buches hervorgeht.

Grund dafür sind menschliche Eingriffe in die traditonelle Kulturlandschaft durch veränderte Nutzungen der Wiesen, in denen das Dengeln der Sensen immer weniger zu hören ist, denn es ist einfacher, die Arbeit dem Mähtraktor zu überlassen, der bei häufigerer Mahd eine beträchtliche Verringerung der Blütenpracht verursacht. Außerdem werden viele Wiesen durch Mais- und Sonnenblumenfelder ersetzt. Hinzu kommen Veränderungen in den einst durch Hecken gegliederten Feldstrukturen, so dass alle diese Eingriffe schließlich für das Verschwinden der Wiesenblumen, Hochstaudenfluren und ihrer Besucher, der Schmetterlinge, verantwortlich sind. Die teils noch betriebene Subsistenzlandwirtschaft wird leider immer mehr durch eine intensive und umweltschädliche Landwirtschaft ersetzt.

Ihre Bedeutung im Kreislauf der Natur und ihre im Laufe der Jahrtausende erfolgte Integration in die Kulturgeschichte zeugen von der erkannten Symbolik dieser bedeutenden Gruppe von Lebewesen,die von den Autoren in ihrem Buch unter Verwendung literarischer Beschreibungen dargestellt sind. „Man muss schon blind oder sehr verhärtet sein, um beim Anblick der Schmetterlinge nicht eine Freude, einen Rest von Kinderentzücken, enen Hauch des Goethe’schen Erstaunens zu empfinden. Denn der Schmetterling ist ja etwas Besonderes, er ist ja nicht ein Tier wie alle anderen, er ist eigentlich überhaupt nicht ein Tier, sondern bloß der letzte, höchste, festlichste und zugleich lebenswichtigste Zustand eines Tieres“, schrieb der Schriftsteller Hermann Hesse in seinem Buch „Schmetterlinge, Betrachtungen, Erzählungen, Gedichte“ (Insel Taschenbuch 585, 1982).

Hermann Hesse, der sich selbst künstlerischen Darstellungen von Schmetterlingen gewidmet hat, weist auf ihre Farbenfroheit hin, wie sie auch auf den kunstvollen Aufnahmen im vorliegenden Buch zu bewundern sind, und schreibt: „dazu ist er (der Schmetterling) mit einem unerhört prachtvollen Kleide angetan, mit Flügeln, die viele Male größer sind als der Leib und die in Schnitt und Farben, in Schuppen und Flaum in einer höchst mannigfaltigen und raffinierten Sprache das Geheimnis seines Daseins ausdrücken... um das andere Geschlecht... zu locken, das Fest der Fortpflanzung strahlender zu begehen.“ Die bunte Vielfalt der im Buch wiedergegebenen Abbildungen von Schmetterlingen und ihre zarte Struktur erinnern auch an die Feinheit der Elfen, die oft in alten Kindermärchen ebenfalls als feine, zarte, schwebende Lebewesen beschrieben werden.

„Als Sinnbild der Kurzlebigkeit wie der ewigen Fortdauer wurden die Schmetterlinge den Menschen schon in früher Zeit zum Gleichnis und Wappentier der Seele“ (Hermann Hesse). Dank ihrer Metamorphose und ihrer Wandlung wurden Schmetterlinge in der Mythologie im Altertum und dem Mittelalter als reisende Seelen angesehen, wie sie auch von den Buchautoren vorgestellt werden.
Roter Apollofalter (Parnassius apollo). Fotos: ...
Roter Apollofalter (Parnassius apollo). Fotos: László Rákosy
Die wissenschaftlich fundierte, verständlich dargestellte Rolle der Schmetterlinge lädt ein, ihre Entwicklung und unglaubliche Metamorphose (Transformation) von der Eiablage über mehrere Raupenstadien bis hin zum reifen Raupenstadium und der Verpuppung manchmal mit festgesponnenem Seidenfaden (wie bei der Seidenraupe) zu verfolgen.

