26. September 2023

Internationales Pomologentreffen in Bistritz: "Wo die Raben sich zanken, sind die süßesten Birnen"

Mihai Bilegan, dem Vorsitzenden des Lions Club Bistritz, ist es hauptsächlich zu verdanken, dass diese gelungene Veranstaltung in Zusammenarbeit mit der Forschungsstation für den Obstanbau Bistritz, der Rumänischen Gesellschaft für Hortikultur und der Gesellschaft „Harta Verde“ vom 25. bis 27. August in Bistritz stattfinden konnte. Pomologen und Liebhaber alter Obstsorten aus Rumänien, Ungarn, Österreich, Südtirol, Deutschland, Holland und der Schweiz waren zum Teil weit angereist. Einige kannten sich schon von den vorherigen Tagungen in Altmünster (2022), Pielenhofen (2021), Salez (2019), Mayrhofen, Tirol (2018) Metzingen-Neuhausen (2017).
Pomologentagung in der Aula magna der ...
Pomologentagung in der Aula magna der altehrwürdigen Universität in Bistritz. Foto: Paul Salmen
Begriffserklärung: Die Pomologie ist die Lehre von den Obstarten und Obstsorten und umfasst deren Bestimmung, Beschreibung, Empfehlung und Erhaltung. Pomona ist die römische Göttin des Obst- und Gartenbaus. Der Pomologen-Verein e. V. wurde 1991 in der Tradition des „Deutschen Pomologenvereins“ (1860-1919) gegründet.

Statt einer Vorstellungsrunde gab es am Freitagabend einen kulinarischen Empfang mit Weinprobe mit erlesenen rumänischen Weinen. Die Tagung begann in der Aula der Bistritzer Dependance der Klausenburger Babeș Bolyai Universität mit Vorträgen von HochschulprofessorInnen und IngenieurInnen der beteiligten Versuchsanstalten. Die Kreisvorsitzende Floare Gaftone begrüßte die Gäste aufs Herzlichste. Leider kam die Übersetzung aus dem Rumänischen nicht bei allen deutschsprachigen Teilnehmern an. In den Vorträgen ging es unter anderem um die Kultivierung einer neuen Pflaumensorte, HoneySweet, die nach 20 Jahren Feldforschung gegen den schädlichen Plum Pox Virus resistent ist. Auch die berühmte Pflaume „de Bistrița“ wurde erwähnt. Sie sei unübertroffen für die Herstellung von Țuica und Pflaumenmus, aber man müsse bei der Verbreitung sehr vorsichtig sein, damit man sich nicht den Plum Pox Virus in den Garten holt.

Die Versuchsanstalt in Pitești-Mărăcineni wiederum stellte ihre Forschungsergebnisse der letzten 15 Jahre vor: neue Obstzüchtungen, von denen 33 zugelassen wurden, davon vier Apfelsorten: „Colonade“, „Colmar“, „Rustic“ und „Rumina“. In Pitești-Mărăcineni werden auch neue Unterlagen entwickelt und zahlreiche Gendatenbanken in Form von Keimplasma aufbewahrt, zum Beispiel 109 Sorten von Johannisbeeren.

Über den säkularen Birnenpark referierte Mihai Beligan persönlich. Es handelt sich um ein Ökosystem, bestehend aus Weideland und aus freistehenden riesigen alten Obstbäumen, ein schützenswertes Kulturerbe, das durch die Besiedlung der Sachsen entstanden ist. Der Wald war Eigentum der sächsischen Gemeinschaft, die das Holz auch als Baumaterial nutzte. Er wurde nach und nach gelichtet. Anstelle der Buchen und Eichenbäume auf den Steilhängen mit starker Sonneneinwirkung wurden stattdessen Birn-, Apfel- und Nussbäume gepflanzt. Die 11,5 Hektar große „Birnenweide” auf dem Dealul Cocoș in Wallendorf (eingemeindet zu Bistritz) ist mittlerweile Eigentum der Stadt Bis­tritz. Drei Forschungseinrichtungen kümmern sich um die Inventarisierung und Kartierung der einzelnen Bäume.

