26. Mai 2002

" . . . next Generation". Junge siebenbürgische Künstler

Helga Dengjel, Armin Mühsam und Uwe Zermen stellten während des siebenbürgischen Heimattages im Kunstgewölbe der Stadt Dinkelsbühl aus. In die Ausstellung führte Hans-Werner Schuster, Bundeskulturreferent der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen mit folgenden Gedanken ein.
„Mit der Jugend in die Zukunft“ heißt das Motto des diesjährigen Heimattages. Auch diese Ausstellung ist dem Motto und der Jugend verpflichtet. Nun mag einer bei „. . . next Generation“ – wie nah ist das Englische unserem sächsischen „nächst Generation“ – sogar weiter denken, nicht an die jetzige Jugend, sondern an die folgende. Ein schöner Gedanke, und er findet sich auch in der Gestaltung des Plakates wieder; aber ich will ihn hier nicht weiter verfolgen. Denn mit der nächsten Generation im Titel der Ausstellung ist tatsächlich die jetzige Garde junger, aus Siebenbürgen stammender Künstler gemeint. Wir Siebenbürger Sachsen können stolz sein, unter uns so viele Schöngeister und bildende Künstler zu haben, die sich auch international ein beachtliches Renommee erworben haben. Viele davon und ihre Werke durften wir auch im Rahmen der Heimattage bewundern. Aber sie alle gehören einer Generation an, die inzwischen über 60 Jahre alt ist.
Die drei ausgestellten Künstler sind Vertreter einer siebenbürgischen Künstlergarde, mit der zahlenmäßig nicht unbedingt groß Staat zu machen ist. Wenn man entsprechend der Altersbegrenzung des Ernst-Habermann-Preises und anderer Nachwuchspreise die Künstler unter 40 Jahren Revue passieren lässt, fällt einem Pomona Zipser in Berlin ein – oh, sie ist ja schon älter –, Hella Flau in Hamburg, Annamaria Nebert in Klausenburg, dann noch . . . ? Es mag noch mehr geben. Allein sie sind uns oder als Siebenbürger nicht bekannt.
Auch den Organisatoren waren die hier ausgestellten Künstler mit einer Ausnahme nicht bekannt, sind sie doch alle noch jung – zwischen 28 und 38 Jahre alt –, haben noch nicht allzu oft ausgestellt, und über sie wurde auch noch nicht viel geschrieben. Insoweit sind meine Ausführungen ein erstes Herantasten und keine irgendwie gesicherten, geschweige denn endgültigen Wertungen; dem setzt der Entwicklungsprozess der Künstler wie auch meine eigene Subjektivität Grenzen.
Die wichtigsten Daten zum Werdegang der Künstler können Sie dem Faltblatt bzw. den Künstlerporträts hier in der Ausstellung entnehmen. Sie werden nicht viele Gemeinsamkeiten finden, und ich denke, gerade dadurch sind sie repräsentativ. Ob ein Künstler seit kurzem erst oder schon lange in Deutschland lebt oder aber sogar in Amerika: Ihre Lebensläufe widerspiegeln irgendwo die Situation der Siebenbürger Sachsen insgesamt.
Ob es sonst noch etwas Siebenbürgisch-Sächsisches bei Ihnen gibt? Am offensichtlichsten ist das bei den „Trachtenbildern“ von Helga Dengjel. Man könnte sicherlich auch versuchen, die Entfremdung, die uns in fast allen Bildern Armin Mühsams entgegenschreit, auf den Verlust des Vertrauten, der Heimat, zurückzuführen, oder die Funktions- und Sinnlosigkeit seiner übertechnisierten Interieurs als Nachhall der Verhältnisse im sozialistischen Rumänien zu interpretieren. Aber ich denke, dass nicht das die Art ist, in der wir uns den Künstlern und ihren Werken nähern sollen. Denn Kunst hat immer einen universellen Anspruch und Gültigkeit, und ich will versuchen mich ihr von solchen Kriterien zu nähern, die Schönheit in ihnen zu suchen, Fragen des Stils und der Technik nachzugehen, aber auch den Empfindungen, die sie hervorrufen können.
Nach der Originalität der Künstler allerdings werde ich nicht fragen. Zum einen ist es angesichts der im Bereich der bildenden Kunst erbrachten Vorleistungen äußerst schwer originell zu sein; zum anderen aber führt gerade die Betonung von Originalität dazu, dass immer mehr sie und das „Um-jeden-Preis-Auffallen“ für Kunst stehen, nicht mehr das Schöne an sich und der Dreiklang von Sehen, Empfinden und Umsetzen – dank handwerklicher Fertigkeit – im künstlerischen Schaffensprozess.

