13. Juni 2002

Podiumsdiskussion in Dinkelsbühl: Jugendaustausch ist "existenzwichtig"

In der Podiumsdiskussion zum Abschluss des Heimattages der Siebenbürger Sachsen in Dinkelbühl bezeichneten siebenbürgische Jugendliche aus Deutschland, Österreich und Rumänien den weltweiten Jugendaustausch als „existenzwichtig“. Gleichwohl sei auch ein Dialog zwischen Jung und Alt notwendig, damit sich Jugendliche siebenbürgisch-sächsische Werte von der älteren Generation aneignen können.
Unter der Moderation von Thorsten Schuller, stellvertretender Bundesvorsitzender der Landsmannschaft und stellvertretender Bundesjugendleiter der Siebenbürgisch-Sächsischen Jugend in Deutschland (SJD), erörterte ein facettenreicher Teilnehmerkreis, wie Jugendarbeit in unterschiedlichen Ländern und Gremien aussieht und welche Vorstellungen über eine künftige Zusammenarbeit bestehen. Zum Motto „Mit der Jugend in die Zukunft“ sagte Schuller: „Mit wem denn sonst?“ Er betonte den festen Willen der Jugend, das siebenbürgische Kulturerbe zu bewahren.
Mit der Jugend in die Zukunft
Podiumsdiskussion zum Motto des Heimattages "Mit der Jugend in die Zukunft" in Dinkelbühl, von links nach rechts: Albrecht Klein, Christian Schuster, Johannes Hallmen, Rainer Lehni, Thorsten Schuller, Doris Binder-Falcke, und Stephan Putscher. Foto: Günther Melzer

Sein besonderer Gruß galt Pfarrer Johannes Hallmen aus der „hoffentlich künftigen Partnerstadt Dinkelsbühls“, Schäßburg. Der Land- und Schulpfarrer ist zuständig für die evangelische Jugendarbeit im Raum Schäßburg. Das Motto „Mit der Jugend in die Zukunft“ sei weise gewählt und mache hoffnungsvoll, weil es auf einen gemeinsamen Weg von Jung und Alt hinweise, betonte Hallmen. Die Evangelische Landeskirche in Rumänien öffne sich behutsam für Gemeindemitglieder aus Mischehen, obwohl sich viele Gemeindeglieder gegen diese und andere Neuerungen sperren. Die Siebenbürger Sachsen in Deutschland bezeichnete Hallmen als „Glücksfall“. Mit ihrer Hilfe sei es gelungen, in zehn Jahren mehr Kirchen instand zu setzen als in den letzten 60 Jahren. „Wir können weder wirtschaftlich noch geistig weitergehen - ohne Sie. Jedes Signal das Sie setzen, jeder Kontakt, jeder Besuch ist für uns unheimlich wichtig.“ Hallmen bat zudem um Unterstützung, den bei Schäßburg geplanten „Dracula-Park“ zu verhindern.

Doris Binder-Falcke stellte die vielseitigen Forschungstätigkeiten von Studium Transylvanicum vor. In diesem Netzwerk junger Menschen finden sich an Siebenbürgen Interessierte zusammen. Ihnen gemeinsam sei das Selbstverständnis, Siebenbürgen als Vielvölkerraum zu verstehen und in seiner Gesamtheit zu betrachten. Sie nähern sich Siebenbürgen interdisziplinär: historisch, natur- und wirtschaftswissenschaftlich, aber auch literaturwissenschaftlich. Der Verein veranstalte Seminare und Workshops, am bekanntesten sei die Siebenbürgische Ferienakademie, die jährlich zwischen Weihnachten und Neujahr stattfindet. Studium Transylvanicum arbeite eng mit dem Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde zusammen, dem es den wissenschaftlichen Nachwuchs vermittle. Der Reiseverein Transylvania Tours sorgt dafür, dass Siebenbürgen nicht nur „graue Theorie“ bleibt, sondern auch persönlich erlebt werden kann, so Binder-Falcke.

Der Sozialpädagoge Stephan Putscher, der als Dinkelsbühler Stadtjugendpfleger in der Hauptsache mit russlanddeutschen Jugendlichen und deren Identitätsprobleme zu tun hat, lobte die gelungene Integration der jungen Siebenbürger. So könne man in Dinkelsbühl lebende Siebenbürger kaum von anderen Stadtbewohnern unterscheiden, gleichwohl wirkten sie aber am siebenbürgischen Heimattag in Dinkelsbühl mit. Sie zeigten: Man könne Teil einer Gesamtgesellschaft sein und trotzdem eine eigenständige Identität bewahren. Wir bewegen uns in Richtung einer „kulturellen Globalisierung“, einer „Hamburger-Döner-Pizza-Gesellschaft“, die möglichst „cool“ auftritt, prophezeite Putscher. Das werde die Welt viel ärmer machen und ein „Kultursterben“, vergleichbar mit dem Arten- oder Waldsterben, zur Folge haben.

