26. November 2004

Österreich vergisst seine "Altösterreicher" nicht

Die Siebenbürger Sachsen in Österreich versuchen schon seit längerer Zeit über den Verband der Volksdeutschen Landsmannschaften Österreichs (VLÖ) der österreichischen Regierung die Probleme der Deutschen näher zu bringen, deren Vorfahren in der k.u.k.-Monarchie und nach Ende des ersten Weltkrieges in neuen Staaten lebten (Ungarn, Tschechien, Slowakei, Polen, Slowenien, Kroatien, Serbien und Rumänien).
Vor drei Jahren wurden im österreichischen Parlament Delegationen aus all diesen Ländern zu einem Gespräch empfangen. Man wollte die Probleme der verstreuten Minderheiten durch deren Vertreter kennen lernen. Unsere rumäniendeutsche Minderheit war durch Martin Bottesch und Jürgen Porr vertreten. Ein erster greifbarer Erfolg war, dass die österreichische Regierung Schulbücher für unsere Lyzeen finanzierte. Damals wurde auch beschlossen, alljährlich ein solches Treffen zu organisieren. Diese fanden in Budapest (2002) und Maribor/Marburg in Slowenien (2003) statt. Das nunmehr vierte Symposium fand im Herbst in Spisska Sobota, einem eingemeindeten Vorort von Poprad/Deutschendorf in der Zips (Slowakei) statt.

Nahezu alle deutschen Minderheiten waren vertreten. Aus Rumänin waren Horst Martin (Direktor der „Banatia“-Stiftung), Siegfried Thiel (Redakteur der Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien und Banater Zeitung), Ingeborg Nemesagu (Vertreterin dar Banater Berglanddeutschen) und Paul Jürgen Porr (Vorsitzender des Demokratischen Forums der Deutschen in Siebenbürgen/DFDS) angereist. Begrüßt wurden die Vertreter der Deutschen aus der ehemaligen Monarchie von Dipl.-Ing. Rudolf Reimann, langjähriger Vorsitzender des VLÖ. Er unterstrich das gleiche Schicksal, die gleichen Probleme und rief zur Solidarität unter den Minderheiten auf. Ein engeres Zusammenwachsen solle vor allem über ein gemeinsames Pressewesen zustande kommen. Als Ziel sollten wir eine stärkere Unterstützung durch die jeweiligen Länder und das österreichische Außenministerium ins Auge fassen.

Für ein gemeinsames Pressewesen und für besseren Informationsfluss sprach sich in seinem Referat auch Manfred Maurer aus, Chefredakteur des Neuen Volksblattes aus Linz. Er stellte fest, dass die altösterreichischen Minderheiten ein mediales Schattendasein fristeten. Maurer hatte Rumänien schon vor der Wende besucht. Er war gerührt, in Großpold einen oberösterreichischen Dialekt vorzufinden, der Zeiten und Systeme überdauert hat, stellte aber damals schon fest, dass die Landler in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen werden. Der Sprung in die große Medienlandschaft muss noch getan werden. Ein Kernsatz Maurers: „Wer sich nicht Gehör verschafft, der existiert nicht.“ Man solle Emotionen wecken. So würde das Schicksal einer Vertriebenenfamilie mehr Leser/Zuhörer/Zuschauer erreichen als trockene Fakten (z.B. Anzahl von Vertriebenen). Man solle sich an den Tatorten der Geschichte zeigen und offensiv an die Öffentlichkeit herantreten, etwa im Stil von Greenpeace. Dazu bedürfe es einer koordinierten Öffentlichkeitsarbeit. Horst Martin rief die deutschen Minderheiten zur Solidarität auf.

Das Hauptthema des Symposiums war die Pressearbeit. Daher war auch aus den meisten Ländern wenigstens ein Pressevertreter dabei. Vladimir Majovski stellte das Karpatenblatt der Zipser vor, Manfred Mayrhofer das in Budapest erscheinende Sonntagsblatt. Siegfried Theil präsentierte die ADZ, Banater Zeitung und Karpatenrundschau. Er hob anerkennend hervor, dass das Forum sich nicht einmische, kritisierte aber eine mangelnde Pressearbeit in den Foren. In Kroatien erscheint das Deutsche Wort zweisprachig, in Tschechien die Prager Volkszeitung, in Polen das Schlesische Wochenblatt. Eine bessere Koordination und eine stärkere Zusammenarbeit zwischen diesen Zeitungen und Zeitschriften, so das allgemeine Fazit, seien geboten, vor allem über das Internet. Es wurde vorgeschlagen, eine gemeinsame Homepage zu schaffen, wo durch Links die einzelnen Verbände und Zeitungen erreicht werden könnten.

Am nächsten Tag berichtete Martin May über die Geschichte des 1954 gegründeten VLÖ, der 1990 revitalisiert wurde und dem heute acht Landsmannschaften aus Österreich angehören. Der VLÖ vertritt etwa 350 000 Deutsche aus Österreich, hat in Wien ein gemeinsames Haus und gute Kontakte zu allen Parteien Österreichs. Der VLÖ besitzt eine eigene Stiftung, aus der verschiedene Projekte finanziert werden können.

Thomas Buchsbaum referierte als Vertreter des österreichischen Außenministeriums über die Geschichte der einzelnen Minderheiten, auch der Siebenbürger Sachsen. Er unterstrich, dass Österreich gute Kontakte nach Mittel- und Osteuropa pflege, dass diese sich nach 1990 sehr ausgedehnt hätten in Bereichen wie: Hochschulaustausch, Tourismus, Österreich-Bibliotheken u.a. Österreich sei ein Vorkämpfer für Minderheitenrechte.

Die rumäniendeutschen Vertreter brachten in eine an die österreichische Bundesregierung gerichtete „Wunschliste“ als förderungswürdig ein: unsere Kirchenburgen, Lehrer- und Kindergartenprogramme, Austausch- und Förderprogramme für Presseleute, neue Österreich-Bibliotheken in Kronstadt, Hermannstadt, Sathmar und Arad, EU-weiter Jugendaustausch. Neben anregenden Diskussionen über deutsche Sprache und Identität fand eine Pressekonferenz mit VLÖ-Präsident Reimann statt sowie ein interessantes Kulturprogramm. Vor Tagungsende lud der DFDS-Vorsitzende zum 5. Symposium mit dem Schwerpunkt Jugendarbeit für Ende September 2005 nach Hermannstadt ein. Der Vorschlag wurde einstimmig angenommen.

Dr. Paul-Jürgen Porr, Vorsitzender des Siebenbürgenforums

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 19 vom 30. November 2004, Seite 9)

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Schlagwörter: Landler

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