Vielseitigkeit und Experimentierfreude

Uwe Zermen
Uwe Zermen


Der Jüngste unter den ausgestellten Künstlern ist Uwe Zermen, 1973 in Zeiden geboren, 1987 nach Deutschland ausgereist und in Großkarolinenfeld lebend. Er lässt sich gerade zum Bildhauer ausbilden. Bis auf zwei Skulpturen – das aus Birnenholz gearbeitete Relief „Collage mit Musik“ und die Marionette aus Lindenholz „Hephaistos“ – stellt er zwischen 1994 und 2000 entstandene Malerei und Grafik aus.
Überbordende Experimentierfreude, ruhelose Suche und von ungebremstem Aktionismus getriebenes Improvisationstalent ließ die meisten dieser Werke entstehen. Zermen stellt sich nicht nur als Bildhauer, Maler und Grafiker vor, sondern präsentiert sich auch mit vielfältigen Techniken: Als Grafiker mit Bleistift- und Kreidezeichnung sowie mit Siebdruck, als Maler mit Öl, Acryl und Pigment auf Leinwand oder Karton. Auch innerhalb der einzelnen Technik experimentiert er, versucht sie sich anzueignen und die gebotenen Möglichkeiten auszureizen. Betrachten Sie seinen Umgang mit der Farbe: mal Ton in Ton wie bei der „Sängerin in Blau“, mal kräftig leuchtend, dann wiederum gedeckt und verhalten bis fast farblos. Meist trägt er Farbe dick auf – mit dem Spachtel oder einem breitem Pinsel – und nur selten zeichnerisch-linear, sondern als kleinere oder größere Farbflächen, die er als Mittel der Komposition und Bildraumgestaltung einsetzt.
Uwe Zermen: Streitende Vögel, 1997, 43 x 61 cm, Öl auf Karton
Uwe Zermen: Streitende Vögel, 1997, 43 x 61 cm, Öl auf Karton

Die Zeichnung spielt in Zermens Malerei keine große Rolle. In einigen Gemälden ist die Leichtigkeit und hingehuschte Spontaneität der grafischen Arbeiten trotzdem sichtbar: Am evidentesten wohl bei „Streitende Vögel“, ein Bild, das auch in der zeichnerischen und farblichen Reduktion bemerkenswerte Anlagen verrät. Schade nur, dass Zermen diese Anlagen seit 2000 brachliegen lässt, da er sich ganz der Bildhauerei verschrieben hat. Hoffen wir, dass er uns auch damit bald erfreuen wird.

Monumente als Memento

Armin Mühsam
Armin Mühsam


Unter den drei Künstlern ist Armin Mühsam, 1968 in Klausenburg geboren, 1977 nach Deutschland ausgereist, der einzige „Profi“. Er hat in München und Amerika Malerei und Zeichnen studiert, unterrichtet zurzeit auch beides als Assistant Professor an der Northwest Missouri State University Maryville und hat schon international Anerkennung gefunden. Die ausgestellten Bilder entstammen seiner zweiten Münchner Schaffensperiode: Interieurs, mit Öl und Acryl zwischen 1998 und 1999 auf Papier oder Leinwand erschaffen. Es sind mittelgroße Formate. In der Bildwirkung sind sie aber allesamt kolossal, eine Wirkung, die von den raumfüllenden technischen Apparaturen hervorgerufen wird. Sehr komplex konstruiert – als technisches Gerät wie als Bildkomposition – sind diese Maschinen sowohl grafisch als auch farblich betont plastisch herausgearbeitet, schon fast übertrieben dreidimensional, gewissermaßen dreieinhalbdimensional. Aber so wie es dreieinhalbdimensional nicht gibt, so gibt es auch diese sehr naturalistisch-realistisch gemalten Maschinen gar nicht. Es sind eher Monumente der Sinn- und Funktionslosigkeit, Mementos, mühsame Versuche Mühsams gegen die Technisierung unserer Welt anzugehen, indem er die Technikgläubigkeit unserer Gesellschaft der Lächerlichkeit preis gibt.
Armin Mühsam: Nach Rubens, 2000, 68 x 100 cm, Öl auf Leinwand
Armin Mühsam: Nach Rubens, 2000, 68 x 100 cm, Öl auf Leinwand

