2. Januar 2009

„Eine Truhe voll Kupferkreuzer“ von Maria Haydl

Weihnachten, die Zeit der Geschenke, der Überraschungen steht vor der Tür. Das Buch „Eine Truhe voll Kupferkreuzer“ von Maria Haydl ist so eine Überraschung und sicher ein wertvolles Geschenk. Schon der wunderschön gestaltete Einband von Ricarda Terschak lässt erahnen, welch Schätze darin verborgen sind und darauf warten, vom Leser entdeckt zu werden.
Mit diesem Prosaband erscheint das zweite Buch der Autorin nach der im Jahre 2006 veröffentlichten dramatischen Dichtung in siebenbürgisch-sächsischer Mundart „Und wonn hie dennich kitt ...“. Die meisten Erzählungen spiegeln die siebenbürgisch-sächsische Lebenswelt nach dem Zweiten Weltkrieg wider, vor allem das Dorfleben mit Arbeiten, Festen und Bräu­chen im Jahreslauf, aber auch die geistigen und seelischen Kräfte der Autorin im Austausch mit den kulturpolitischen Strömungen ihrer Lebens- und Schaffenszeit. So kann Maria Haydls beacht­liche Prosadichtung sicher auch als stofflich thematisiertes Zeitdokument insbesondere der Nachkriegszeit betrachtet werden, welches durch eine Vielzahl von Zeitbildern und Zeitty­pen zur Entwicklung der rumäniendeutschen Erzählstrukturen beigetragen hat. Die Lebendig­keit ihrer Sprache, der Humor, die Liebe der Autorin zu den Dingen des Alltags und die ge­fühlsbetonte Erlebnisgestaltung erfreuen in den Erzählungen, Kurzgeschichten, Skizzen, Mär­chen und auch Gedichten, die in diesem Buch enthalten sind, und bereiten pure Lesefreude.


Vertieft wird dieses Eindringen in die Dich­tung der Autorin durch die vielen, feinsinnigen, äußerst passend eingefügten Federzeichnungen der bekannten Kinderbuchautorin Ricarda Ter­schak aus Hermannstadt. Die kunstvoll gestalte­ten Illustrationen unterstreichen die Lebendig­keit der Texte, schaffen eine ungemein gut tuende Stimmung und sind auf jeden Fall eine Bereicherung dieses Buches. Bekanntlich waren die beiden Autorinnen gut befreundet und ihr reger Gedankenaustausch aus früheren Zeiten führte zu dieser gelungenen Symbiose.

Maria Haydl verarbeitet in ihrem dichterischen Schaffen unvergessliche Erlebnisse aus ihrer Kindheit, aus ihrer Jugend und ihrem späteren Leben, das nicht frei von alltäglichen Sorgen war, das sie aber mit viel Optimismus und Gott­vertrauen bewältigt. Zu ihren sonnigsten Erinne­rungen aus der Kindheit gehört das herzliche Verhältnis zu ihrer blinden Urgroßmutter, über die sie in der Titelerzählung schreibt: „Sie war blind, und doch erkannte sie die Leute. Darüber wunderte ich mich. Damals wusste ich noch nicht, dass man nicht nur mit den Augen sehen kann.“ Die Autorin schildert, wie eigenartig heiter und stimmungsvoll es war, wenn sie mit der Urgroßmutter gemütlich beim Feuerschein saß und dabei duftende Bratäpfel aß, während die Urgroßmutter Märchen erzählte, aber auch wahre Geschichten aus ihrem Leben. Sie erzähl­te vom Bau der Eisenbahnlinie und dass sie für die italienischen Eisenbahnarbeiter täglich zwei- bis dreimal Brot gebacken habe. Dieses Brotba­cken sei ihr nie mühevoll gewesen, denn „Brot­backen ist eine heilige Arbeit“.

Die einmalig schöne Brauchtumsveranstaltung „Der Blasi“ verzaubert den Leser, er wird das Kinderfest im wahrsten Sinne des Wortes miterleben, die Vorbereitungen, das Kraut- und Fleischzusammentragen, das traditionelle Kraut­wickelkochen, dann das Herrichten der Festklei­der, wo es heißt: „In der guten Stube auf dem Himmelbett liegen die gestickten, frisch gestärk­ten und gebügelten Hemden der Knaben und bauschen sich die schneeweißen, weiten Ärmel der Mädchenhemden. An Nägeln an der Balken­decke hängen die gereihten weißen Röcke und die gestickten Schürzen. Auf dem Tisch liegen die blumigen Bänder. Alles ist bereit.“ Wenn die Jugendlichen dem Blasialter entwachsen sind, denken sie an die Berufswahl. In „Mathematik oder Musik“ zeigen sich einem Heranwachsen­den zunächst zwei Ziele, ein Konzertbesuch mit der Mutter bringt die Entscheidung.

Auch in anderen Texten erweist sich die Auto­rin als erzählende Vermittlerin zwischen den Begebenheiten und ihren Lesern, indem sie Lö­sungen für die Konflikte und Probleme im Alltag der Erwachsenen, der Kinder und Jugendlichen beschreibt, so z. B. durch die gefühlsbetonte Gestaltung der empfindsamen inneren Erleb­niswelt der Kinder in den Erzählungen „Jeden Morgen geht die Sonne auf“, „Die geschlossene Tür“, „Das Kuchenherz“ oder durch die sensible Deutung der Liebe zur Musik in „Sonnenauf­gang“ sowie im Märchen „Das Flötenspiel und das Lebenswasser“. Tiefe und echte Gefühle wie Liebe, Freundschaft, Hilfsbereitschaft und Nächstenliebe haben in allen Dichtungen der Maria Haydl eine zentrale Bedeutung. Aber auch tragische Schicksale gehören zu den Themen der Autorin. So z. B. der Text „Im Wiederbele­bungszimmer“, in dem sie die Gnade der Wie­dergeburt nach einer schweren Operation er­fährt, oder im Gedicht „Salon Nr. 4“, entstanden anlässlich des schweren Eisenbahnunglücks bei Klein-Kopisch 1968, wo man ergreifend liest: „In jedem Bett eine Welt voll Hoffen. / In jedem Bett ein Gesicht. / In jedem Bett zwei Augen. / Und darin eine Seele.“

Maria Haydl hat nicht nur viel Schönes ge­schrieben. Ihre nun erwachsenen Kinder, die die Veröffentlichung ihrer Werke möglich gemacht haben, erinnern sich: „Unsere Mutter hat aus jeder Hausarbeit ein Fest gemacht. Sie konnte mit ihrer Begeisterung alle mitreißen und war stets voller guter Einfälle. Mit ihr zu arbeiten hat immer Freude gemacht.“

Wir wünschen dem Buch „Eine Truhe voll Kupferkreuzer“ viele begeisterte Leser. Ge­druckt wurde es bei „Inteltipo“ in Hermann­stadt, Dezember 2008. Bestellungen nimmt entgegen: Uwe Hatzack, Lortzingstraße 5, 90429 Nürnberg, Telefon: (09 11) 3 22 32 48. Unkos­tenbeitrag inklusive Versandkosten in Deutsch­land: 11,85 Euro.

Rosel Potoradi

Schlagwörter: Rezension

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