17. November 2020

Gedanken über Geschichte, Heimat und Zukunftsfragen

Was ist wirklich interessant an dem Buch „Gedanken über Siebenbürgen und über die Siebenbürger Sachsen auf ihrem Weg zu Weltbürgern“? Warum wurden diese Zeilen überhaupt geschrieben? Wie gelingt es dem Verfasser, bei seinen Adressaten Genuss zu erzeugen? Diese Fragen stellte ich mir bei der Lektüre des jüngsten Werkes von Julius Henning. Einem Nachdenklichen sowie in Schäßburg Geborenen, dem es schon im letzten Jahr mit einer „Festschrift zur Würdigung der 250-jährigen Wiederkehr der Sprachverwandtschaft zwischen dem Letzeburgischen und der siebenbürgischen Mundart“ gelang, recht belebende und zugleich auch historische Brückenschläge zu vollziehen.
Seine jetzt in Druckform vorliegenden neuen Gedankenwelten sind in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. Wie er persönliche Erfahrungswerte, geschichtliches Grundwissen und nie versiegende Heimatliebe vernetzt und daraus einen leicht verständlichen Text kredenzt, sorgt für Freude beim Lesen. Schon bei den ersten Zeilen wird erkennbar, dass dem Autor die Leidenschaft niemals abhandenkommt. Die Biografie des 94-Jährigen steht für permanente Vitalität. Angereichert ist diese durch schwergewichtige Umbrüche, die prägend waren. So bittet Julius Henning auf der Zielgeraden um Gehör. Das Weltgeschehen sei gerade recht ungemütlich. Ereignisse produzieren immer wieder neue Probleme. Dies zeige sich nach seinem Empfinden geradezu exemplarisch in der Flüchtlingsfrage und unserem Umgang mit derselbigen.

Bereits im Geleitwort des Buches äußert der Autor die Hoffnung, dass die nachfolgenden Kapitel vor allem Interesse an der Geschichte seiner Landsleute wecken. Klar, damit meint er die Siebenbürger Sachsen im Karpatenbogen. Beleuchtet werden die geologische Entwicklung und die Tierwelt dieser Region. Unterschiedliche Völker schauten dort vorbei, verließen das Gebiet wieder oder blieben ganz einfach da. Kurzum: Lange bevor Flandrer, für ihn die Vorboten der Einwanderung nach Siebenbürgen, ankamen, hatte die zeitgeschichtliche Langeweile in diesem Teil Südosteuropas keinerlei Chancen. Fast schon egal war, ob es sich dabei um römische Legionäre, dakische Bewohner, gotische Wanderer oder ungarische Abenteurer handelte.

Platz fand in der vorliegenden Ausgabe zugleich ein Auszug aus einem Schauspiel, welches die Anfänge der wohl bedeutendsten Siedlung dieser deutsch sprechenden Neuankömmlinge melancholisch beschreibt. Mit allerhand persönlich eingefärbten Blicken auf das Leben Siebenbürgens gelingt Julius Henning die Inszenierung einer recht unterhaltsamen und gleichzeitig nachdenklichen Geschichtsstunde. Selbstverständlich können die partiell durchaus als tragisch zu bezeichnenden Ereignisse des 20. Jahrhunderts keineswegs ausgeblendet werden. Liebliche Hoffnungen, gepaart mit einer positiven Grundhaltung, versiegen bei dem sich Erinnernden nie. Nicht nur der bisherige Werdegang seiner Landsleute ist mit vielen Alleinstellungsmerkmalen angereichert, sondern sie seien gerade deswegen fit für Zukunftsfragen und befänden sich gerade auf dem Weg zu Weltbürgern. Die Strecke bis dorthin ist zuweilen steinig und am Horizont grüßt noch nicht einmal das Paradies. Aber in puncto kultureller Vielfalt, mentaler Gutmütigkeit sowie religiöser Toleranz nehmen Siebenbürgen und seine Bewohner einfach eine Vorreiterrolle ein. Und dies vielleicht sogar weltweit.

Roland Barwinsky

Julius Henning: „Gedanken über Siebenbürgen und über die Siebenbürger Sachsen auf ihrem Weg zu Weltbürgern“. Preis: 8,00 Euro, einschließlich Versandkosten, zu bestellen bei Julius Henning, Bichlerstraße 19, 75173 Pforzheim. Telefon: (07231) 24864, oder E-Mail: julhenning [ät] alice-dsl.net.

Schlagwörter: Rezension, Toleranz, Julius Henning

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