Diese gewissermaßen Schwarz-Weiß-Sicht findet sich irgendwie auch in der Farbgebung wieder. Auch wenn Schwarz nicht immer Schwarz und Weiß nicht immer Weiß ist: Es dominiert der starke, scharf gegeneinander gesetzte Kontrast. Die Farben selbst können dabei äußerst feine Nuancen aufweisen, können gedeckt-verhalten in sich ruhen oder kräftig-lichtüberflutet nach außen strahlen. Mehr über Mühsam und sein Werk wird am Pfingstsonntag bei der Preisverleihung zu vernehmen sein, ist er doch einer der beiden Träger des Ernst-Habermann-Preises 2002.

Das Wesentliche hinter der Oberfläche

Helga Dengjel
Helga Dengjel


Mit 38 Jahren ist Helga Dengjel die Älteste unter den ausgestellten jungen Künstler. 1964 in Schäßburg geboren und seit 1975 in Würzburg lebend, zeigt sie 19 Arbeiten, bis auf zwei Aquarelle Öl auf Leinwand, die in den letzten beiden Jahren entstanden sind. Allerdings ist sie nicht Malerin von Beruf, sondern Innenarchitektin, die sich insbesondere mit der Oberfläche als raumbildendes Element auseinandersetzt.
Oberflächen fallen auch bei ihrer Malerei als Erstes auf: die Textur einer Trachtenschürze, der Schleier der gebockelten Frau, die Dächer einer Häuserzeile – Oberflächen, aber nicht oberflächlich. Nicht in der malerischen Umsetzung – obwohl einiges in einem rasch und großzügig hingeworfenen Strich ausgeführt wird, kann man von der meisterlichen malerischen Gestaltung eines Schleiers nur beeindruckt sein: Wie zart und filigran er nicht nur dank des Weiß-Gehöhten ausgeführt ist, wie durchsichtig er ist, wie man die darunter liegende, reich bestickte Haube erahnen kann – und auch nicht von den Sujets her. Denn bei aller Verwischtheit und Vergänglichkeit der Impression, die so typisch für Dengjel ist, schaut sie hinter die Oberflächen und macht das sichtbar, was dahinter steckt.
Helga Dengjel: Ohne Titel, Nr. 5, 2001, 30 x 40 cm, Öl auf Leinwand
Helga Dengjel: Ohne Titel, Nr. 5, 2001, 30 x 40 cm, Öl auf Leinwand

Sie selber bekennt: „Meine Malerei spiegelt geträumte Bilder und flüchtige Erinnerungen wider. Mit der malerischen Umsetzung, der fragmentarischen Darstellung der Figuren und Räume, wird das vergangene und durch Erinnerung oder Traum teilweise zurückgebrachte Bild dargestellt.“ Und wie es dargestellt wird! Ihre Personen oder Landschaften sind als Individuen oder als Orte wohl nicht zu bestimmen, aber das Wesentliche fangen ihre Bilder ein. Oder kennen nicht auch Sie jemanden, der so vor seinem Hoftor sitzt, wie der Mann im Bild ohne Titel Nr. 3, der so zur Kirche geht, wie der Bauer auf dem Aquarell (Nr. 16) oder wie die Frauengruppe in Nr. 5. Einige der gezeigten Werke sind von einer Bildmächtigkeit, wie man sie seit Fritz Kimm nur selten sehen konnte.
Es liegt viel Einsicht in die Welt, nicht nur in die siebenbürgisch-sächsische, in solchen Bildern, ebenso viel Demut des Künstlers vor seinem Bildgegenstand wie vor der Kunst. Denn Dengjel weiß, dass Kunst nicht nur vom Maler vor der Staffelei geschaffen wird, sondern auch im Auge des Betrachters entsteht. Uns lassen ihre Bilder ebenso wie jene von Zermen und Mühsam viel Freiraum für diesen Prozess, von dem ich Sie nicht länger abhalten will.

Hans-Werner Schuster


Bilder von den Ausstellungen des Heimattages in Dinkelsbühl, Fotos: Günther Melzer

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