8. Januar 2024
Temeswar Kulturhauptstadt 2023 für immer
In Temeswar des Jahres 2023 ist zusammengewachsen, was zusammengehört: die Kultur mit der Geschichte der Stadt, die Kunst mit der Architektur und vor allem die Menschen mit der Europäischen Kulturhauptstadt. „Klein Wien“ war europaweit und gar weltweit (auch mit einem Artikel in der New York Times, mit Reklame auf den Londoner Doppeldecker) im Gespräch und hat vermehrt Aufmerksamkeit auf sich gezogen.

Am Wochenende vom 7. bis 10. Dezember fand der gelungene Kulturcoup in der lebensfrohen Stadt einen feierlichen Abschluss. Temeswar hatte sich in winterlichem Kleid mit tausenden Led-Weihnachtslichtern geschmückt und im Kulturpalais, der altbekannten Oper, fand die varietéreiche Abschlussveranstaltung „Timișoara 2023 la nesfârșit” (Temeswar für immer, Temeswar unendlich) unter der Schirmherrschaft des Bürgermeisters mit Teilnahme des Kreisrats, der Regierungsvertreter, 25 ausländischen Botschaftern und ausländischen Delegationen sowie Sängern und Tanzgruppen statt, die live übertragen wurde. Zahlreiche Stimmen von Mitarbeitern des Projektzentrums, Schriftstellern, Künstlern, Organisatoren, Gäste, dem Bürgermeister u. a. äußerten ihre Eindrücke von diesem reichen Kulturhauptstadtjahr. Am Donnerstagabend bereits spielte die legendäre Rock-Gruppe Phönix zusammen mit Cargo im Garten des Einkaufszentrums Julius Mall ein Abschlusskonzert. Sie begeisterte mit ihren altbekannten Liedern wie „Lume, Lume“ oder „Andrii Popa“.

Auf dem Freiheitsplatz gibt es eine Eislaufbahn, flankiert von bunten Lichtinstallationen, und auf der Theatergasse Alba-Iulia fing der wunderschöne „Târgul de crăciun“ (Weihnachtsmarkt) an. Freitagabend lief im Deutschen Staatstheater das Stück von Tschechow „Der Kirschgarten“. Immer wieder beeindrucken die Schauspieler des DSTT bei ihren guten Inszenierungen.
Katie Melua und die italienischen Akrobatikshow von Sonics konnte man bei 0 Grad Temperatur auf der Bühne und im Nachthimmel verfolgen. José Gonzalez, ein schwedischer Sänger und Songwriter, hat bei seinem Auftritt im Cinema Timiș, dem neuen Kulturort der Innenstadt, das Publikum elektrisiert. Samstag wurde der Zugang zum Domplatz zum Teil sogar abgesperrt, da sich dort schon mehr als 20 000 Menschen versammelt hatten. Die Konzerte wurden auf der Leinwand am Opernplatz übertragen, so konnte jeder sie mitverfolgen. Der letzten Künstlerin Jessi J aus Großbritannien war es bei diesen Temperaturen auch nicht kalt und sie sorgte für beste Stimmung auf dem Platz mit ihrer kräftigen Stimme. Am Sonntagabend gab es das symphonische Konzert im Dom statt – eine Kooperation des katholischen Bistums Temeswar und der Diözese Großwardein mit dem Konsulat der Bundesrepublik Deutschland. Konsulin Regina Lochner hielt die Eröffnungsrede. Zahlreiche Leute pilgerten über den leeren Domplatz zur Domkirche. Am Begaufer befand sich dieses Wochenende ein weiteres Highlight: ein Globus - die Weltkugel mit zehn Meter Durchmesser, „Floating Earth“ von dem Briten Luke Jerram, die von der Vereinigung Daisler nach Temeswar gebracht wurde, die das Festival gestaltet hat. Temeswar strahlt, lebt und bildet. Mehr als 115.000 Teilnehmer wurden am Wochenende gezählt, laut Banater Nachrichten.
In guter Erinnerung sind nicht nur die besucherreichen Ausstellungen von Victor Brauner, Constantin Brâncuși, Stefan Jäger im Kunstmuseum, Ingo Glass in der Kaserne, Skulpturen und Biennale-Künstlern in der Bega-Kunsthalle, oder Andrei Ghenie im ISHO-Center, nein auch die Tanz- und Kulturveranstaltungen der Banater im Juni, das Minderheitenfestival im Rosenpark im August, die Temeswar-Tage im Sommer, die Auftritte der Riesenpuppen aus Veszprém, das baskische Puppentheater, das Eurothalia-Theater, die Musikauftritte in der Neuen Millenium-Kirche, die Kunst im Stefania-Palast der Fabrikstadt, die beiden neueröffneten Kinos Victoria und Timiș und vor allem der „Pflanzenturm“ mit seinen mehr als 300.000 Teilnehmern begeisterten allseits. Benjamin Neurohr und Astrid Ziegler, die zahlreiche deutsche und andere Gäste bei Stadtführungen mit Freude und unermesslichem Wissen begleiteten, meinten, Temeswar sei gewachsen, es habe sich selbst erhöht und vor allem auch geschichtlich bemerkbar gemacht. Die Geschichte geht weiter, wie ein Slogan überall in der Stadt verkündete: "Istoria continuă". Ehrenamtlich waren auch Hunderte von Helfern tätig, die alle Kulturveranstaltungen begleiteten und mit ihren gelben Aufdrucken auf Hemd und Jacke „Our work is priceless“ die Besucher informierten.

Wir – Anita und Katharina –, zwei, die das Banat als Heimat wiederentdeckt und -gewählt haben, gehören wohl zu den Banatern, die bei den Veranstaltungen der Stadt immer wieder eifrig dabei waren. Das Bild der blühenden Kulturhauptstadt prägen zwar immer noch einige Paradoxien, aber das zu Ende gehende Jahr hat bewiesen, dass Temeswar, mit Bürgermeister Dominik Fritz an der Spitze, trotz aller Gegensätze und Gemeinsamkeiten zwischen den verschiedenen Kulturen, Religionen und Ethnien seine Aufgabe meisterhaft gemanagt hat. Temeswar hat nun neben Hermannstadt, das 2007 Kulturhauptstadt war, einen wichtigen Platz auf der Landkarte Europas. Bürgermeister Fritz, der seine Abschlussrede zwar nicht dreisprachig hielt, um das multikulturelle Milieu zu unterstreichen, wie bei der Eröffnungsrede, hat betont, dass die Kultur gesiegt habe in Temeswar und mit Mut und Kraft Temeswar2023 unendlich weitergehen wird. Wir werden es aufmerksam beobachten. Änderungen wird es geben und auch die Kritiker stehen schon in den Startlöchern. Schließlich sind im nächsten Jahr nicht nur Kommunal- und Parlamentswahlen, sondern auch Europa- und Präsidentschaftswahlen.
Anita Maurer
Katharina Kilzer
Schlagwörter: Temeswar, Kulturhauptstadt
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