2. September 2006

Diakonissenhaus in Bukarest vor 110 Jahren entstanden

Vor 110 Jahren haben beherzte Frauen in selbstloser Weise den Grundstein eines ersten Diakonissenhauses nach deutschem Vorbild erst in Altrumänien, in Bukarest, gelegt. Sie wirkten später beispielhaft in Großrumänien für die deutsch besiedelten Gebiete, halfen vielen Menschen in Notlagen oder erweiterten deren Bildungsstand.
Die Anfänge des Diakonissenhauses "Gottes Segen" wurden 1896 durch vier an der Deutsch-Evangelischen Schule in Bukarest als Lehrerinnen tätige Kaiserswerther Schwestern gelegt. Nach Differenzen zwischen Schule und Mutterhaus sollten sie nach Kaiserswerth, im Norden von Düsseldorf zurückkehren, entschlossen sich jedoch weiter im Schuldienst der evangelischen Gemeinde zu bleiben und ein selbstständiges Diakonissenhaus zu gründen.

Im Jahr 1902 wurde dazu ein Gebäude auf der Soseaua Stefan cel Mare 49 in Bukarest gekauft. Die leitende reichsdeutsche Schulschwester, Ida Taenzer, wurde als Oberin des neuen Mutterhauses gewählt. Weil die ersten Bukarester Diakonissen Lehrerinnen waren, plante die Oberin im Erdölgebiet Ploiesti, wo sich viele deutsche Familien angesiedelt hatten, eine deutsch-evangelische Schule zu bauen. So entstanden dort eine Höhere Mädchenschule, eine (Elementar) Grundschule und ein Waisenhaus bis zum Ende des ersten Weltkrieges. Der verlorene Krieg beendete die Lehrtätigkeiten, und die Schulen mussten an den Staat verkauft werden.

Mit diesen Geldmitteln konnte 1923 unter tätiger Mithilfe von Pfarrer Georg Scherg in Kronstadt ein Anwesen mit drei Häusern gekauft werden. Hier wurde ein Sanatorium, ein Kinderund ein Schwesternheim eingerichtet. Zu der Einweihung 1925 unter der Leitung von Schwester Gertrud von Kardorff erschienen als Ehrengäste die Königin Maria von Rumänien und die Königin von Griechenland, die Schwester des früheren deutschen Kaisers. Die Schwester Emma Römer, die 1934 von der Frauenmission Malche aus Deutschland entsandt wurde, übernahm die Leitung des Kinderheimes. Im Bukarester Mutterhaus wurden junge Diakonissen geschult und für ihre Einsätze in Sarata/Bessarabien und in der Dobrudscha, in Konstanza und Cobadin, aber auch für das Diakonissenhaus "Bethanien" in Kronstadt, vorbereitet.

Die letzte Oberin des Diakonissenhauses "Gottes Segen" in Bukarest, Schwester Klara Stöcker, hat 1944 das Ende der Diakonissen-Anstalten kurz beschrieben. Ihren Aufzeichnungen ist zu entnehmen, dass die Russen in Kronstadt davon Besitz ergriffen und Stadtpfarrer Dr. Konrad Möckel kurzfristig den Vorsitz für die Bukarester Diakonissenanstalt in Kronstadt erhielt, bis er selber interniert wurde. Die bessarabischen Schwestern flüchteten mit der Deutschen Wehrmacht und auch die reichsdeutschen Diakonissen verließen Bukarest und Kronstadt.

Im Juni 1981 war es der ehemaligen Oberin Schwester Klara Stöcker vergönnt, als 80-Jährige noch einmal Kronstadt und die dort lebenden siebenbürgischen Schwestern zu besuchen und die frühere Arbeitsstätte wiederzusehen. Gerne erinnert sie sich an die Begegnung vor der Schwarzen Kirche mit Stadtpfarrer Mathias Pelger, der sie zur Aufzeichnung ihrer Erinnerungen anregte.

Schwester Maria Schieb erinnert sich

Aus unserer frühen Kindheit in Hermannstadt waren sie uns vom Sehen her bekannt: die stets adrett gekleideten, deutschen Krankenschwestern aus dem Lutherspital und dem Säuglingsheim, mit der weißen Haube auf dem Kopf. Es hat jedoch in Hermannstadt keine Diakonissen gegeben, die als Evangelische Krankenschwestern einem Mutterhaus angehörten. Zwar hatte man in Hermannstadt erwogen, auch Diakonissen einzurichten, jedoch erhielt die evangelische Kirchengemeinde Hermannstadt 1886 das "hochherzige Anerbieten ihrer königlichen Hoheit Frau Großherzogin Sophie von Sachsen-Weimar" einige Lehrschwestern in dem von ihr errichteten Sophienhaus in Weimar unentgeltlich ausbilden zu lassen.

