17. September 2007

Hermannstadt setzt ungeahnte Energien frei

Hermannstadt ist in diesem Jahr als Kultur­hauptstadt Europas in den Mittelpunkt der gro­ßen Öffentlichkeit gerückt. Kulturelle, poli­tische und religiöse Höhepunkte lassen die „Haupt- und Hermannstadt“ in einem Glanz erscheinen, der nicht nur die Stadtväter oder das neue EU-Mitglied Rumänien, sondern auch die Siebenbürger Sachsen weltweit erfreut. Tausende Besucher kamen in diesem heißen Sommer in den Genuss von Brauch­tums- bis hin zu hochkarätigen Kultur­darbietungen, die maßgeblich von den Siebenbürger Sachsen in Deutschland und Rumänien mitgestaltet wurden.
Seit der Nominierung als Europäische Kultur­hauptstadt kurz vor Pfingsten 2004 wurde die Alt­stadt wunderschön restauriert. Der Große und Kleine Ring, der Huetplatz oder die Hel­tau­ergasse ergeben „ein Bild des Zentrums Her­mann­stadts, das es in dieser Lücken- und Ma­kellosigkeit in der Stadtgeschichte vermutlich niemals gab“ (Hans Bergel). Es mutet wie ein Wun­der an, dass die Stadtväter, mit Unter­stützung von Bukarest und ausländischen Spon­soren, alle Renovierungs- und Restaurierungs­arbeiten binnen kurzer Zeit bewältigen konnten.
Rumäniens Wirtschaft brummt und sein Bankwesen ...
Rumäniens Wirtschaft brummt und sein Bankwesen boomt. Im Bild die Heltauergasse in Her­mannstadt mit dem ehemaligen Kaufhaus Breckner (später „Magazin universal“), das heute Sitz der Rumänischen Handelsbank ist. Neu die Pflasterung und die leidlich hübschen Straßen­laternen. Foto: Konrad Klein
Hochkarätige ausländische Kulturformatio­nen haben das Programm der Kulturhauptstadt bereits mitgestaltet: die Mailänder Scala, das Kammerorchester der Berliner Philharmoniker, die Stuttgarter Philharmonie, der Heidelberger Madrigalchor oder die legendäre Rockband Jethro Tull, um nur einige zu nennen. Dem­nächst ist die Wiener Staatsoper zu Gast. In der Kirchenburg in Heltau wurden im Juli Original­bilder von Salvador Dali gezeigt, im August eine Ausstellung von Marc Chagall und Otto Dix.

Besonders beeindruckend ist der Beitrag siebenbürgisch-sächsischer Kulturformationen und Künstler aus Deutschland, darunter Ausstel­lungen von Peter Jacobi und Kurtfritz Handel, Ausstellungen des Siebenbürgischen Museums und der Städtischen Museen aus Kornwestheim zu den Themen „Kirchenraum im Wandel“ und „Bemalte Bauernmöbel“, eine Aktionswoche des Karpatenvereins, ein Rockkonzert Ricky Dan­dels und vor allem die Siebenbürgisch-sächsische Kulturwoche, die Anfang August von der Landsmannschaft gemeinsam mit dem Sieben­bürgenforum präsentiert wurde. Kulturgruppen aus Stuttgart, Augsburg, Ingolstadt, Geretsried und München traten nicht nur auf der Bühne des Thalia-Saales auf, sondern begeisterten auf ihren aus diesem Anlass organisierten Gastrei­sen Landsleute in vielen Ortschaften Sieben­bürgens bis hin im Burzenland. Klaus Johannis, Hermannstadts Bürgermeister und DFDR-Vorsitzender, äußerte die Hoffnung, dass die Kulturwoche in den nächsten Jahren fortgesetzt wird. Auch Dr. Bernd Fabritius, Stellvertreten­der Bundesvorsitzender und Vorsitzender des Landesverbandes Bayern der Landsmann­schaft, der die Kulturwoche initiiert hatte, ist überzeugt, dass damit der Grundstein für weitere gemeinsame Aktivitäten der Landsmann­schaft und des Forums gelegt wurde. Die Siebenbürger Sachsen von hüben und drüben nutzten die Chancen des vereinigten Europa, um näher zu rücken.

Alfred Mrass, Vorsitzender der Landesgruppe Baden-Württemberg, freute sich in einem Gespräch mit der Siebenbürgischen Zeitung, dass die gemeinsamen Anstrengungen Früchte getragen haben und dass der Original Kar­pa­ten-Express der Siebenbürger Blaskapelle Stutt­gart mit einer geradezu professionellen Dar­bietung begeistern konnte. „Es ist zu befürchten, dass Hermannstadt in den nächsten Jahren nicht mehr die Aufmerksamkeit der Welt erregen wird, aber zurücksinken in die Bedeu­tungslosigkeit wird es nicht mehr.“ Die hervorragend hergerichtete Altstadt, die beispielhaft für die jahrhundertealte siebenbürgisch-sächsische Geschichte steht, werde das Stadtbild auch künftig prägen. Trotz ihres rasanten wirtschaftlichen Aufschwungs verzeichne die multiethnische Stadt freilich auch soziale Kontraste, und je weiter man vom Zentrum wegkomme, desto mehr verwahrloste Gebäude und Straßenteile seien zu sehen.

Die Kulturhauptstadt setzt ungeahnte Ener­gien frei. So organisiert die Siebenbürgisch-Sächsische Stiftung neben Ausstellungen auch ein internationales Pfadfindertreffen, das Do­nau­­schwäbische Zentralmuseum stellt auf dem Großen Ring großformatige Bilder von sächsischen Kirchenburgen und im Alten Rathaus Flugbilder des berühmten Fotografen Georg Gerster aus. Anfang September rückte Her­mann­stadt während der 3. Ökumenischen Ver­sammlung auch zur Hauptstadt der europäischen Christen auf.

Nicht zuletzt sei auf den Besuch ausländischer Politiker hingewiesen: „Hermannstadt liegt mir am Herzen“, erklärte Bundespräsident Horst Köhler am 3. Juli, José Manuel Barroso, Präsi­dent der Europäischen Kommission, war erst kürzlich am Zibin. Kulturstaatssekretär Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff, der Bundes­vor­sit­zende der Landsmannschaft, Dipl.-Ing. Arch. Vol­ker Dürr, und eine nordrhein-westfälische Dele­gation besuchen Hermannstadt Mitte Sep­tember. Eine Visite von Bernd Neumann, Beauf­tragter der Bundesregierung für Kultur und Medien, ist für den 4. bis 6. Oktober geplant.

Siegbert Bruss

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 14 vom 20. September 2007, Seite 1)

Schlagwörter: Landsmannschaft, Forum, Kulturhauptstadt, Rumänien und Siebenbürgen

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