18. Juni 2010

Gedankenaustausch im Maximilianeum

Siebenbürger Sachsen wurden zu einem Gedankenaustausch mit den Mitgliedern der Arbeitsgruppe Vertriebenenpolitik der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag eingeladen. Ziel dieses Gespräches war es, den Landtagsabgeordneten einen „Einblick in die wertvolle Arbeit zur Pflege und Förderung des kulturellen Erbes, der Wissenschaft und Kunst der Siebenbürger Sachsen“ zu vermitteln, schrieb die Vorsitzende der Arbeitsgruppe „Vertriebenenpolitik“, Christa Matschl (CSU), MdL, in ihrer Einladung zum Gespräch am 8. Juni im Maximilianeum in München. Man erhoffe sich wertvolle Impulse für die politische Arbeit: „Ihre vielfältigen Aktivitäten, insbesondere in der Kultur- und Jugendarbeit sind beispielgebend und beeindruckend zugleich.“
Christa Matschl begrüßte seitens des Verbandes der Siebenbürger Sachsen den Bundesvorsitzenden Dr. Bernd Fabritius, die stellvertretende Bundesvorsitzende Doris Hutter, die Landesvorsitzende Herta Daniel, die Vorsitzende der SJD Bayern, Ute Schuller, und den Vorsitzenden der Tanzgruppe Herzogenaurach, Gerhard Berner, sowie seitens der Union der Vertriebenen und Aussiedler (UdV) Werner Henning, UdV-Vorsitzender von Nürnberg-Fürth-Schwabach, und Andreas Orendi, UdV-Bezirksvorsitzender Oberbayern, beide auch Impulsgeber dieser Begegnung. Anwesend waren außer Christa Matschl auch die Abgeordneten der Arbeitsgruppe Vertriebenenpolitik der CSU-Landtagsfraktion: Dr. Günther Beckstein, Reinhard Pachner, Sylvia Steierstorfer, Peter Winter und Josef Zellmayer sowie Sven Neuner, Leiter des Referates für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen, Verbraucherschutz und Fragen des öffentlichen Dienstes.

Verbandspolitik gewürdigt

Angesprochen auf die Ereignisse am Heimattag in Dinkelsbühl und die neuesten, teilweise auch in der Presse erwähnten Aktivitäten unseres Verbandes im Hinblick auf die Restitution der enteigneten Vermögen in Rumänien berichtete Dr. Fabritius über die Ergebnisse der Spitzengespräche mit dem rumänischen Innenminister Vasile Blaga und Vertretern der der rumänischen Restitutionsbehörde (siehe Bericht in Folge 5 vom 31. März 2010, Seite 1). Ein absolutes Novum sowie eine neue Dimension in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit sei die Ankündigung des rumänischen Innenministers, den Verband der Siebenbürger Sachsen bei der Vorbereitung des Gesetzgebungsverfahrens zur Restitution konsultativ einzubeziehen. Es handele sich dabei um ein Angebot, das erstmalig erfolgt sei und „Seinesgleichen suche“, werden doch z. B. in Deutschland Gesetze über Aussiedler und Spätaussiedler verabschiedet, ohne mit diesem Personenkreis überhaupt im Vorfeld darüber zu sprechen!

Die Reise des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer nach Rumänien, zu welcher der Bundesvorsitzende Fabritius, als Mitglied der Delegation eingeladen wurde, war ebenso Gesprächsthema und wird als Zeichen einer neuen Politik der CSU gewertet, bei den Reisen in Herkunftsgebiete der Aussiedler auch Vertreter der jeweiligen Landsmannschaften einzuladen, um deren Bedeutung in Bayern und deren Brückenfunktion zu unterstreichen (siehe dazu Bericht in Folge 9 vom 10. Juni 2010, Seite 1). Diese neue Entwicklung unserer Verbandspolitik wird die aktuelle Wahrnehmung der Siebenbürger Sachsen in der Öffentlichkeit maßgeblich beeinflussen, wobei erstaunlich ist, dass die Presse die Brisanz dieser in Europa beispielhaften Vorgänge bislang noch nicht oder kaum erkannt hat und viel zu wenig darüber berichtet. Matschl bewertete diese Ereignisse als richtungweisend und beispielgebend für den Umgang eines neuen EU-Mitgliedstaates mit seinen (ehemaligen) Minderheiten und bezeichnete dieses als „eine hervorragende Perspektive“.
Sie erörterten aktuelle Fragen im Bayerischen ...
Sie erörterten aktuelle Fragen im Bayerischen Landtag, von links: Josef Zellmeier, MdL, Dr. Bernd Fabritius, Doris Hutter, Herta Daniel, Andreas Orendi, Christa Matschl, MdL, Dr. Günther Beckstein, MdL, Reinhard Pachner, MdL, Werner Henning, Ute Schuller und Gerhard Berner. Foto: Holger Prawitt
Dr. Günther Beckstein sprach dem Verband zu der Strategie im Umgang mit dem Herkunftsgebiet und besonders der Vorgehensweise in Sachen Restitution ein großes Lob aus. Auch stufte er die Bemühungen Rumäniens, enge wirtschaftliche Kontakte mit Bayern und in Bayern angesiedelten siebenbürgischen Firmen zu knüpfen, als klug ein. Positiv bewertet wurde auch die von Fabritius erwähnte Gründung eines Siebenbürgischen Wirtschaftskreises in Deutschland sowie dessen Vernetzung mit bestehenden deutschen Wirtschaftskreisen in Rumänien.

