16. Oktober 2022

Medienrummel hält an: Bücherfunde in der Mediascher Margarethenkirche werden weiterhin wissenschaftlich ausgewertet

Das große Interesse, das den ersten Forschungsergebnissen im Rahmen des Projekts „Schriftlichkeit und Lesekultur in Mediasch vom 14.-16. Jahrhundert“ in den ersten Septembertagen in den rumänischen Onlinemedien, in manchen sozialen Medien, aber auch in der Fachpresse entgegengebracht wurde, hat die an dem Projekt Beteiligten überrascht, zumal der „Medienrummel“ sich mit gut zweimonatiger Verspätung nach der Erstveröffentlichung der vorläufigen Forschungsergebnisse entfaltete.
Die „Schöpfung“ und eines ihrer Geschöpfe: Wie ...
Die „Schöpfung“ und eines ihrer Geschöpfe: Wie viele Jahrhunderte lagen diese gepressten Blumen wohl in einem Band aus Martin Luthers Gesamtwerk, gedruckt im Jahre 1580 von Matthaeus Welack in Wittenberg, jüngst wiederentdeckt in der alten Mediascher Gymnasialbibliothek?
Die ersten Presseberichte in der Siebenbürgischen Zeitung (online am 1. August und als Printausgabe am 8. August), im Mediascher Infoblatt (23. Jahrgang, Nr. 43, S. 8-9) sowie in einem ausführlichen Interview von drei an dem Projekt beteiligten Wissenschaftlern in einem Mediascher Blog fanden keine weitere Beachtung. Erst als die bekannte Batthyaneum-Bibliothek aus Karlsburg mit einer sehr freundlichen Berichterstattung auf das Projekt aufmerksam machte und auf ihrer Facebook-Seite über den „Bücherfund“ berichtete, kam „Leben in die Sache“. Die einzigen, die unmittelbar mit dem Forschungsteam in Verbindung getreten sind, waren Journalisten von der Nachrichtenagentur Agerpres (https://www.agerpres.ro/cultura/2022/09/17/cluj-carti-si-documente-vechi-unele-chiar-de-1-200-de-ani-descoperite-de-un-profesor-clujean-in-medias--980722) und von der Tageszeitung Adevărul, die den Kontext und die Bedeutung des wissenschaftlichen Vorhabens angemessen beschrieben haben.

Alsbald verselbständigte sich die Meldung. Mit anderen Worten, die Nachricht zirkulierte durch zahlreiche rumänische Onlinemedien und wurde durch reißerische Schlagzeilen („Indiana Jones la Mediaş“) und hinzugedichtete Einzelheiten „bereichert.“ Dies veranlasste den wissenschaftlichen Koordinator des Projekts, Dr. Adinel Dincă, in Abstimmung mit Dr. Konrad Gündisch, der das Projekt wissenschaftlich begleitet, sowie die beiden anderen Projektpartner – die Evangelische Kirchengemeinde und die Heimatgemeinschaft Mediasch – zu einer Klarstellung. Diese erschien dreisprachig (deutsch, rumänisch, englisch) auf der Facebook-Seite der Evangelischen Kirchengemeinde Mediasch mit dem Ziel, den Fokus zurück auf die Kernaufgabe des Projektes zu richten, nämlich die „Sicherung, virtuelle Rekonstruktion und wissenschaftliche Analyse einer siebenbürgischen Pfarr- und Gymnasialbibliothek.
Auf dem Weg zu wissenschaftlichen Erfolgen kommt ...
Auf dem Weg zu wissenschaftlichen Erfolgen kommt man um unerwartete Klimmzüge nicht herum: Die Forscher aus Klausenburg bei der Erfassung alter Pergamente.
Bei aller notwendigen Abgrenzung von den Phantasieprodukten mancher Onlinemedien, überwiegt bei den Projektbeteiligten allerdings die Freude darüber, dass derartige kulturwissenschaftliche Untersuchungen großen Anklang in einer breiteren Öffentlichkeit finden. Dazu beigetragen haben sicher solide recherchierte Berichte wie jener von Ruxandra Hurezean in Sinteza (https://www.revistasinteza.ro/intreaga-povestea-a-unei-descoperiri-care-a-facut-senzatie-vechile-carti-din-medias). Dass vor allem aber auch die wissenschaftliche Welt das Mediascher Projekt überrascht und wohlwollend zur Kenntnis genommen hat, beweist die Meldung auf dem hochangesehenen Onlineportal für Mediävisten medievalists.net (https://www.medievalists.net/2022/09/medieval-books-manuscripts-discovered-romania/) sowie das Interesse zahlreicher Wissenschaftler aus aller Welt, die sich bei den Mitgliedern der Forschungsgruppe gemeldet haben.

