24. Mai 2002

Neue Heimat - alte Liebe

Während des diesjährigen Heimattages kam am Samstag, dem 18. Mai, Doris Hutters Zweiakter "Mensch, Kathi, schau nach vorn!" im Schrannen-Festsaal zur Aufführung. Regie führte die Autorin selbst. Die 1957 in Agnetheln geborene Mundartdichterin (u. a. Kängdervärschker) schrieb und inszenierte seit Ende der achtziger Jahre vier Stücke und drei Musicals. Doris Hutter leitet seit 2000 das Haus der Heimat Nürnberg sowie die siebenbürgische Theatergruppe ihres Wohnortes Herzogenaurach.
Die Handlung des Stückes, das am Samstag nachmittag 300 Besucher in den schwülwarmen Schrannen-Festsaal lockte, ist gleich erzählt. Der erste Akt spielt in einem Dorf in Siebenbürgen. Kathi, eine heimatverbundene und traditionsbewusste junge Frau, liebt Hans. Hans hingegen sieht seine Zukunft im Westen. Die Ausreisegenehmigung eröffnet ihm die Chance, in Deutschland Karriere zu machen. Überkommene Bräuche binden ihn nicht an sein Dorf, die alte Heimat. Und so beschwört er seine Freundin: Mensch, Kathi, schau nach vorn!
Kathi (Ingrid Hutter) und ihr Hans (Ralf Hutter), Foto: Günther Melzer
Kathi (Ingrid Hutter) und ihr Hans (Ralf Hutter). Foto: Günther Melzer

Zweiter Akt, in Deutschland. Hans steht unmittelbar vor dem Staatsexamen. Seine siebenbürgische Identität hat er verdrängt, ist nun assimiliert. Eben auf dem Gelände, wo er mit seiner Band probt, soll das Kronenfest stattfinden. Karl, ein befreundeter Physikstudent, erfährt, dass Hans Siebenbürger Sachse ist. Aus seinem Unverständnis für dessen ignorante Haltung gegenüber siebenbürgisch-sächsischer Tradition heraus, verweist Karl auf den bedeutenden Landsmann Hermann Oberth, Mitbegründer des Raumfahrtzeitalters, der seine Herkunft nicht verleugnet hat. Die Situation spitzt sich zu, als Kathi, nach Deutschland gekommen, zufällig Hans begegnet. Nach Irrungen und Wirrungen besinnt sich Hans auf seine siebenbürgische Identität und das Paar findet - in der neuen Heimat Deutschland - wieder zueinander.
Die mit Sinn für das Detail aufgebaute Dorfkulisse von Johann Folea-Stamp (mit Hof und Garten, Ziehbrunnen, eingetopften Birken) gibt den Hintergrund ab für den etwas langatmigen ersten Akt. Die Eingangsszene führt in die Dorfgemeinschaft ein. Die typisierten Bewohner (der Lehrer, die Pfarrerin, die Alte, etc.) vermitteln jene Motive und Themen, die diesen Mikrokosmos beherrschen: Genuss und Sterblichkeit, Scheinmoral und Tugend, Einfalt und Schläue. Die im Paarreim verfassten Dialoge sind wirkungsvoll gesetzt. Sprache und Stil tragen den ins Burleskenhafte gehenden Szenen Rechnung. Der kurzweilige zweite Akt, der in Deutschland spielt, bietet nüchterne Prosa. Das kommt der darin behandelten Problematik rund um Aussiedlung und Integration zugute.
Im Stile eines Volksstückes Nestroy'scher Prägung waren traditionelle Lieder (u. a. ET SASS E KLIEN WÄLD VIJELCHEN) und Tänze (wie DE REKLICH MED) in den Handlungsablauf eingewoben. Das engagierte Publikum fiel insbesondere im 2. Akt stimmgewaltig in die Gesänge ein und trug so dazu bei, dass diese Brauchtumsveranstaltung zum Gemeinschaftserlebnis wurde. Der Funke sprang über, bedingt durch das Farbenspiel der charakteristischen Trachten. Für die tänzerischen und musikalischen Einlagen zeichneten verantwortlich: Junge Bläser und Singgruppe der Theatergruppe Herzogenaurach (Leitung: Margarete Schuster), Siebenbürgisch-Sächsische Volks- und Kindertanzgruppe Herzogenaurach (Brigitte Krempels), Nadescher Trachtentanzgruppe (Hans Werner Henning), Tanzgruppe Nürnberg (Roswitha Ziegler, Brigitte Barth), Siebenbürger Blasmusik Stuttgart (Hans-Otto Mantsch) und Zunfttanzgruppe Dinkelsbühl (Johannes Reulein). Mit dem Einbinden letzterer, einer nicht-sächsischen Tanzgruppe, wollte Hutter "das Miteinander von Brauchtumsgruppen unterschiedlicher Herkunft fördern". Es ist hier - auch ohne Proben mit der Dinkelsbühler Gruppe - durchaus gelungen.
Doris Hutter (Bildmitte, mit Mikrofon) stellt das Ensemble vor. Foto: Günther Melzer
Doris Hutter (Bildmitte, mit Mikrofon) stellt das Ensemble vor. Foto: Günther Melzer

Die Auftritte der Jugend und der Kinder sollten das Zusammenspiel von Jung und Alt beflügeln. Dies ist eindrucksvoll geglückt.
Zu gefallen wusste unter den Darstellern, neben dem Liebespaar Ingrid Hutter (als Kathi) und Ralf Hutter (als Hans), Tochter und Sohn der Regisseurin, vor allem Ilse Bucholzer (in der Rolle der Alten) durch ihr erfrischend authentisches Spiel. Nicht frei von liebenswürdig-kauziger Eigenart, hielt diese lebensbejahend die Fahne von Tradition, Sitte und Moral hoch. Hervorzuheben ist das Improvisationsgeschick der Mitwirkenden, die, allerdings erst im zweiten Akt, sich eines einzigen Mikrofons bedienten, das sie wandern ließen an den jeweils Auftretenden. Die Sprechrollen waren im ersten Akt für die hinteren Reihen des Publikums schwer zu verfolgen.
Doris Hutter war allgegenwärtig, nicht nur wegen ihrer Autorenschaft und Regie. Vielmehr gründete der Erfolg des Stückes auf ihrem unermüdlichen, dynamischen Einsatz vor, auf und hinter der Bühne (sie stellte die Mitwirkenden persönlich vor, schob Kulissen, motivierte ...). So konnten am Ende alle dies- und jenseits der Bühnenrampe verschwitzt und heiter den Schrannen-Festsaal verlassen.

Christian Schoger

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