30. Juni 2002

Klares Profil in Zeiten des Umbruchs

Hannes Schuster hat als Chefredakteur der "Siebenbürgischen Zeitung" (1989-2002) die Anliegen der Gemeinschaft hervorragend journalistisch artikuliert. Der damalige Bundesvorsitzende und derzeitige Ehrenvorsitzende der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen, Dankwart Reissenberger, würdigt die Leistungen des verantwortlichen Redakteurs.
Wir hatten rechte Mühe, einen ausgebildeten Redakteur für unsere Zeitung zu finden. Es ging ja nicht nur um die fachliche Qualifikation, sondern auch um die charakterlichen Qualitäten, die nach allen Erfahrungen selbst bei einem Siebenbürger Sachsen nicht so ohne weiteres vorausgesetzt werden können. Er sollte beispielsweise nicht den Ehrgeiz entwickeln, die gewählten Mitglieder der Vorstände der Landsmannschaft gegeneinander auszuspielen und sich selbst eine Führungsrolle anzumaßen. Er sollte aufrichtig zur Teamarbeit bereit sein und die Grundprinzipien der landsmannschaflichen Arbeit journalistisch unterstützen.
Bundesvorsitzender Volker Dürr würdigte den scheidenden Chefredakteur Hannes Schuster (links) beim diesjährigen Heimattag in Dinkelsbühl mit einer Urkunde. Foto: Josef Balazs
Bundesvorsitzender Volker Dürr würdigte den scheidenden Chefredakteur Hannes Schuster (links) beim diesjährigen Heimattag in Dinkelsbühl mit einer Urkunde. Foto: Josef Balazs
Nun saßen wir da, im Gastraum in Gundelsheim uns gegenüber, und sprachen über das Angebot, das ich im Auftrag des Bundesvorstandes vorgetragen hatte: Hannes Schuster solle die Chefredaktion der Siebenbürgischen Zeitung so bald als möglich übernehmen. Danach sah es anfänglich gar nicht aus. Es bedurfte regelrechter Überredungskünste, bis wir "handelseinig" wurden. Dabei war das zunächst von Hannes ins Spiel gebrachte "Nein" durchaus ehrenwert. Er wies auf die mögliche Kritik der in Deutschland lebenden Mitglieder der Landsmannschaft hin: Ein Redakteur, der 22 Jahre lang bei einer Zeitung im kommunistischen Rumänien verpflichtet war (Feuilletonredakteur und danach Stellvertretender Chefredakteur bei der in Kronstadt herausgegebenen Karpatenrundschau), sollte nunmehr das Blatt der Landsmannschaft leiten. Und außerdem, sei er erst wenige Monate in Deutschland und müsse zunächst die politische Lage, wie sie auch von der Landsmannschaft zu beachten sei, voll erfassen.

Ich war zwar überzeugt, dass Schuster eine wesentlich geringere Zeit zum Einarbeiten benötigen würde. Aber meine Gegenargumente hätten nichts gefruchtet, wenn nicht Alfred Coulin an meiner Seite gewesen wäre. ''Stibes" wie er von den Freunden genannt wurde, hatte bei mehreren Reisen nach Siebenbürgen Hannes Schuster kennen gelernt und ihn als einen zuverlässigen Sachsen, der kein Kommunist ist, empfohlen. Auf sein Urteil konnte ich mich voll verlassen. Schließlich kannten wir uns seit 1940, als Stibes Redakteur beim Bukarester Tageblatt war. Eine Freundschaft entstand, nachdem er aus dem Zwangsarbeitslager der Sowjetunion 1948 entlassen worden war. Als Leiter der Rumänien-Redaktion des Deutschlandfunks verfügte er über genaue Kenntnisse auch über die Lage in Siebenbürgen. Durch Coulins "Affidavit" wurden wir "handelseinig", und Schuster trat am 1. Dezember 1989 - drei Wochen vor dem Sturz Ceausescus - seinen Dienst als Chefredakteur der Siebenbürgischen Zeitung an.