Bei ihren Besuchen in der alten Heimat soll es Sachsen gegeben haben, die an diesem historischen Ort verschiedene Birnensorten auf einen Baum gepfropft haben. Beim nächsten Besuch wussten sie nicht mehr, wo welche Sorte wuchs. Der Hirte, der sich das all die Jahre aus sicherer Entfernung angeschaut hatte, rief ihnen zu: „Dort, wo die Raben sich zanken, dort sind die süßesten Früchte...“

Für die Verfasserin dieses Artikels besonders interessant war der Bericht von Ion Cosmin Moga über die Konservierung alter Apfel- und Birnensorten in gewachsenen sächsischen Siedlungsräumen in Südsiebenbürgen. Der von Prinz Charles gegründete Verein Villa Abbatis in Abstdorf (Apoș) im Kreis Hermannstadt hat ein Arboretum der alten Sorten angelegt, und zwar als Hochstamm auf Wildapfel gepfropft: 43 alte Apfelsorten und 37 Birnensorten konnten bis jetzt identifiziert und inventarisiert werden.

Alin Useriu, Initiator des Projektes Via Transilvanica – drumul care unește sprach über den im Oktober 2022 eingeweihten rumänischen Pilger- und Wanderweg, der auch durch Bistritz führt. Die Arbeit von 10000 Freiwilligen und zahlreichen Künstlern wurde im August mit dem Preis European Heritage Award 2023 ausgezeichnet.

In den Pausen zwischen den Vorträgen konnte man fachsimpeln und gleichzeitig die ausgestellten Obstsorten probieren. Das Kennenlernen und der Austausch zwischen den deutschsprachigen Experten und Obstfreunden setzte sich auch am Samstagnachmittag und am Sonntag beim Besuch des ehemaligen Jagdschlosses des Grafen Teleki in Paßbusch (Posmuș) fort. Wir erfuhren zum Beispiel von Beate Holderied, dass im nächsten Jahr wieder eine Ausbildung von Streuobstpädagogen in Weil im Schönbuch stattfindet, für die man sich noch bis Januar 2024 bei https://streuobst-paedagogen.de/ anmelden kann.

Der Vortrag von Dr. Hans-Georg Franchy über die Siedlungsgeschichte der Nordsiebenbürger Sachsen wurde auf Wunsch des Veranstalters auf Rumänisch gehalten. Nicht zuletzt sprach er über die Bistritzer Ackerbauschule, die 1870 mit dem Ziel gegründet wurde, die landwirtschaftliche Produktion zu steigern und die 1944 den Betrieb einstellen musste. Von den bewirtschafteten landwirtschaftlichen Flächen waren im Jahr 1895 in Bistritz über 35% Obstwiesen. Der Erlös aus dem Verkauf des Obstes, vor allen Dingen der Äpfel, war für die Bauern die wichtigste Geldquelle. Folgende, im Winter gut zu lagernden Sorten sind aus dieser Zeit bekannt: Gustav nachhaltig, Jonathan, Batull, Goldparmen, Boskop, Hartapfel rot und grün, Windauer Apfel. Von den Birnensorten eigneten sich nur die „Amerikaner“ für die Winterlagerung. Alexander-, Butter- und Honigbirnen mussten schon im Herbst verkauft werden. Nicht unerwähnt durfte der berühmte Bistritzer Pomologe Albert Wachsmann (1849-1928) bleiben.

Eine Gedenktafel, die an die erste siebenbürgische Ackerbauschule erinnert, wurde 2010 auf Anregung der HOG Bistritz-Nösen in der heutigen landwirtschaftlichen Ausbildungsanstalt „Grupul Școlar Agricol Bistrița“ vom Bürgermeisteramt angebracht.

Alles in allem hat diese Tagung Menschen zusammengebracht, die sich in Theorie und Praxis mit dem schützenswerten Kulturgut des Obstanbaus und der damit verbundenen Biodiversität von Streuobstwiesen beschäftigen. Sie bot den ausländischen Gästen neue Einblicke in die siebenbürgische Karpatenlandschaft dank der guten Organisation und der herzlichen Gastfreundschaft des Lions Club Bistrița. Einer der jüngsten Teilnehmer, Philipp Bodner vom Institut für Alpine Umwelt aus Südtirol, lud alle Anwesenden für 2024 zur Pomologentagung nach Bozen ein.

Brunhilde Böhls, BatullApfelBaumSchule (BABS)

Schlagwörter: Ackerbauschule, Apfel, Batull, Obst, Landwirtschaft, Bistritz

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