5. September 2022

Mit der Wusch im Harbachtal: Kultursommer 2022 in Hundertbücheln, Holzmengen, Agnetheln

Nach der gelungenen Premiere des Theaterstücks „,Se kit, se kit…‘ – De Wusch uch Nået äm Hårbåchtool“ beim diesjährigen Heimattag in Dinkelsbühl trafen wir uns am 6. August in Hundertbücheln zur Probe mit fünf neuen SchauspielerInnen und verabschiedeten uns eine Woche später bei den Kulturtagen in Agnetheln: 39 Mitglieder der extra für die Wusch-Geschichten zusammengestellten und vom Landesverband Bayern des Verbandes der Siebenbürger Sachsen eingeladenen Theatergruppe der HOG-Regionalgruppe Harbachtal-Hermannstadt mit Wurzeln im Harbachtal – eine zusammengewachsene Gemeinschaft, die viel Spaß hatte und super Durchhaltevermögen bewies.
Die Theatergruppe der HOG-Regionalgruppe ...
Die Theatergruppe der HOG-Regionalgruppe Hermannstadt-Harbachtal unter der Leitung von Doris Hutter. Foto: Dagmar Seck (Mitglied der Theatergruppe)
Am 6. August organisierte Hermann Ongert, der HOG-Vize von Hundertbücheln, nach dem Gottesdienst mit Pfarrer Andreas Orendt einen Hof, wo wir proben konnten. Die Hauseigentümerin war überaus gastfreundlich, die Stuttgarter Blaskapelle (Dirigent Hans-Otto Mantsch) machte gute Stimmung, die Sonne ließ sich nicht lumpen und der Saal füllte sich mit 180 Hundertbüchlern und weiteren ca. 60 Gästen, darunter Bischof Reinhart Guib mit Gattin. Das Publikum erfreute durch Aufmerksamkeit und passende Lacher. Nach dem Gottesdienst, der der Instandsetzung und Reparatur der Dächer gewidmet war, hatte Ioan Maca, der Bürgermeister von Jakobsdorf, ein Grußwort an die Gäste gerichtet und es hatte Fotos mit zahlreichen Trachtenträgern gegeben.

Tags darauf ebenfalls Trachtenträger im Gottesdienst mit Pfarrer Hans-Georg Junesch und rund 250 Gästen in Holzmengen, wo HOG-Vorsitzender Thomas Schneider mit seinem Team das festliche Wochenende gestaltete. Nach dem Auftritt der Theatergruppe entstand im Schatten der ehrwürdigen Kirchenburg, umrahmt von Klängen der Stuttgarter Blasmusik, das Gruppenbild der Schauspieler, die trotz Hitze und eigener Pflichten im Heimatort wieder angereist waren und ihr Bestes zur Unterhaltung des Publikums gegeben hatten.
Szene aus dem Auftritt in Hundertbücheln. Foto: ...
Szene aus dem Auftritt in Hundertbücheln. Foto: Gunter Wayand
In der Woche danach fiel die geplante Wusch-Fahrt von Holzmengen nach Cornăţel zwar einem Gewitter zum Opfer, doch die Schauspieler erlebten in anderen Orten Siebenbürgens besinnliche Augenblicke oder fröhliche Feste, Wanderungen, Arbeitseinsätze in und um die Kirchen.

Am Samstag, dem 13. August, begannen die Agnethler Kulturtage in der evangelischen Kirche mit der Buchvorstellung „Wo die Urzeln zuhause sind. Agnetheln – Schritte durch Geschichte und Kirchenburg“, ein Wegweiser von Horst und Ruth Fabritius sowie Helga Lutsch. Anschließend gab es Führungen durch die renovierte Kirche und Türme.
Siebenbürger Blaskapelle Stuttgart unter ihrem ...
Siebenbürger Blaskapelle Stuttgart unter ihrem Dirigenten Hans-Otto Mantsch in Hundertbücheln. Foto: Gunter Wayand
Die Agnethler Kulturtage, organisiert vom Bürgermeisteramt, dem Kulturhaus „Ilarion Cocişiu“, Harbachtalmuseum, Urzelnzunft „Breasla Lolelor“ in Zusammenarbeit mit der evangelischen Kirche und der HOG Agnetheln, wurden, begleitet von der Landshuter Blaskapelle unter der Leitung von Otto Wellmann, durch Bürgermeister Alin Schiau-Gull auf einer großen Bühne im Kirchhof mit den Worten eröffnet: „Ich glaube fest daran, dass kulturelle Veranstaltungen und Investitionen in die Kultur wesentlich für die langfristige Entwicklung unserer Gemeinschaft sind! (...) Das Zusammenhörigkeitsgefühl der weggezogenen und jetzigen Agnethler muss erst wachsen. Doch nach Jahren wird diese kulturelle Identität uns helfen, mit der gleichen Liebe und Freude über unsere Stadt Agnetheln und unsere Gemeinschaft zu sprechen …“. Es sprachen weitere Ehrengäste. Pfarrer Andrei Iancu, Dekan des rumänisch-orthodoxen Dekanats Agnetheln, lobte die funktionierende Ökumene in Agnetheln, seitens der ungarischen Gemeinschaft sprach der reformierte Pfarrer Kozma Endre von Freundschaft, von unserer Verpflichtung, den wertvollen spirituellen Schatz unserer Vorfahren an weitere Generationen weiterzugeben. Seitens der Evangelischen Kirche griff Hauptanwalt Friedrich Gunesch die Renovierung der Agnethler Kirchenburg auf, den Mittelpunkt dieser Kulturtage, und dankte allen unterschiedlichen Akteuren namentlich, betonte: „Wir werden diese gemeinsame Verantwortung für ein Projekt von 1,4 Millionen Euro schultern können und wir nehmen die Herausforderung an bzw. sehen die Chance, unseren Kindern und Kindeskindern, den Agnethlern, Harbachtalern und weit darüber hinaus, in dieser herausragenden Kirchenburg das Gestern und Heute, aber auch das Morgen und Übermorgen zu vermitteln.“ Doris Hutter überbrachte den Gruß der HOG, sagte, dass es für uns ausgewanderte Sachsen sehr wichtig ist, dass die Agnethler Bevölkerung unser kulturelles Erbe schätzt und sorgsam bewahrt, und betonte: „Die Lole haben schon den alten Urzelbrauch übernommen und pflegen ihn sehr gut. Danke, liebe Urzelnfreunde, für diesen respektvollen Umgang!“ Zunftmeister Radu Curcean und die Vertreter der Sachsenheimer und Traunreuter Urzeln, Michael Gärtner bzw. Dieter Graef, brachten ihre Grüße in freundschaftlichem Schulterschluss, worauf die Kulturtage als eröffnet galten.

