2. März 2024

Ein faszinierendes Ernst-Irtel-Konzert in München

Es war mehr als nur ein musischer Nachmittag, der 3. Februar 2024, als im Münchner Haus des Deutschen Ostens die Kreisgruppe München des Verbandes der Siebenbürger Sachsen zu einem Ernst-Irtel-Gedenkkonzert geladen hat. Vor mehr als 100 Zuhörern traten mehrere Musikerinnen und Musiker auf, um gemeinsam dem bedeutenden siebenbürgischen Lehrer und Komponisten Ernst Irtel (1917-2003) Ehre zu erweisen. Die Protagonisten dieses Konzertes waren meist ehemalige Schüler Irtels oder Zeitgenossen, die bis heute von dessen Ausstrahlung fasziniert blieben.
Mühlbach, Schäßburg, Heltau, Mediasch oder Hermannstadt – all diese wohlklingenden Ortsnamen wurden an diesem Nachmittag mehrmals genannt, jeweils vielleicht mit Erinnerungen getränkt oder mit Wehmut ausgesprochen, umrahmt von siebenbürgisch-sächsischem Dialekt, dem ebenfalls die Reverenz erwiesen wurde.

Schon der Titel des ersten Liedes – „Ech gon af de Bräck“ – und der Name des Ensembles – „De Lidertrun“ – führten direkt in den Mittelpunkt und zum Sinn dieses gemeinsamen Nachmittags. Und wenn dieser Dialekt noch in Musik gehüllt dem interessiert lauschenden Publikum dargeboten wird, konnten die Veranstalter sicher sein, dass das Ziel erreicht wurde.
Gedenkkonzert Ernst Irtel in München, von links ...
Gedenkkonzert Ernst Irtel in München, von links nach rechts: Margrit Csiky, Georg Ongert, Marlene Mild, Karl Piringer, Angela Seiwerth, Hans Seiwerth, Michael Gewölb, Christian Duca, Rolf Binder, Heidi Mößner. Foto: Georg Teutsch
Vor einem halben Jahrhundert (1974) hatten die Mitglieder der Lidertrun als Studierende an der Hermannstädter Hochschule für Geschichte und Philologie ihr Ensemble – damals unter dem Namen „Cibinium-Quartett“ – aus der Taufe gehoben. Ihr Ziel war es damals, alte siebenbürgisch-sächsische Balladen aus der Brandsch-Sammlung mit neuen Interpretationen und Klängen in eine Zeit erneuerter Klangvorstellungen hinüberzuretten. Ab 2002, also einige Zeit nach der Auswanderung, wurde diese Musikgruppe in Deutschland neubelebt und begann mit Auftritten. So auch 2003 auf Schloss Horneck, wo Ernst Irtel seinen Lebensabend verbringen konnte, nur kurze Zeit von dessen Hinscheiden. Heute trägt das Musikzimmer auf Schloss Horneck in Gundelsheim den Namen dieses bedeutenden Musikers: „Irtel-Salon“.

„Anders rauschen die Brunnen, anders rinnt hier die Zeit…“ Mit diesen Versen der „Siebenbürgischen Elegie“ Adolf Meschendörfers, die Ernst Irtel vertont hat, präsentierte Christian Duca, der Neffe des Komponisten, viele bisher unbekannte Fotos aus dem Leben des Gefeierten. So z.B. eines auf dem Ernst Irtel neben einer jungen Violinistin zu sehen ist: die später berühmt gewordene Anne-Sophie Mutter. Besonders die Tonaufzeichnungen mit der Stimme Irtels wurden von den Zuhörern mit Ehrfurcht genossen: Ein Leben mit der Musik und für die Musik. Margrit Csiky führte als Moderatorin geschickt durch die Programmfolge dieser Veranstaltung, war sie doch selbst eine Schülerin Irtels am Mediascher Lyzeum. So stellte sie auch das weniger bekannte Buch Ernst Irtels vor, in welchem er sich mit dem kompositorischen Schaffen des siebenbürgischen Wunderkindes Carl Filtsch beschäftigt hat. Rolf Binder spielte daraufhin zwei Kompositionen dieses Chopin-Schülers: „Romanze ohne Worte“ und „Barcarole“. Mit Mozarts Sonate C-Dur KV 545 erinnerte er anschließend an die beliebten Komponistenstunden, die der Musikpädagoge regelmäßig in Mediasch abhielt. Der besondere Wert dieser „Irtel-Abende“ bestand darin, dass er in Zeiten von dunklem Proletkultismus Inseln für das Geistige schuf.

