7. Juni 2003

Peter Jacobi schuf Lebens-Spuren von allgemein gültiger Art

In über 40 Schaffensjahren hat der 1935 in Ploiesti geborene Künstler Peter Jacobi ein vielseitiges Werk hervorgebracht, zu dem neben Skulptur, Tapisserie, textile Objekte und Fotografie gehören. Anlässlich der Verleihung des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreises an Prof. Peter Jacobi zeigt die Städtische Galerie "Kunstgewölbe", Im Spitalhof, Dr.-Martin-Luther-Straße 6, eine Ausstellung mit Werken des heute bei Pforzheim lebenden und arbeitenden Bildhauers (Öffnungszeiten der Ausstellung: Samstag und Sonntag, 9.00- 19.00 Uhr, Montag bis Freitag, 15.00-19.00 Uhr; Finissage ist am Sonntag, dem 8. Juni, 18.30 Uhr). Am Pfingstsonntag, 17.00 Uhr, wird Jacobi in der St. Paulskirche zu Dinkelsbühl mit dem Kulturpreis 2003 ausgezeichnet.
1961 beginnt die bis heute andauernde Phase des künstlerischen Experimentierens mit Konzepten und Bildmedien. Ab 1978 setzt sich Peter Jacobi verstärkt mit geometrischen Grundformen auseinander, deren „reiner Schönheit“ er bis heute verpflichtet bleibt. Reinheit und Einfachheit erreicht er allerdings dank der komplexen Art ihrer Erarbeitung, darin seinem Vorgänger Brancusi entsprechend: „Einfachheit ist gelöste Komplexität“.

Anfang der 80er Jahre findet Peter Jacobi sein Thema: die Zeit und die Relativierung ihres gradlinigen Ablaufs von Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft. Das Suchen und (Er-)Finden von Spuren, die die Zeitläufe hinterlassen, und wo Zeit sichtbar wird, führt auch zu einer Versöhnung mit traditionellen Determinierungen von Kunst. Sie erhält inhaltliche Bedeutungen, die jenseits ihrer selbst liegen. Das Denkmal ist notwendig, „um seine Funktion als soziale Einrichtung zu sichern, die das Vergessen verhindert, die Beziehungen der Gesellschaft zu ihrer Vergangenheit regelt und den Kreislauf der Werte aus der Vergangenheit in die Gegenwart und umgekehrt aufrecht erhält.“

Weil Jacobis Werke den Charakter der konstruktiven und dekonstruktiven Spur – in der sich Anwesenheit und Abwesenheit verbinden – bewahren, widersetzen sie sich auch nicht der Vergänglichkeit: „Patina, Erosion, Korrosion sind von vornherein eingeplante und willkommene Bestandteile eines Prozesses ... Verblassen damit die Spuren oder verstärken sie sich? Beides ist richtig, und fest steht allein die Veränderung der Spur und die Rätselhaftigkeit, die eine Spur behält, so lange sie als Spur gilt.“

Der Künstler sucht Spuren, zitiert Spuren – die Retrospektivausstellung des Jahres 2002 in der Nationalgalerie Bukarest hatte den Titel „Palimpsest“ (beschriebenes Pergament, das schon einmal beschrieben und wieder gereinigt worden war, um erneut darauf zu schreiben) – und legt selber welche; sowohl mit den Mitteln der Bildhauerei als auch der fotografischen Collage. So entsteht ein Beziehungsgeflecht, das einerseits sein Gesamtwerk in seiner Vielfalt als Einheit begreifbar macht, und es andererseits in den Kontext der allgemeinen Kunstentwicklung stellt. Gleichzeitig wird dadurch die biografische Determinante dieser Kunst bewusst. Ob es seine Säulen sind – Reverenz an den Geist Brâncusis und den genius loci in Craiova –, oder die Zyklen „Transilvanica“ und „Romanica“, oder die fotografischen Serien „Ost-West“ und „Das schöne bäuerliche Kleid der Städterin“: All das ist Teil der Existenz und der künstlerischen Laufbahn von Jacobi, ist durch seine Herkunft und die Wechselfälle seines Lebenslaufs mitbedingt.

Allerdings weisen all diese Werke auch weit darüber hinaus, sind Lebens-Spuren von allgemein gültiger Art, so wie sie sich in den ausdrucksstarken Portraits exemplarisch niederschlagen. Hier wie in den „Erdskulpturen“, in den Trümmerbergen und in den Memorials geht es nicht nur um Erinnern und Vergessen sowie um die Spuren der Zeit, sondern auch um das Verhältnis von Natur und Kunst. Kunst und Natur zeigen sich dabei nicht als Antipoden, sondern greifen ineinander, verhalten sich wie Spiegelungen zueinander. Damit aber – und mit etlichen realen Spiegelungen im Werk Peter Jacobis – sind wir wieder dem Paradoxon von Anwesenheit und Abwesenheit sowie von Illusion und Vergänglichkeit „auf der Spur“.

Dort aber kann man sich nur der Einschätzung von Professor Bernd Scheffer anschließen: „Es ist sinnlos, Spuren eindeutig deuten zu wollen ... Interessant ist ..., wenn die Zeichen eben nicht glatt aufgehen, wenn sie nicht eindeutig zugeordnet werden können, wenn die Zeichen geheimnisvoll und rätselhaft bleiben ... Gerade die reduzierten Inhalte ermöglichen es aber, dass der einzelne Betrachter dieser Kunst nun verstärkt eigene Erfahrungen machen kann.“

Hans-Werner Schuster

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