26. Juli 2002

Kirche in Zuckmantel eingeweiht

Die Wiedereinweihung der evangelischen Kirche in Zuckmantel am 9. Juni durch Bischof D. Dr. Christoph Klein war ein eindrucksvoller Festtag nicht nur für die aus dem Westen angereisten Zuckmantler und die einheimischen Gäste, sondern auch für alle Bewohner des Dorfes - unabhängig von Nationalität und Hautfarbe.
"In diesen Tagen lebt das Dorf auf'“ , so Bürgermeister Dipl.-Ing. Cârnu Alexandru. Vor den Toren der einstigen sächsischen Gehöfte standen wieder Menschen und plauderten. Man ging den Nachbarn aus dem Westen besuchen, der in irgendeinem leer stehenden oder bewohnten Haus Quartier gefunden hatte. Auf der Straße herrschte rege Betriebsamkeit. Das anstehende Fest, bei dem die "Westler" Gastgeber waren, musste schließlich organisiert werden. Das Straßendorf war über eine Woche lang Schauplatz für die Begegnung ehemaliger Zuckmantler und ihrer Nachkommen, die an dem Einweihungsfest teilnahmen.
Maßgeblichen Anteil an dem würdigen Einweihungsfest hatten (Bildmitte, v. l. n. r.) HOG-Vorsitzender Helmut Müller, Pfarrer Johannes Halmen, Bischof Christoph Klein, Vikarin Helga Rudolf und Pfarrer Marcu Ovidiu.
Maßgeblichen Anteil an dem würdigen Einweihungsfest hatten (Bildmitte, v. l. n. r.) HOG-Vorsitzender Helmut Müller, Pfarrer Johannes Halmen, Bischof Christoph Klein, Vikarin Helga Rudolf und Pfarrer Marcu Ovidiu.


Zuckmantler in der Diaspora tragen Heimat im Herzen

Zuckmantel, das 1325 erstmals urkundlich erwähnt wurde, liegt im Zwischenkokelgebiet, auch "Siebenbürgisches Mesopotamien" genannt, an der Europastraße E 60, auf halber Strecke zwischen Schäßburg und Neumarkt. Trotz ihrer heutigen Diaspora in Rumänien, Deutschland, Österreich, Kanada und den USA haben die Zuckmantler in der 5. Nachbarschaft (bei der Gründung 1982 gab es in Zuckmantel noch vier intakte Nachbarschaften) eine starke Gemeinschaft gefunden, zu der sie sich treu bekennen. Veranlasst durch den Aufruf des HOG-Vorstandes, die Umfriedung des Friedhofes und die Renovierung der Kirche finanziell zu unterstützen, spendeten sie über 40 000 DM. Der Vorsitzende der 5. Zuckmantler Nachbarschaft, Dipl.-Ing. Helmut Müller, reiste in den Jahren 1995 bis 2001 häufig nach Rumänien, um die Arbeiten vor Ort zu koordinieren.

Bischof D. Dr. Christoph Klein bemerkte in seiner beeindruckenden Predigt: "Die Kirche ist der Stolz einer Gemeinde und nicht nur der eigenen Glaubensgenossen, sondern der ganzen Gemeinschaft. Eure Kirche kann man von weit her sehen, sie ist zum Symbol, zu einem Wahrzeichen des ganzen Ortes geworden und zeugt von der Kraft und dem Lebenswillen der Menschen. Darum: Habt gut Acht auf ihre Mauern, dass ihr den Nachkommen davon erzählt. Kirchen haben Öffentlichkeitscharakter, der erhalten bleiben muss, selbst wenn die, die sie einst benützt haben, nur noch in geringer Zahl vorhanden sind".

