20. Februar 2020

Gedenken an Russlanddeportation vor 75 Jahren

Reschitza – Am 24. Januar beging das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien (DFDR) die Veranstaltung zum Gedenken an 75 Jahre seit den ersten Deportationen der ethnisch Deutschen in die ehemalige Sowjetunion. Organisiert hatte das Großereignis in Reschitza der Vorsitzende des Demokratischen Forums der Banater Berglanddeutschen, Erwin Josef Țigla, der sich seit 1990 für das öffentliche Erinnern an dieses traumatische Ereignis im Nachgang des Zweiten Weltkriegs einsetzt.
Rund 70.000 Deutsche aus Rumänien wurden 1945 in die Sowjetunion verschleppt, um dort „Wiederaufbauarbeit“ nach dem Krieg zu leisten. Von diesen kehrten 20 Prozent nicht wieder nach Hause zurück. Heute leben noch etwa 180 Zeitzeugen in Rumänien, 18 davon im Banater Bergland und neun in Reschitza, erinnert Țigla bei der Eröffnung. Sein Großvater, Josef Wrattny, hatte fünf Jahre Zwangsarbeit im Ural geleistet. „Ihm ist es zu verdanken, dass ich gleich nach der Wende 1990 begann, mich mit diesem Thema intensiv zu beschäftigen“, erzählt er der Journalistin Raluca Nelepcu von der Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien (ADZ). 1995 hatte Țigla das erste Denkmal in Reschitza errichten lassen und seither jährliche Gedenkveranstaltungen organisiert, so auch die Landesgedenkveranstaltung im Jahr 2005 anlässlich von 60 Jahren seit Deportationsbeginn.
Erwin Josef Țigla und die ehemalige ...
Erwin Josef Țigla und die ehemalige Russlanddeportierte Elfriede Helene Polluch, die aus Suceava zur Reschitzaer Gedenkveranstaltung angereist war. Foto: DFBB
Auch der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Dr. Bernd Fabritius, bekannte, sein Großvater sei in der „Sklaverei auf Zeit“ gewesen. Ende 1949 sei dieser – fast verhungert – zurückgekehrt, er gehörte zu den wenigen, die der Familie von seinen Erlebnissen erzählte, was diese nachhaltig geprägt hat.

Der Abgeordnete der deutschen Minderheit, Ovidiu Ganț, erinnerte an seine erfolgreichen Bemühungen, die Russlanddeportierten auch seitens des rumänischen Staats als politische Häftlinge anerkennen zu lassen. Seit 2019 erhalten diese eine Rente von 700 Lei pro Deportationsjahr. Fabritius betont auch die Einstandspflicht Deutschlands für deren besonderes Kriegsfolgeschicksal. Der Gedenkveranstaltung wohnten die Ehrenvorsitzende des Vereins der ehemaligen Russlanddeportierten, Elke Sabiel, Unterstaatssekretärin Christiane Gertrud Cosmatu (DRI) und DFDR-Vorsitzender Dr. Paul-Jürgen Porr bei, sowie Vorsitzende der Lokalforen und Mitglieder der deutschen Minderheit aus ganz Rumänien. Als Zeitzeugin war Elfriede Helene Polluch aus Suceava angereist.

Zwei Ausstellungen im Museum des Banater Berglands brachten den Besuchern das Thema näher: Lilia Antipow vom Haus des Deutschen Ostens München stellte die Ausstellung „Mitgenommen – Heimat in Dingen“ vor, die die Geschichte der Deportation aus zwei Perspektiven erzählt – die der Historiker und die der Betroffenen. In der zweiten Ausstellung, „ORDER 7161 – Zeitzeugenporträts einer Deportation“ zeigt Marc Schroeder Fotos von Überlebenden und erzählt ihre Geschichten.

Sowohl im Museum wie auch im „Alexander Tietz“-Zentrum fanden mehrere Vorträge und Buchvorstellungen zum Thema statt: Der Militärhistoriker Ilie Schipor, der etliche Jahre in Moskau als Diplomat verbracht und die dortigen Archive studiert hatte, beleuchtet in seinem Buch „Deportarea în fosta URSS a etnicilor germani din România“ die Ereignisse aus russischer Sicht und regte an, es gebe dort für Forscher noch viel zu entdecken. Die Chefredakteurin der Hermannstädter Zeitung, Beatrice Ungar, stellte den von ihr übersetzten Briefroman von Mariana Gorczyca „Diesseits und jenseits des Tunnels 1945“ vor. Präsentiert wurde auch das von Ottmar Trașca und Remus Anghel koordinierte Gemeinschaftswerk „Un veac frământat. Germanii din România după 1918“, welches das Schicksal der Deutschen in Rumänien aus historischer und soziologischer Sicht beleuchtet und auch auf das Thema Migration eingeht.

Besonders am Herzen lag Țigla die Vorführung von Dokumentarfilmen an Reschitzaer Lyzeen, um die Erinnerung auch in der Jugend wachzuhalten und in der Mehrheitsgesellschaft zu verankern. Gezeigt wurden die Produktionen des Bukarester Regisseurs Cristian Amza, der in den letzten Jahren 24 Filme zum Thema gedreht hat.

Am Folgetag fand ein ökumenischer Gottesdienst in der Kirche Maria Schnee in Reschitza statt, gemeinsam abgehalten vom Bischof der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien, Reinhart Guib, und dem römisch-katholischen Bischof von Temeswar, Josef Csaba Pal.

Nina May

Schlagwörter: Deportation, Gedenken. Reschitza

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