19. September 2016

Leserecho auf die "Streiflichter": Siebenbürgen – habsburgisch oder königlich-ungarisch?

Dr. Roland Phleps, Freiburg im Breisgau, hat mich in einem sehr freundlich verlaufenen Telefonat darauf hingewiesen, dass der Titel „Streiflichter aus ...“ grammatikalisch falsch sei, da Streiflichter nur „auf“ etwas fallen könnten. Ich erwiderte, dass es sich hier um Streiflichter handele, die aus meiner Sicht aus der Geschichte auf unsere Gegenwart fallen, denn unser Heute ist ohne das Gestern nicht zu verstehen.
Zur vierten Folge der „Streiflichter“ (vgl. Siebenbürgische Zeitung vom 25. Juli 2016, S. 7) wurden in der Siebenbürgischen Zeitung Online vom 31. Juli 2016 acht Kommentare abgegeben. Der Leser „bankban“ fragte nach dem Selbstverständnis Siebenbürgens zwischen 1541 und 1686: „Verstanden sich die Fürsten oder die Landstände als Organe eines neuen, suzeränes Staates, welchen Status quo sie akzeptiert haben? Oder gab es Bestrebungen, diesen Zustand zu überwinden und sich wieder mit Ungarn zu vereinigen? (ob unter österreichischer Oberhoheit oder unabhängig davon). Hatten die führenden Siebenbürger Sachen diesbezüglich außenpolitische Konzepte?“

Dazu antwortete ich ebendort: „Über das Fürstentum Siebenbürgen informiert man sich am besten in dem im Artikel genannten Buch von Gerald Volkmer. Fürsten und Landstände verstanden sich als Souveräne dieses Staates, akzeptierten aber die Oberhoheit des Sultans und zahlten ihm Tribut (und „Geschenke“). Bestrebungen, sich den Habsburgern [wegen eines Versehens steht im Kommentar das Wort „Hamburger“] anzunähern, gab es immer wieder, wurden aber von den Osmanen vor allem im 17. Jahrhundert brutal unterdrückt. Das außenpolitische Konzept der Siebenbürger Sachsen bestand darin, die Türken nicht zu reizen, aber nach Möglichkeit die Nähe zum Westen, sprich zum habsburgischen Kaiser und zur westlichen Kultur (Universitätsstudien, Lehrlingswanderungen etc.) zu wahren. Eigentlich wollten sie immer Teil des Reiches der Habsburger werden. Der ungarische Adel sah in Siebenbürgen eine Kontinuität zum 1526 untergegangenen ungarischen Reich, was heute noch (wieder) von der ungarischen Geschichtsschreibung propagiert wird, obwohl es ein „Königliches Ungarn“ im Westen und Norden gab, das aber von den ungeliebten Habsburgern beherrscht wurde. Alles etwas kompliziert, aber das Leben und die Geschichte sind nie einfach.“

Dazu kam von „bankban“ die Rückfrage: „Verstehe ich Sie richtig, wenn ich Ihre letzten Zeile so deute, dass es im fraglichen Zeitraum letztlich eine zweifache ungarische Staatlichkeit gab: die in und durch Siebenbürgen und die in bzw. durch das Königliche Ungarn?“

Hierauf antwortete ich: „Das ‚Königliche Ungarn‘ mit der Hauptstadt in Pressburg/Bratislava/Pozsony wahrte die Kontinuität der ungarischen Staatlichkeit. Dort trat der ungarische Reichstag zusammen, dort wurden die Habsburger mit der Stephanskrone zu ungarischen Königen gekrönt. Siebenbürgen hatte mit Johann I. Szapolyai zwar auch einen König, doch zum eigentlichen Königreich stieg das Land nie auf. Die angebliche Kontinuität der ungarischen Staatlichkeit in Siebenbürgen ist ein historiographisches Konstrukt.“

Da dieser Schriftverkehr ein nicht unwichtiges Detail siebenbürgischer Geschichte beleuchtet, sei er auch den Lesern der gedruckten Ausgabe der Siebenbürgischen Zeitung nicht vorenthalten.

Konrad Gündisch

Schlagwörter: Leserecho, Streiflichter

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