"Ich hatte eine ganz neue Aufgabe vor mir", erinnert sich Hannes an seine Anfänge im Redaktionsbüro in der Albert-Roßhaupter-Straße in München und in der Druckerei Jägerhuber in Starnberg. Das Wichtigste für ihn war "die Chance, nach den Zwängen und dem Terror im Kommunismus nunmehr ohne verpflichtende Vorgaben die Zeitung frei zu gestalten". Schuster hat diese Chance voll genutzt und nicht nur das: Er hat dem Blatt ein klares Profil gegeben. In einer Zeit, in der die Landsmannschaft Umbrüche und Änderungen in ihrer Arbeit angestrebt hatte oder sich von außen kommenden Einflüssen anpassen musste:

Zunächst einmal die Neuordnung des Verhältnisses zu unserer Kirche in Siebenbürgen und die Bereinigung von Missverständnissen, die früher auch in das Blatt der Landsmannschaft Eingang gefunden hatten. Mit der Beilage "Kirche und Heimat" ist dem Hilfskomitee im Diakonischen Werk eine eigene Stimme in der Siebenbürgischen Zeitung entstanden. Hannes Schuster erinnert daran, dass im kommunistischen Rumänien über Kirche und Gottesdienst nicht in Zeitungen geschrieben werden durfte und dass "Lesertreffen" unter Beteiligung des Pfarrers und der deutschen Lehrer einen Ersatz für die Pflege der siebenbürgisch-sächsischen Identität in den Dorfgemeinden darstellten.

Hinzu kamen die Beziehungen zum "Forum" in Siebenbürgen, das sich bereit gefunden hatte, mit der Landsmannschaft zusammenzuarbeiten sowie die Kontaktpflege zu den Landsleuten in Österreich und im Rahmen der "Föderation der Siebenbürger Sachsen" auch in den USA und Kanada. Eine große Anzahl von Artikeln hat Schuster den Veränderungen der Vertriebenenpolitik gewidmet, die auf eine Beschränkung des Aussiedlerzuzugs aus Siebenbürgen abzielten. Die "Vereinsamung" der Alten, die nicht mehr aussiedeln konnten oder es auch nicht wollten, wurde zur Sprache gebracht, sozusagen ein Restbestand der Diskussion über "Bleiben oder Gehen".

Es würde zu weit führen, alle Themen aufzulisten, die Hannes Schuster in der Siebenbürgischen Zeitung behandelt hat. Von besonderer Bedeutung sind jedoch die Berichte über die Treffen der Heimatortsgemeinschaften, die zur Festigung dieser Zusammenschlüsse wesentlich beigetragen haben.

Möglicherweise ist der Chefredakteur der Siebenbürgischen Zeitung während seiner zwölfjährigen Tätigkeit in seinem bevorzugten Ressort, nämlich dem Feuilleton, zu kurz gekommen. Für seine Beiträge zur Literatur, seine Buchbesprechungen, die über den siebenbürgischen Horizont hinausgingen, wird ihm zu wenig Zeit übrig geblieben sein, wenn er all die Nachrichten über das Geschehen in der Landsmannschaft redigieren musste.

Sein Nachfolger im Amt des Chefredakteurs, Siegbert Bruss, hat in einem Beitrag zu Schusters 60. Geburtstag zu Recht hervorgehoben, er habe "ein Stück siebenbürgisch-sächsischer Kulturgeschichte mitgeschrieben". Und weiter: "Dass die Siebenbürgische Zeitung heute von vielen Lesern für ihr Niveau geschätzt wird, ist Schusters sicherer stilistischer Hand und dem geistigen Anspruch zu verdanken, den er an seine Arbeit stellt."

Wir danken Ihnen, lieber Hannes, für diese Leistung und rufen Ihnen zum Abschied den herzlichen Wunsch zu, Gott möge Ihnen noch viele Jahre in Gesundheit schenken.

Dankwart Reissenberger


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 10 vom 30. Juni 2002, Seite 4)

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