Im Mittelpunkt des Abends standen jedoch Werke des Komponisten Ernst Irtel. Georg Ongert, ehemals Solocellist der Hermannstädter Philharmonie und heute ein gefragter Kammermusiker in Nürnberg, spielte drei Miniaturen für Cello, begleitet am Klavier von Angela Seiwerth, die bereits in Siebenbürgen unter Irtels Anleitung ihre kammermusikalische Tätigkeit begonnen hat. Selbst familiär gab es einen Bezug zu Ernst Irtel: Ihre Großmutter war die erste Klavierlehrerin des späteren Komponisten und Pädagogen. Es handelt sich bei diesen Miniaturen eigentlich um Liedkompositionen, die der Komponist geschickt für das Violoncello bearbeitet hat. Man könnte fast sagen, dass kein anderes Instrument so geeignet ist, den lyrischen Charakter dieser kleinen Meisterwerke so gekonnt vorzutragen. Und dazu noch mit einer kunstvollen Klavierbegleitung versehen, wobei „Begleitung“ nicht das geeignete Wort wäre, denn beide so unterschiedliche Instrumente konkurrieren gleichzeitig und auch alternierend um den Applaus des Zuhörers.

Marlene Mild (Gesang), Angela Seiwerth (Klavier). ...
Marlene Mild (Gesang), Angela Seiwerth (Klavier). Foto: Heidi Mößner
Dem Lied wurden im Laufe der Geschichte bereits viele Denkmäler gesetzt. Auch Ernst Irtel hinterließ uns mehrere Kunstlieder, davon wurden viele durch Frieder Latzina veröffentlicht. Die Sopranistin Marlene Mild trug sechs dieser Irtel-Lieder vor und führte das Publikum so zum Höhepunkt dieses musikalischen Nachmittags. Selbst in Mediasch geboren, kannte sie den Komponisten noch aus ihrer Kinderzeit und 1997 hat er ihr einige dieser Lieder gewidmet. Marlene Mild ist eine Meisterin in der hohen Kunst der Liedinterpretation, was sie den interessiert lauschenden Zuhörern kunstvoll bewiesen hat. Sie beherrscht alle Register des umfangreichen Ambitus dieser Irtel-Lieder, sang auswendig und immer von dem Klavierpart mit viel Gefühl und Können begleitet. Ähnlich wie bei den Miniaturen für das Cello, kann auch bei diesen Liedern von keiner „Begleitung“ durch das Klavier mehr die Rede sein. Es ist stets ein gemeinsames äußerst intensives Musizieren, das geübt werden muss. Besonders die Vertonung des Theodor-Storm-Textes „Schließe mir die Augen zu“, die choralartig beginnt und sich durch den polyphon anmutig bearbeiteten Klavierpart stetig bis zum Schluss steigert, um im letzten Vers wieder zur Ruhe zu kommen, wurde von den begeisterten Zuhörern mit einem langen und ehrlich verdienten Applaus belohnt.

Hans Seiwerth, ehemals Lehrer an der Brukenthalschule, Chorleiter und Gründungsmitglied der Gesellschaft für deutsche Musikkultur im südöstlichen Europa e.V., zeichnete für die Konzeption dieser gelungenen Gedenkveranstaltung, die mit dem alten siebenbürgisch-sächsischen Lied „Kli Wäld Vijelchen“ endete. Ein Lied, das sich angeblich im geistigen Gepäck der Kolonisten befand, als sie vor 800 Jahren aus dem Moselgebiet nach Siebenbürgen kamen. Geschickt wechselten die Mitglieder des Ensembles mitunter ihre Instrumente, trugen die Verse alternativ vokal oder instrumental vor, einstimmig, mehrstimmig, a-capella oder mit Begleitung. Und als dann zum Schluss einige Zuhörer in die Melodie einstimmten, wusste man: Ernst Irtels Bemühungen um die Musikkultur in Siebenbürgen hat Früchte getragen. Über Zeiten und über Grenzen hinweg. Dieses Projekt wurde vom Kulturwerk der Siebenbürger Sachsen e.V. aus Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales gefördert.

Dr. Franz Metz

Schlagwörter: Irtel, Konzert, München, Gedenken

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