Migrationsdebatte zu undifferenziert

Bernd Fabritius wies auf die in den letzten Jahren immer wieder festzustellenden Bestrebungen, völlig unterschiedliche Personengruppen als „Migranten“ beziehungsweise als „Personen mit Migrationshintergrund“ über einen Kamm zu scheren und so zu vermengen. Aussiedlern, die sich von Ausländern gerade durch die Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis unterscheiden würden, würden so unter Missachtung ihrer Identität ausgegrenzt. Herta Daniel erwähnte, dass dieser Themenkomplex von Seiten der Vertreter des Verbandes der Siebenbürger Sachsen auf die Tagesordnung einer Sitzung im Beirat für Vertriebenen- und Spätaussiedlerfragen des Bayerischen Sozialministeriums gesetzt worden sei. Der Verband habe dort für eine differenzierte Betrachtungsweise dieser Personengruppen plädiert und auch dafür, im allgemeinen Sprachgebrauch die im Bundesvertriebenengesetz definierten Bezeichnungen Aussiedler und Spätaussiedler zu verwenden, was allgemeine Zustimmung gefunden habe. Der Verband der Siebenbürger Sachsen werde die weitere Entwicklung beobachten und gegebenenfalls klärend einwirken.

Förderung nach § 96 BVG

In die Diskussion über die Förderung nach § 96 BVG brachte Peter Winter (CSU), MdL, die Frage nach dem Schlüssel der Verteilung der Fördermittel ein. Die Landesvorsitzende Herta Daniel erläuterte, dass der Landesverband Bayern vom Bayerischen Sozialministerium keinerlei institutionelle Förderung erhalte, sondern lediglich in Einzelfällen projektbezogene Förderungen, die viele Monate vor den Veranstaltungen beim Haus des Deutschen Ostens beantragt werden müssten. Die Vorgehensweise bei der Verteilung der vorhandenen Mittel innerhalb der Landsmannschaften sei nicht bekannt. Fabritius plädierte für eine Änderung der Genehmigungspraxis in Richtung einer „quasi institutionellen Förderung“, die Planungssicherheit an der Basis in den Kreisgruppen und bei der Siebenbürgisch-Sächsischen Jugend in Deutschland (SJD) ermögliche und gleichzeitig einen Vertrauensvorschuss für die Arbeit der Verbände darstelle. Die Vertreter des Arbeitskreises Vertriebenenpolitik beabsichtigen, das Thema in Gesprächen mit dem bayerischen Sozialministerium zu erörtern.

Auf die Frage von Josef Zellmeyer (CSU), MdL, nach der Zukunft des Verbandes und des Bewahrens des siebenbürgisch-sächsischen Dialektes wies die SJD-Vorsitzende des Landesverbandes Bayern, Ute Schuller, auf die tragende Rolle des Elternhauses bei der Weiterführung der siebenbürgisch-sächsischen Traditionen hin und darauf, dass in letzter Zeit bayernweit Neugründungen von Kindergruppen zu verzeichnen seien.

Siebenbürger Sachsen in Parlamenten nicht vertreten

Am Beispiel der Tanzgruppe Herzogenaurach konnte die Zusammenarbeit der Siebenbürger Sachsen mit anderen Aussiedler- oder Vertriebenenverbänden und einheimischen Vereinen erläutert werden, was großen Anklang fand.

Die Bayerisch-Siebenbürgische Gesellschaft, die 2003 aus einer rumänischen Kinderhilfe (54 Hilfstransporte nach Nordsiebenbürgen) entstanden sei, habe, so der Vorsitzende dieses Vereins, Andreas Orendi, unter anderem das Ziel, Brücken zu Siebenbürgen zu bauen. Dieses Ziel werde über Schüleraustausch oder die Förderung junger siebenbürgischer Künstler im Rahmen von Konzerten oder durch alljährlich stattfindende Folkloreabende mit bayerischen, rumänischen und siebenbürgisch-sächsischen Kulturgruppen erreicht.

Andreas Orendi bedauerte, dass die Siebenbürger Sachsen, als eine sehr starke landsmannschaftliche Gruppe über keinen Vertreter im bayerischen Landtag oder im Bundestag verfügen, und brachte seine Hoffnung auf zukünftige politische Mandatsträger aus unseren Reihen zum Ausdruck.

Die vom Bundesvorsitzenden ausgesprochene Einladung zu einer mehrtägigen Reise nach Siebenbürgen wurde von den Vertretern der Arbeitsgruppe Vertriebenenpolitik der CSU-Landtagsfraktion durchwegs positiv aufgenommen, könne man doch dadurch Land und Leute besser kennen lernen und sich ein eigenes Bild machen. Es wurde erwogen, eine solche Reise im Frühjahr 2011 ins Auge zu fassen.

Christa Matschl schloss das in einer sehr offenen Atmosphäre geführte Gespräch mit einem Bogen von der Geschichte der Siebenbürger Sachsen in die Gegenwart und betonte, dass Rumänien heute in seiner die dort lebenden, aber auch die zwischenzeitlich ausgewanderten Minderheiten betreffenden Politik beispielgebend für andere Länder sei. Ihrer Meinung nach sei die Wahrung der Rechte der Minderheiten und Volksgruppen ein wesentlicher Bestandteil der europäischen Zukunftspolitik. Matschl freute sich über die „wunderbare Vielfalt an Menschen für den europäischen Gedanken“.

Schlagwörter: Landtag, München

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