Diakonie-Schwester Maria Schieb mit Maja Köffer, Kronstadt 1937 oder 1938.
Diakonie-Schwester Maria Schieb mit Maja Köffer, Kronstadt 1937 oder 1938.
In der Folge gründete die evangelische Kirchengemeinde Hermannstadt die "Anstalt für Evangelische Krankenpflege", die vertraglich die Krankenbetreuung des "Franz-Josef Bürgerspitals" übernahm und weiterhin Filialen und Pflegedienste einrichtete. Später kam die eigene Lehrausbildung von Schwestern dazu. Die Pflegeschwestern erwarben sich nach sechs Jahren treuem Dienst einen jährlichen Unterstützungsanspruch.

In Kronstadt dagegen gab es in der Zwischenkriegszeit das Siebenbürgisch-Sächsische Diakonissenhaus "Bethanien" der Evangelischen Kirchengemeinde Kronstadt, dessen Anfänge auf die Gründung des Diakonissenhauses "Gottes Segen" 1896 in Bukarest zurückgehen. Parallel dazu unterhielt das Bukarester Diakonissenhaus in Kronstadt ein Sanatorium mit Arztpraxis für Chirurgie, Gynäkologie und Orthopädie sowie eine Röntgen-Abteilung. Neben anderen modernen Hilfsmitteln gab es ein Kinderheim für Waisen und Halbwaisen und sonstige hilfsbedürftige Kinder sowie ein Schwesternheim mit Gästehaus. Das Haus "Bethanien" stand unter der Leitung der Oberin Freda Freiin von Schacky, die von der Bibelschule Frauenmission Malche, Bad Freienwalde an der Oder, aus Deutschland nach Siebenbürgen entsandt worden war.

Dem Wohle des Nächsten verpflichtet

Die letzte Diakonissin, die 93-jährige Schwester Maria Schieb, gebürtig aus Kreisch, lebt als rüstige Seniorin im Siebenbürger Altenheim in Rimsting am Chiemsee und kann sich an ihre ehemaligen Mitschwestern und an ihre Arbeit im Dienste der Krankenfürsorge in Kronstadt gut erinnern. Sie hatte ihre Ausbildung im Mutterhaus Gallneukirchen in Österreich zwischen 1933 und 1937 erhalten. In Kronstadt wirkte sie bis 1945 im Säuglingsheim, wurde dann in den Staatsdienst übernommen und war bis 1961 im Kinderkrankenhaus in der Apulum-Gasse tätig. Das Diakonissenhaus "Bethanien" in der Obergasse hatte als Trägerverein den "evangelischen Frauenortsverein für Krankenpflege" mit der Vorsteherin Marie Groß und den Seelsorgern Pfarrer Georg Scherg, Pfarrer Waldemar Keintzel und Stadtpfarrer Dr. Konrad Möckel. Zwischen den beiden Diakonissenhäusern Bukarest und Kronstadt entstand ebenso wie mit dem ungarischen Diakonissenhaus in Klausenburg, vertreten durch die dortige Leiterin Maria Pildner, eine gute Zusammenarbeit.

Aus dem Gedächtnis heraus konnte Schwester Maria Schieb eine Liste mit rund 15 Mitschwestern und Diakonissen der damaligen Zeit aufschreiben. In dem eigenen Veröffentlichungsblatt "Gruß aus dem Diakonissenhaus Bethanien", Folge 7/1940, mit einem Geleitwort von Stadtpfarrer Dr. Konrad Möckel, wird der Jahresbericht vom 1. Mai 1938 bis 30. April 1939 bekannt gegeben. Damals waren 21 Schwestern in der Gemeindearbeit, in der Kinderpflege und der evangelistischen Arbeit tätig.

Die vorletzte Diakonisse von Kronstadt, Schwester Adele Barth, die am 18. Juni 1912 in Schlatt geboren und in der Bibelschule Malche, Freienwalde, ausgebildet wurde, ist nach einem erfüllten Leben im Dienste der Krankenfürsorge am 12. Mai 2006 in Frankfurt am Main gestorben.

Die pflichtbewusste, selbstlose und treue Arbeit dieser unverheirateten Diakonissen ist vielen betroffenen Menschen im Raum Kronstadt als Segen zuteil geworden. Auf einem alten Familienbild der Familie Köffer aus Aichach kann Schwester Maria Schieb entdeckt werden. Sie hatte damals, 1937 oder 1938, die achtjährige Maja Teutsch nach deren Scharlacherkrankung gepflegt.

Walter Klemm

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 13 vom 31. Juli 2006, Seite 8)

Schlagwörter: Kirche und Heimat

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