Aus der Not eine Tugend gemacht – sächsischer Saal wird Festoase

Das Zuckmantler Rundschreiben Nr. 26 (Dezember 2001) informierte detailliert über Anreise, Übernachtungs- und Speisegelegenheiten, Programmablauf und Verkehr auf der durch Zuckmantel führenden „Schnellstraße“, die schon zahlreiche Opfer gefordert hat. Immerhin hatten viele ihr Dorf seit undenklichen Zeiten nicht mehr gesehen und mussten daher über die augenfälligen Veränderungen in Kenntnis gesetzt werden. So existiert beispielsweise der begehrte Zuckmantler Wein nur mehr in unserer Erinnerung, denn auf den sonnigen Hügeln, wo einst die Gutedel und Muskateller reiften, blühen jetzt wilde Rosen. Da Zuckmantel über keine Restaurants, Hotels oder größere Versammlungsräumlichkeiten verfügt, war Improvisation gefragt. Spontan hatten sich rund 20 rumänische Familien bereit erklärt, Gäste aus dem Westen aufzunehmen. Andere hatten die Möglichkeit, in Schäßburg und Neumarkt unterzukommen. Zudem hielt Bürgermeister Alexandru Wort: Er hatte den Ende der dreißiger Jahre erbauten sächsischen Saal, der sich in einem erbärmlichen Zustand befunden hatte, eigens für das Festessen renovieren lassen. Freilich fehlten am Freitagmittag vor dem Fest noch der notwendige große Herd und das Wasser. 250 Gäste aus dem In-und Ausland standen auf der Einladungsliste. Das Problem meisterten die Gemeinderäte (Consilieri) Josif Piri, Ambrosie Munteanu, Traian Olaru und der Bürger Emil Buzas, unterstützt von bereitwilligen Helfern, mit Bravour. Niemanden störte, dass provisorische Gas- und Wasserschläuche auf der Straße zu den Nachbarn verlegt wurden, und es machte Spaß, die vielen Tische verschiedener Stabilität, Breite und Länge, Stühle und Bänke festgemäß aufzustellen und den Saal mit Feldblumen auszuschmücken.

„Trotzdem ein gescheiter Mensch geworden“

Eine Woche vor dem Fest war ein Bus mit Landsleuten aus Deutschland in Zuckmantel eingetroffen. Etliche Teilnehmer reisten in einem Bus aus Österreich an und brachten die "Amerikaner" mit, andere wiederum kamen mit dem Flugzeug bis nach Neumarkt. Passionierte Autofahrer kreuzten mit ihren "neusten Modellen" auf.

Zuckmantel blühte auf wie einst zu Pfingsten oder am Peter- und Paulstag. Die Straßen wurden "gekehrt", der Rasen vor den Häusern gemäht. Herr Piri zeigte mir sein Anwesen, einst im Besitz meiner Großeltern, wo wir drei Geschwister einige Jahre verbracht hatten, nachdem unsere Mutter im Alter von 25 Jahren gestorben war. Ich zeigte ihm mein verstaubtes "Studienzimmer" unter dem Treppenaufgang (dà Lif), und er staunte: „Si totusi v-ati facut om inteligent" („Und trotzdem sind sie ein gescheiter Mensch geworden").

Solche Erlebnisse hatten fast alle Besucher aus dem Westen. Die Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft der einheimischen Bevölkerung waren nicht zu überbieten. Übrigens haben aufgrund des (rumänischen) Gesetzes 10/2001 einige Zuckmantler ihre Häuser wieder zurückerhalten. Weitere werden folgen, da das Bürgermeisteramt diesen Prozess tatkräftig unterstützt.

Einweihungsgottesdienst

Das ganze Dorf war am Sonntag, dem 9. Juni, auf den Beinen. Selbst die nicht eingeladenen Zuckmantler wollten sich diese einmalige Chance, die Ankunft des Bischofs und das Festtreiben nicht entgehen lassen. In der provisorischen Saalküche herrschte emsiger Betrieb. Unterstützt von 20 rumänischen Frauen bereitete Familie Jancu, Köchin und Kellner, das Festessen mit anschließendem Kaffee, Kuchen und Abendessen vor.

Punkt 9.00 Uhr stellte sich die Burzenländer Blaskapelle unter der Leitung von Prof. Ernst Fleps in sächsischer Tracht auf und spielte vor dem Pfarrhaus zum Auftakt dieses Festtages. Bischof D. Dr. Christoph Klein wurde vom Diaspora-Pfarrer Johannes Halmen, der Kuratorin Rosemarie Müller und dem HOG-Vorsitzenden Helmut Müller begrüßt. Vor der Kirchentür übergab Müller dem Bischof die Kirchenschlüssel, worauf die Kuratorin die Türen der Kirche zu diesem einmaligen Festgottesdienst öffnete.

In der brechend vollen Kirche, in der die geladenen Honoratioren auf den Bänken der Ältesten saßen (gemäß der alten Sitzordnung), spielte Theo Halmen an der Orgel "lch komme vor dein Angesicht". Im Pfarrgestühl hatten Platz genommen: Bischof Dr. Christoph Klein, Ortspfarrer Johannes Halmen, Vikarin Helga Rudolf und der orthodoxe Ortspfarrer Marcu Ovidiu. Die Einweihung nahm Bischof D. Dr. Christopf Klein vor, der auch die Predigt hielt über Psalm 48, 10-15: "Gott, wir gedenken deiner Güte in deinem Tempel. Gott, wie dein Name, so ist auch dein Ruhm bis an der Welt Enden“.