Hervorgehoben wird die sehr wichtige Rolle der Schmetterlinge im Haushalt der Natur, da sie zu den Bestäubern verschiedener Pflanzen gehören, wobei jede Pflanze ihre spezialisierten Bestäuber hat. Schmetterlinge und ihre Raupen haben neben anderen Insekten eine bestimmte Rolle in den Nahrungsketten der Ökosysteme. Daraus wird gefolgert, dass das Leben auf unserer Erde ohne Schmetterlige ganz anders aussehen würde, als es gegenwärtig ist.

Schmetterlinge sind nachweislich Bioindikatoren für die menschliche Tätigkeit und ihre Auswirkungen. So konnte beispielsweise der Birkenspanner (Biston betularia), der bereits um die Mitte des 19. Jahrhunderts durch dunklere Ausbildungen seiner Flügel die Industrieverschmutzung in Europa anzeigte, auch als Zeiger für die Industrieverschmutzung in Klein-Kopisch festgestellt werden, was sich an den dunkel gewordenen Flügeln ablesen ließ. In der traditionellen Kulturlandschaft mit einer Vielfalt an Strukturen, Wiesen Gebüschen, Hochstauden, Waldrädern und Bächen sind die Schmetterlinge Bioindikatoren für eine gesündere Umgebung, in der neben Mensch und Tier auch die zierlichen Schmetterlinge überleben und nützlich sein können.

Ihre Vielfalt, wie sie im Buch vorgestellt wird, ist überwältigend. Von seltenen bis zu häufigen Arten wird eine breite Pallette von Arten vorgestellt. Über sie ist im Buch viel Wissenswertes zu erfahren. Die Schmetterlinge sind anschaulich jeweils ihren Lebensräumen zugeordnet, wobei auch auf ihre Anpassungen Bezug genommen wird. Dort, wo es noch Schmetterlinge gibt, folgern die Autoren, ist der Zustand unserer Umwelt noch naturnah, wenig verändert durch menschliche Eingriffe und in dieser Umgebung auch gesünder für den Menschen. Wo das nicht stimmt, ist auch das Leben der Menschen nicht gesund und harmonisch.

Das Buch stellt Fragen und weist Sachverhalte auf, die nur nach langjähriger Forschungsarbeit und Erfahrungen beantwortet werden können. Es ist ein Werk, das zum Nachdenken über die durch den Menschen verursachten Veränderungen in der Natur auffordert, die sich auch auf die Welt der Schmetterlinge auswirken und sich sehr deutlich abzeichnen. Gleichzeitig erweckt es auch die Hoffnung, durch gewonnene Erkenntnisse über die Bedeutung der Schmetterlinge für den Haushalt der Natur, Maßnahmen zu ergreifen, um ihre Existenz für die Zukunft zu sichern.

Durch seine Aufmachung, seine Poesie und seine sachliche Darstellung, die auf fundiertem Fachwissen, auf Beobachtungsgabe, der Liebe zur Natur und der profunden Kenntnis der traditionellen Kulturlandschaft beruht, zeigt es auch, dass die Verbreitung des Wissens über Schmetterlinge und ihre Bedeutung im Naturhaushalt wichtige Anliegen der Autoren sind. Die Leser dürfen sich an einem Werk erfreuen, das in seiner Art, in Aufbau und Inhalt Seltenheitswert hat und auf Geheimnisse der Natur und ihrer Nutzungen durch den Menschen aufmerksam macht.

Das vom Deutschen Forum veröffentlichte Buch, ISBN 978-606-008-114-2, wird an Interessenten verschenkt, aber man kann eine Spende dafür entrichten. 500 Exemplare wurden nach Buchvorstellungen in Rumänien, zuletzt in Reschitza, bereits verteilt, weitere 700 Stück werden nun gedruckt. Anfragen bitte an das Demokratische Forum in Hermannstadt.

Erika Schneider

Schlagwörter: Buch, Naturwissenschaften, Naturschutz, Schmetterlinge

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