Die Urzeln eröffneten das vielfältige Bühnenprogramm mit einer beeindruckenden Show ihrer Traditionsfiguren unter der Leitung von Bogdan Pătru, der 2006 in Agnetheln den Urzelbrauch für seine Schüler wieder zum Leben erweckt hatte. Zum Schluss der Vorführung wurde wie an jedem Urzelntag das Lied „Siebenbürgen“ gesungen. Anschließend fand ein Festzug aller Aktiven statt. Die Kapelle, gefolgt von den höchsten Vertretern der Stadt, führte den Zug an. Es reihten sich ein die Trachtenträger der HOG, unsere Theatergruppe, die Urzeln und Lole, die rumänischen Jugendtanzgruppen, Rethersdorfer Landfrauen in ihrer Tracht und die Musiker „Taraf“ des Kulturhauses.

Im Kirchhof befanden sich Ausstellungen der Urzeln, einiger Gewerbe, darunter von Dietmar Stirner, eine Buch- und Bilderausstellung der SchülerInnen von Lehrerin Marilena Cernea, auf Glas gemalte Ikonen von Silvia Oros, Hutmacher, die ihre Kunst vorführten, rumänische traditionelle Teppiche und Gewebe der „fleißigen Frauen aus Rethersdorf“, die auch traditionelle rumänische Hanklich mitgebracht und schon bei den Klängen der Blaskapelle an die Gäste verteilt hatten.

Auf der Bühne erfreuten die Jugendlichen vom „Ansamblul Cununa“ mit deutschen und rumänischen Tänzen, die Gitarrenschülergruppe von Marius Ghizăşan, die Volkstänze der AnfängerInnen aus dem „Ansamblul Hârtibaciul“, geleitet von Ioan Sârbu, Gesangsgruppen des Kulturhauses „Ilarion Cocişiu“ unter der Leitung von Doina Părău, Darbietungen des Orchesters, geleitet von Nicolae Vâştea, und mehrere SängerInnen. Mittendrin unser Theaterstück „Se kit, se kit … De Wusch …“, in dessen Pausen die Landshuter Kapelle ebenfalls festliche Stimmung verbreitete. Außen herum gab es traditionelle Gastronomie und abends Ball mit vielen tanzfreudigen Gästen, berührende Begegnungen, Spaß und Frohsinn bei lauen Temperaturen.

Am Sonntag wurde die renovierte Kirche durch Bischof Reinhart Guib neu eingeweiht im Beisein der schon erwähnten Vertreter der befreundeten Kirchen und Bürgermeister Alin Schiau-Gull, die alle ein Grußwort sprachen. An der Orgel gab uns Erich Türk aus Klausenburg die Ehre. Trachtenträger der HOG und Ehrengäste in rumänischer Tracht schmückten den Gottesdienst. Es wurden zwei Tafeln enthüllt: eine zum Gedenken an den verstorbenen Pfarrer Reinhardt Boltres und die Spendertafel der HOG Agnetheln, die von Kuratorin Andrea Schiau-Gull bzw. Doris Hutter präsentiert wurden. Die Kirche war voll und die Klänge der Stuttgarter Blaskapelle bereicherten den Gottesdienst.
Reigen der Freundschaft (Hora prieteniei) in ...
Reigen der Freundschaft (Hora prieteniei) in Agnetheln. Foto: Marius Romilă
Zum Abschluss der Agnethler Kulturtage wurde von Trachtenträgern und weiteren Gästen die „Hora prieteniei“, also der Reigen der Freundschaft, getanzt – beeindruckende Augenblicke und Bilder, die um die Welt gingen.

Mir bleibt nur noch Dank zu sagen. Dank dem Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales, das diese Theaterreise und damit auch den Siebenbürgischen Kultursommer und die Kulturtage der Stadt Agnetheln über den Landesverband Bayern und das Kulturwerk der Siebenbürger Sachsen gefördert hat. Dank an meine Theatergruppe, die so gut zusammengehalten und mit der Wusch so vielen Menschen Freude bereitet hat! Und Dank all denen, die zu den vielen Augenblicken erlebter, gelebter und bereichernder Gemeinschaft über mehrere Grenzen hinweg beigetragen haben!

Doris Hutter

Schlagwörter: Agnetheln, Harbachtal, Theater, Wusch, Doris Hutter, HOG

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