20. Juli 2023

Beeindruckender Liederabend mit Angelika Meltzer und dem Stuttgarter Trachtenchor im Haus der Heimat

Mit dem Kanon „E Liedchen hälft ängden – Ein Liedchen hilft immer“ von Grete Lienert-Zultner wurde am 30. Juni der Liederabend mit Angelika Mel­tzer und dem Stuttgarter Trachtenchor unter der Leitung von Ilse Abraham im Haus der Heimat in Stuttgart eröffnet.
Im ersten Teil der Veranstaltung, die im Rahmen der Stuttgarter Vortragsreihe der Landesgruppe Baden-Württemberg des Verbandes stattfand, hielt Angelika Meltzer einen Vortrag über die Geschichte der siebenbürgisch-sächsischen Volkslieder. Bemerkenswert, dass die Siebenbürger Sachsen um die Mitte des 19. Jahrhunderts hauptsächlich deutsche Volkslieder gesungen haben, da der Volksgesang in der Mundart stark zurückgegangen war. Es entstanden neue heimische Lieder in deutscher Sprache, doch mehrheitlich wurden Lieder mit hochdeutschem Text importiert, übernommen, wobei auch zahlreiche eigenständige Varianten entstanden. Das Brauchtum der Siebenbürger Sachsen war eng mit dem Volkslied verknüpft, denn Lieder trugen, begleiteten oder umrahmten die vielen Brauchtumshandlungen. Für die Siebenbürger Sachsen bedeutete das Volkslied immer auch eine Quelle der Lebenskraft im Ringen um die Erhaltung ihrer kulturellen Eigenständigkeit und ihres bedrohten Volkslebens. So hielten sich die lebendige Singtradition und die mündliche Überlieferung einiger alter Lieder in Siebenbürgen länger als in den deutschen Kerngebieten. Als siebenbürgische Eigenprägungen gelten z. B. die „Waisenlieder“, entstanden im 17. Jahrhundert, das durch Thronstreitigkeiten und leidvolle Türkenkriege geprägt war.
Stuttgarter Trachtenchor unter der Leitung von ...
Stuttgarter Trachtenchor unter der Leitung von Ilse Abraham. Foto: Helmut Wolff
Das wohl bekannteste der alten siebenbürgisch-sächsischen Volkslieder ist die aus der Minnezeit stammende Ballade vom wilden Vögelchen, das sich nicht zwingen lässt: „Et saß e klie wäld Vijjeltchen – Es saß ein klein wild Vögelein“, auch weil es in der deutschen Übersetzung 1893 des Volksliedforschers Franz Magnus Böhme in mehrere wichtige deutsche Liederbücher Eingang fand. Auch das Lied „Bäm Hontertstreoch – Beim Holderstrauch“ (Worte Carl Römer und Melodie Hermann Kirchner) wurde in zahlreichen Übersetzungen und verschiedenen Varianten in vielen Ländern bis nach Japan und in die USA bekannt.

Die erste Sammlung der sächsischen Volkslieder stammt von Hermann Kirchner, von denen viele allmählich Eingang in die Schulbücher fanden. Kirchner veröffentlichte 1893/95 in drei Heften 19 volkstümliche Mundartlieder in Fassungen für Männerchor, gemischten Chor oder für eine Singstimme und Klavier, die 26 Auflagen bis 1922 erfuhren.

Das Verdienst der musikalischen Quellenforschung von Gottlieb Brandsch ist die Rettung der Restbestände des Mundartliedgutes. Er stellte die Beschäftigung mit dem siebenbürgischen Volkslied auf eine wissenschaftliche Grundlage, brachte die von Friedrich Wilhelm Schuster und Adolf Schullerus gesammelten und durch eigene Sammeltätigkeit vermehrten alten sächsischen Volkslieder 1931/38 in kritischen Ausgaben heraus. Vor etwa 30 Jahren entstand bei Angelika Meltzer und anderen Musikliebhabern der Wunsch nach einem umfassenden siebenbürgischen Liederbuch. Das Projekt wurde von einem Team über Jahre unterstützt, so dass 2017 „E Liedchen hälft ängden – Ein Liedchen hilft immer. Alte und neue Lieder aus Siebenbürgen“ im Verlag Haus der Heimat, Nürnberg erschien (herausgegeben von Angelika Meltzer und Rosemarie Chrestels). Das Projektteam trug aus mündlicher Überlieferung, handschriftlichen Chormappen und Liederheften sowie aus ­einschlägigen gedruckten Liedersammlungen über 300 Lieder zusammen. Ihr Ziel, Freude und Spaß mit den Liedern aus Siebenbürgen zu bringen, wurde erreicht. So entstand eine praktische Sammlung von alten und neuen Liedern aus Siebenbürgen mit Texten, auch deutsche Texte der sächsischen Lieder, und Melodien, einstimmig oder auch mehrstimmig und mit Gitarrengriffen für eine einfache Begleitung.
Angelika Meltzer. Foto: Helmut Wolff ...
Angelika Meltzer. Foto: Helmut Wolff
Selbstverständlich kam das Singen an diesem Abend nicht zu kurz. Der Stuttgarter Trachtenchor unter der Leitung von Ilse Abraham sang zunächst drei sächsische Frühlingslieder: „De Schnieglekelcher blähn – Die Schneeglöckchen blühn“ (Grete Lienert-Zultner), „Frähjohrswängd – Frühlingswind“ (Frida Binder-Radler) und „Nuechteguel, wiem saingst tea lies? – Nachtigall, wem singst du leise?“ (Frida Binder-Radler). Im zweiten Teil der Ausführungen von Angelika Meltzer folgten weitere sächsische Lieder: „Det Bromerchen – Das Brombeerlein“ (Fritz Schuller), „Norr ta bäst schuld – Nur Du bist schuld“ (Grete Lienert-Zultner, Hans Mild) und „Sälwerfäddem – Silberfäden“ (Text von Grete Lienert-Zultner, vertont von Hans Mild) und am Schluss das Volkslied „Es fallen müd vom Baume“ (Rudi Klusch).

Die Besucher waren begeistert, das Singen hat allen Spaß und Freude bereitet, zumal am Schluss alle Anwesenden „Af deser Ierd“ (Ernst Thullner, Hermann Kirchner) sangen. Nach dem gelungenen Liederabend gab es lang anhaltenden Beifall. Beim anschließenden obligatorischen Fettbrot und leckeren württembergischen Wein waren die zahlreichen Besucher voll des Lobes für den wunderschönen Liederabend.

Helmut Wolff, Kulturreferent

Schlagwörter: Liederabend, Mundart, Meltzer, Haus der Heimat, Stuttgart

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