11. Dezember 2016

Gelungene Würdigung von Carl Filtsch in Bild und Ton

Wenn wir jemals ein Wunderkind in Siebenbürgen hatten, dann trifft das auf Carl Filtsch (1830-1845) bestimmt zu. Ihm, seinem Andenken waren in den letzten 30 Jahren schon zahlreiche Veranstaltungen gewidmet, eine der glanzvollsten allerdings jetzt, am 19. November im Sudetendeutschen Haus als Beitrag des Verbandes der Siebenbürger Sachsen und des Instituts für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas zu den diesjährigen Rumänischen Kulturtagen in München.
Es sei hier darauf hingewiesen, dass der Mediascher Musikpädagoge Ernst Irtel unser Wunderkind wiederentdeckt und eine erste (bekannte) Biographie von Carl Filtsch sowie seine damals bekannten Werke 1993 veröffentlicht hat. Dieser Vorarbeit sind dann die Bemühungen von Walter Krafft und Peter Szaunig zu verdanken, die sich um das musikalische und geistige Erbe von Carl Filtsch besonders verdient gemacht haben. Walter Krafft war bei dieser Veranstaltung dabei, Peter Szaunig ist leider im vergangenen Jahr gestorben.

Seit 1995 findet in Hermannstadt alljährlich das Internationale Festival mit Klavier- und Kompositionswettbewerb für begabte Kinder und Jugendliche aus vielen Ländern Europas statt, in diesem Jahr schon in 21. Auflage. Auch in Mühlbach, wo Carl Filtsch am 28. Mai 1830 als zehntes Kind des evangelischen Stadtpfarrers geboren wurde, gibt es regelmäßig seinem Andenken gewidmete Konzerte. Leonhard Westermayr und Boldizsár Csiky gehören zu den bedeutendsten Interpreten des von Filtsch hinterlassenen Werkes (insgesamt 14 bekannte Klavierkompositionen, einige davon erst posthum entdeckt). Viel mehr als hundert Wettbewerbsteilnehmer haben diese Stücke inzwischen in Hermannstadt und Mühlbach dargeboten, wie dies im Reglement vorgeschrieben ist.

Übrigens: Aus der Hermannstädter Zeitung erfahren wir, dass die Pianistin Henriette Gärtner am 6. November d.J. im Neuen Schloss von Bad Lobenstein (Thüringen) drei Stücke von Carl Filtsch dargeboten hat. Also nicht gar so vergessen, unser Wunderkind ...

Nun aber das ganz Besondere: Am 19. November wurde im vollbesetzten Adalbert-Stifter-Saal des Sudetendeutschen Hauses in München ein erwartungsvolles Publikum beglückt und begeistert. Da sich das Haus zurzeit im Umbau befindet und die Bühne für ein Klavier nicht zur Verfügung stand, hat man eine fabelhaft gute Lösung gefunden: Auf großer Leinwand konnte man das Klavierspiel der beiden jungen Solisten live bestens verfolgen. Gezeigt wurden auch Archivbilder von Carl Filtsch und seinem damaligen Umfeld, von seinen Konzertreisen durch Europa: Wien, Paris, London ... Er war ja der Lieblingsschüler von Frédéric Chopin und auch ein Liebling der Aristokraten. Sein bester Freund in Wien war kein Geringerer als Franz Joseph der I., der spätere Kaiser des Habsburgerreiches.
Mit frenetischem Applaus werden die Protagonisten ...
Mit frenetischem Applaus werden die Protagonisten des Carl-Filtsch-Abends im Sudetendeutschen Haus in München gefeiert (von links): Andrei Preda, Brigitte Drodtloff, Stefan Prețuleac. Foto: Hans-Werner Schuster
Als Siebenjähriger hat Carl Filtsch im Sommer 1837 auf Betreiben der Grafen Bánfy sein Mühlbacher Elternhaus in Richtung Wien und Paris verlassen. In Wien z.B. hat Constanze, die Witwe des genialen Wolfgang Amadeus Mozart, das Kind herzlich in die Arme geschlossen und gesegnet. In Wien weilte Filtsch auch bei Franz Liszt, war von dessen Erscheinung aber eher erschrocken als begeistert. In Paris, bei Chopin, war das dann ganz anders: Der schon von Krankheit gezeichnete Meister, der eigentlich keinen Unterricht mehr erteilen wollte, nahm den jungen Filtsch, von dessen Vorspiel geradezu begeistert, sehr gerne in die Lehre. In London hat der Junge, der übrigens schon fünf Sprachen beherrschte, dann mehrere Konzerte gegeben, mit so großem Erfolg, dass er auch der Königin Victoria vorspielen durfte. Sein in Wien in Staatsdiensten beruflich tätiger ältester Bruder Joseph hat Carl auf Reisen meistens begleitet. Und den Memoiren von dessen Tochter konnte man vieles zu Carls Lebenslauf entnehmen. Carl Filtschs Grabmal befindet sich auf einer kleinen Insel bei Venedig. Es wurde aus Mitteln der Siebenbürgisch-Sächsischen Stiftung München instandgesetzt und gepflegt.

Ergänzungen in dieser Richtung würden hier zu weit führen. Zum aktuellen Anlass: Hans-Werner Schuster, Bundeskulturreferent des Verbands der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, begrüßte in Vertretung auch der Mitveranstalter das Publikum sowie die Initiatorin und Vortragende Brigitte Drodtloff, Drehbuchautorin und Regisseurin, Vorsitzende der Gesellschaft zur Förderung der Rumänischen Kultur und Tradition. Ihr allumspannender Vortrag mit vielen historischen Bildern, Interviews und Archivmaterial, gespickt auch mit Anekdoten, wurde durch die Auftritte von zwei hochbegabten jungen Pianisten ergänzt. Beide spielten alles auswendig; es war kein Notenblatt zu sehen. Andrei Preda (18) aus Jassy bot zwei Werke von Filtsch dar sowie eine Etüde von Chopin und zwei Werke von Liszt; der 14-jährige Stefan Prețuleac aus Craiova spielte sehr gefühlvoll eine Ballade von Chopin sowie die Barcarole, die Romanze ohne Worte und abschließend das Venediger Lebewohl, das herrlich schöne „Adieu“ unseres Wunderkinds Carl Filtsch.

Hier darf angemerkt werden, dass eines der beiden langen Klavierstücke von Franz Liszt – von Andrei Preda allerdings meisterhaft furios vorgetragen – den Rahmen und die Filtsch-Atmosphäre eher gesprengt hat. Unser Wunderkind wäre bei diesem harten Liszt wohl ein übriges Mal erschrocken ... Das auf hundert Minuten angesetzte Programm verlängerte sich um einiges, was aber dank der abwechslungsreichen und hochwertigen Darbietungen gar nicht störend empfunden wurde.

Dies war wohl eine der bisher umfassendsten und hochwertigsten Würdigungen, die das Andenken des vor 170 Jahren allzu früh dahingeschiedenen siebenbürgischen Wunderkinds bisher erfahren hat. Schlussfrage gestattet? Wann wird wohl zur Premiere des angekündigten Spielfilms über Carl Filtsch geladen werden?

Ewalt Zweyer

Schlagwörter: Carl Filtsch, Hommage, München, Rumänische Kulturtage, Drodtloff

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