Die ausführlichsten Informationen über die erste Phase der Recherche, die in der Bibliothek der evangelischen Kirchengemeinde Mediasch durchgeführt wurde, können dem Interview entnommen werden, das der Journalist Mircea Hodârnău am 9. August 2022 mit drei Projektbeteiligten in seinem Medias News Blog geführt hat: https://www.youtube.com/watch?v=c0zVpHFW5bk&t=1560. Wie bereits erwähnt, wurde auch in der Siebenbürgischen Zeitung und im Mediascher Infoblatt ausführlich berichtet. In allen diesen Darstellungen wurde darauf hingewiesen, dass es in der Fachliteratur und im lokalen kulturhistorischen Umfeld bereits vereinzelte und fragmentierte Informationen über den alten Buch- und Archivbestand gegeben hat; auf deren Grundlage wurde der Forschungsplan erstellt, der dem derzeit laufenden Vorhaben zu Grunde liegt.
Manche der kostbaren Handschriften haben die ...
Manche der kostbaren Handschriften haben die Jahrhunderte als Buchumschläge überlebt.
Die Relevanz der Wiederentdeckung der historischen Bibliothek und des Archivs von Mediasch liegt in der systematischen und modernen Herangehensweise an den Dokumentationsfonds, der das bislang bekannte Bild einer Sammlung von einigen wenigen Manuskripten und gedruckten Büchern stark erweitert hat auf derzeit über 150 einzeln identifizierte Bände. Dabei ist zu beachten, dass die Forschung noch voll im Gange ist und Neuigkeiten von besonderem Interesse zu gegebener Zeit veröffentlicht werden.

Die alten Schriften, die bislang sicher und sorgsam, aber nicht unter besten Bedingungen aufbewahrt worden sind, wurden nun in einen geeigneteren Raum überführt und werden weiter wissenschaftlich ausgewertet. Vorerst können sie der wissenschaftlichen und interessierten Öffentlichkeit nicht gezeigt werden. Die Verantwortlichen der Kirchengemeinde und die beteiligten Forscher bemühen sich aber darum, optimale Lösungen für die Konservierung, Restaurierung und Katalogisierung der Quellenfunde und für die Präsentation der Ergebnisse unter im 21. Jahrhundert üblichen Ausstellungsbedingungen zu finden.
Vom Staub der Jahrhunderte befreit, registriert ...
Vom Staub der Jahrhunderte befreit, registriert und wohlgeordnet warten die alten Drucke nun geduldig darauf, dass das Forscherteam ihnen ihre Geheimnisse entlockt.
Bis dahin bleibt der Zugang zu diesem wertvollen Kulturerbe ausschließlich dem Team von Spezialisten vorbehalten, die das genannte Forschungsprojekt in den Jahren 2022-2023 durchführen. Natürlich verpflichtet uns die Aufmerksamkeit, die die Wiederentdeckung des schriftlichen Erbes der evangelischen Kirchengemeinde Mediasch genießt, den interessierten Lesern so oft wie möglich neue Daten über den Fortschritt der Untersuchungen zur Verfügung zu stellen, insbesondere über die Kommunikationskanäle des örtlichen Stadtpfarramtes.

Adinel Dincă, Hansotto Drotloff

Schlagwörter: Mediasch, Margarethenkirche, Manuskripte, Mediävistik

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