Die jungen Siebenbürger in Österreich haben mit Integration nichts mehr zu tun, da sie bereits in dritter Generation dort leben, stellte Christian Schuster, Bundesjugendsprecher der siebenbürgischen Landsmannschaft in Österreich, klar. Ihre Arbeit werde dort „ganz selbstverständlich als Teil des österreichischen Kulturgutes betrachtet“. Mit seinem Jugendreferat vertritt Schuster sieben Jugend- und Volkstanzgruppen, die von ursprünglich 13 existierenden Gruppen übrig geblieben sind. Sie widmen sich ausschließlich der siebenbürgischen Brauchtumspflege, sind aber viel aufgeschlossener als ähnliche Trachtengruppen in Österreich. Dank ihrer internationalen Ausrichtung genießen sie ein hohes Ansehen. Sie haben ein starkes Bedürfnis für Kontakte nach Siebenbürgen und sind wissbegierig ihre Wurzeln zu ergründen. Jugendgruppen aus Österreich besuchen Siebenbürgen seit den siebziger Jahren und verstärkt nach der Wende. „Wir sind ein siebenbürgisches Museum, aber noch sehr lebendig, das aber die Hilfe von stärkeren Jugendorganisationen vor allem in Deutschland sucht und benötigt“, erklärte Schuster. Die Kontakte zu deutschen Tanzgruppen seien in den letzten Jahren entstanden und ein „Überlebensfaktor“ für junge Siebenbürger in Österreich. Dr. Fritz Frank, Ehrenbundesobmann der Landsmannschaft in Österreich, wies auf eine weitere Möglichkeit hin, den „Weg in die Tiefe der Volkskultur“ zu gehen, und zwar durch den Austausch zwischen den Generationen, zwischen Jugend und Nachbarschaften.

Als „existenzwichtig“ betrachtet auch der Kronstädter Albrecht Klein, Vorsitzender des Deutschen Jugendverbandes Siebenbürgen, die Kontakte zu siebenbürgischen Jugendgruppen im Ausland. Mit Gruppen in Österreich und Deutschland arbeite man bereits gut zusammen. Auch im Zeitalter der E-Mails sei es wichtig, das zwischenmenschliche Gespräch zu pflegen und den Jugendaustausch im Rahmen der weltweiten Föderation der Siebenbürger Sachsen auszubauen, sagte Klein.

Nach Ansicht von SJD-Bundesjugendleiter Rainer Lehni steht die Jugend in Deutschland gut da, „aber euphorisch sollten wir nicht werden“. Zurzeit gibt es 60 siebenbürgische Tanz- und Jugendgruppen in Deutschland. Die SJD fördere die Integration in die hiesige Gesellschaft, „aber ohne unsere Identität aufzugeben“. Der Jugendverband ist in der Brauchtumspflege engagiert, organisiert aber auch viele Freizeitaktivitäten und Seminare und kann auf einen sehr guten Internetauftritt unter www.siebenbuerger.de bauen. Die SJD will ihre Kontakte zu anderen Jugendlichen aus Sportvereinen, den Heimatortsgemeinschaften, der Sektion Karpaten des DAV, der Föderation und weiteren Vereinen intensivieren. Dass die Landsmannschaft nur wenige jugendliche Mitglieder zählt, versuche die SJD durch ein neues Mitgliederkonzept zu überbrücken, erklärte Lehni.

Fazit und Ausblick des Bundesvorsitzenden

Die Podiumsdiskussion sei „ideenreich“ gewesen und habe Themen erörtert, „die uns alle auf den Nägeln brennen“, stellte Volker E. Dürr, Bundesvorsitzender der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, zum Abschluss des Heimattages fest. Er forderte dazu auf, „die offenen Pfade, die über Jahrhunderte gegangen worden sind, wieder gangbar zu machen“. Brauchtums-, Freizeitveranstaltungen, Studium der Geschichte, Reisen, Wandern, seelsorgerische und denkmalpflegerische Aufgaben, Kulturveranstaltungen gehörten zu den Mitteln, diese Wege wieder gangbar zu machen. Der Bundesvorsitzende zeigte sich zuversichtlich, „dass es mit Fördermitteln der EU auch in unserer Jugendarbeit weitergeht“. Dürr sprach der Jugend ein „dickes Lob“ für die sehr gelungene Organisation und reichen kulturellen Angebote des Heimattages aus, bedauerte aber dass die Kreis- und Landesgruppen in diesem Jahr weniger Präsenz gezeigt hätten und die Besucherzahlen dadurch zurückgegangen seien. Es sei wichtig das Bewusstsein zu fördern, dass die ältere Generation dabei sei, wenn die Jugend etwas organisiere, und umgekehrt. Der Bundesvorsitzende wünschte vor allem der seit 16 Jahren bestehenden SJD, dass sie einmal das 100-jährige Bestehen „so wie unsere amerikanischen Freunde feiern könnte“. Die Integration der Landsleute sei in allen Ländern gelungen. „Die Siebenbürger Sachsen haben Zukunft hier in Deutschland, aber auch überall dort, wo sie leben, in Europa und Übersee“, so das Fazit von Volker Dürr, dem Vorsitzenden der Föderation der Siebenbürger Sachsen.

Siegbert Bruss

Bewerten:

2 Bewertungen: o

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.