25. Januar 2006

"Gestickte Poesie" von Karoline Riffl in dritter Auflage erschienen

Mit der Herausgabe dieses Büchleins verfolgte Karoline Riffl die Absicht anzuregen, gestickte Sprüche, diese kleinen Kostbarkeiten aus Großmutters und Urgroßmutters Tagen, zu schätzen, zu sammeln und zu bewahren. Um 1870 bis 1930 war die Blütezeit dieses Brauches, Sprüche auf Wand- und Sofaschoner, Kastenstreifen, Bade- und Mundtücher, auf Bänder u. a. in Buntstickerei, Rot und Blau, auf weißem Leinen zu sticken. Heute gelten sie als aufschlussreiche kulturgeschichtliche Dokumente.
Zu finden sind sie schichtübergreifend in vielen Haushalten. Die Sprüche ermahnen zu Wohlverhalten, Fleiß und Sparsamkeit. Das gestickte Spruchgut kommentiert das Frauenbild zur Entstehungszeit und vermittelt Wertvorstellungen jener Zeit. All diese weisen Sprüche stammen größtenteils aus Textvorlagen, die im letzten Drittel des vorigen Jahrhunderts als Spruchsammlungen, „geflügelte Worte“ für jeglichen Anlass erschienen waren. Manche dieser Sprüche erinnern an Zitate aus einem Poesiealbum. Doch finden wir immer wieder auch Bibelworte oder Aussprüche berühmter Dichter. Die vorliegende Sammlung trifft eine Auswahl aus über tausend rührenden, lustigen und treffenden Sprüchen. Dazu nun einige Beispiele: „Für die Küche ist die Frau erkoren, der Mann hat in der Küche nichts verloren.“ - „Blank und rein soll meine Küche sein.“ - „Willst du die Tugend einer Frau erraten, schau in ihr Stübchen, auf ihren Braten.“ - „Rein die Hände, rein der Mund, rein das Herz zu jeder Stund.“ - „O Mensch, bedenke wohl, dein größter Feind ist Alkohol, doch in der Bibel steht geschrieben, du sollst auch deine Feinde lieben.“ - „Gott bewahre dieses Haus und all’ die gehen ein und aus.“

Rose Schmidt und Werner Förderreuther haben in ihrem Buch „Der Hände Fleiß. Siebenbürgische Haustextilien als Wohnschmuck“ bereits im Jahr 2001 einen wichtigen Aspekt des sächsischen Kulturerbes dokumentiert. Eine Sammlung, die ausschließlich gestickten Sprüchen aus Siebenbürgen gewidmet ist, gibt es bisher jedoch nicht. Der Brauch war und ist jedoch auch hier weit verbreitet, und es wäre lohnend, diese Sprüche zu sammeln und vor dem Vergessen zu bewahren. In vielen Wohnungen finden wir den Wandbehang mit dem Text „Siebenbürgen süße Heimat“ und dem siebenbürgischen Wappen. Oft liest man: „Morgenstund hat Gold im Mund“, „Trautes Heim, Glück allein“, „Wenn das Wörtchen wenn nicht wär, wär ich schon ein Millionär“, oder „Sich regen bringt Segen“. Sprüche im Dialekt sind nicht selten, wie „Weschen de Haingd – pietzen de Zaingt“. Albern daher kommt „Es wäre nicht schlecht, wenn der Mensch immer jung bleiben möchte“.

Das hier rezensierte Bändchen enthält ein kurzes Vorwort von Karoline Riffl sowie eine von Dr. Roswitha Orač-Stipperger signierte wissenschaftliche Einleitung. Die Illustrationen zu dem Buch stammen aus „Vobachs Frauen- und Moden-Zeitung“, Berlin, Leipzig, Wien (1912-1917) und aus anderen zeitgenössischen Quellen. Gestickte Sprüche aus alter Zeit bieten nicht nur eine vergnügliche Lektüre, sondern verdienen auch eine kulturgeschichtliche Einschätzung. Heute zum Teil schon mit Seltenheitswert, sollten sie der Nachwelt erhalten bleiben als ein Stück Folklore.

Walter Roth



Karoline Riffl, Gestickte Sprüche aus alter Zeit: duftig zart und blütenweiß, 3. Auflage, 2004, Leopold Stocker Verlag, Graz-Stuttgart, 143 Seiten. Preis: 14,95 Euro. ISBN 3-70020-1014-9.

Schlagwörter: Rezension, Brauchtum

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