Der Bischof hob an: "Gewiss sind es zunächst Gefühle der Dankbarkeit und der Freude, die in unseren Herzen Raum finden beim Anblick dieses so schön wiederhergestellten Gotteshauses, das in seiner neuen Pracht erstrahlt, zumal an diesem wunderbaren Sonntag, der uns einlädt teilzuhaben an der Freude, die Gott uns heute bereitet hat. Es mag wohl auch der Dank sein für die Menschen, die sich eingesetzt haben, um dieses Werk zu vollenden, angesichts der bangen Frage: Wie wird es weitergehen und wem dient das alles, was hier geschehen ist?" Und die Predigt schloss mit den Worten: "Heute ist ein großes Werk vollendet durch Menschen, die diesen Ruf vernommen haben. Es ist ihnen - vielleicht in ihrer Kindheit und Jugendzeit von ihren Eltern - davon erzählt worden, so dass sie wussten, wofür sie sich mit dieser Kirche einsetzen. Und sie sollen es den Nachkommen weitererzählen, damit diese Kirche noch lange erhalten bleibt. Und wenn auch alles Irdische einmal zu Ende gehen sollte, so bleibt diese Wahrheit: Wahrlich, das ist Gott, unser Gott für immer und ewig. Er ist's, der uns führet. Amen."

An der Gestaltung des Gottesdienstes beteiligten sich des Weiteren Pfarrer Johannes Halmen, Vikarin Helga Rudolf, Lektorin Ulrike Kiss und die Zuckmantler Singgruppe, die zwei Chorlieder darbot. Der orthodoxe Ortspfarrer Marcu Ovidiu sprach versöhnliche Grußworte, Kuratorin Rosemarie Müller lud zum Festessen ein. Indes rief HOG-Vorsitzender Müller in seiner Rede zur Besinnung auf: "Es sind die Zeitabschnitte sächsischer Tradition und sächsischer Kultur, die mich geprägt haben und für die ich mich verwende, auch und gerade hier in Zuckmantel, weil diese Kirche eine besondere Kirche ist, in der die meisten von euch getauft, konfirmiert und getraut wurden, und weil auf dem Friedhof draußen die Gräber eurer Eltern, Großeltern und Anverwandten liegen. Wir sind es unseren Ahnen schuldig, die Kirche zu renovieren, da wir eine Kultur hatten, die sichtbar für die Zukunft erhalten bleiben muss."

Durch nichts und niemanden zu ersetzen

Nach dem heiligen Abendmahl, das von einer Singgruppe, geleitet von Organist Theo Halmen, begleitet wurde, begaben sich alle auf den angrenzenden Friedhof, um im Gebet der Toten zu gedenken. Die Burzenländer Blaskapelle spielte Choräle, während die Familienangehörigen Blumen auf die Gräber legten. Anschließend fand das Festessen im Kultursaal statt. Helmut Müller begrüßte die Anwesenden und stellte die Geistlichen, die Honoratioren und die geladenen Gäste vor. Bischof Christoph Klein sprach das Tischgebet. Über 250 Gäste nahmen Platz und ließen sich die Köstlichkeiten munden. Die Burzenländer Blaskapelle begleitete das Mittagessen und spielte auch beliebte rumänische Weisen.

Bürgermeister Cârnu Alexandru betonte in seiner Ansprache, dass er stolz sei, mit seinen früheren Arbeitskollegen, die nicht vergessen hätten, wo sie geboren, gelernt und gearbeitet haben, feiern zu dürfen. Mit schmerzender Seele habe er erkennen müssen, dass unsere Auswanderung durch nichts und niemanden zu ersetzen sei. Unter der Leitung von Katharina Eiwen boten 30 Schüler der rumänischen Volksschule aus Zuckmantel, teils in sächsischer, teils in rumänischer und ungarischer Tracht, ein buntes Kulturprogramm aus Tänzen, Gesang und Gedichten, vortragen in deutscher und rumänischer Sprache. Sie ernteten großen Beifall. Was die wenigsten wussten: Das einzige sächsische Kind unter ihnen war Simone Müller (10). Als die Kinder auf der Bühne in deutscher Sprache „Siebenbürgen, Land des Segens" anstimmten, erhoben sich die Anwesenden und sangen mit.

Die rumänische Presse und der Hörfunk berichteten mit großen Schlagzeilen, wie "Sasi din toate colturile lumii s-au întors la Tigmandru" („Sachsen aus der ganzen Welt kehrten zurück nach Zuckmantel“) und würdigten, dass ein Zeichen gesetzt worden sei für Toleranz, Brüderlichkeit und eine gemeinsame Zukunft.

An dieser Stelle möchte ich im Namen meiner Landsleute allen einheimischen Bürgerinnen und Bürgern Zuckmantels und besonders Bürgermeister Alexandru für ihre Freundlichkeit, ihre selbstlose Hilfe und ihren Einsatz bei der Gestaltung dieses wundervollen Festes aus ganzem Herzen danken.

Helmut Müller


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 12 vom 31. Juli 2002, Seite 20)

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